Cannabis-Modellprojekte in Hannover und Frankfurt geplant – Verordnung in „regierungsinterner Abstimmung“

by Moritz Förster

Frankfurt und Hannover verkünden Modellprojekte für die regulierte Abgabe von Cannabis als Genussmittel. Bereits im Sommer hatte Wiesbaden den Start eines Modellprojekts verkündet – als Teil einer bundesweiten Forschung, in der mehrere Städte eingebunden sind. Allerdings hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) immer noch nicht die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung per Verordnung als zuständige Behörde für die Modellprojekte ernannt. Dies ist Voraussetzung dafür, dass die geplanten Pilotprojekte überhaupt bewilligt werden und anlaufen können. Im August hatte ein Sprecher des BMEL krautinvest.de bestätigt, dass dieser Schritt erfolgt – den Zeitpunkt aber offen gelassen.

Zuletzt hieß es unter Insidern, dass die ausbleibende Verordnung vor allem eine Frage der dafür erforderlichen Ressourcen sei. Die größte Hürde sei demnach die erforderlichen Mittel im Haushalt bereitzustellen. Das BMEL bezog auf eine aktuelle Anfrage von krautinvest.de diesbezüglich keine Stellung. Es begründete auch nicht, wieso die Verordnung noch nicht vollzogen wurde. Stattdessen heißt es auf Anfrage seitens eines Sprechers: „Die Überlegungen in unterschiedlichen Städten und Kommunen zu Cannabis-Pilotprojekten zeigen den berechtigten Wunsch, den Schwarzmarkt immer weiter auszutrocknen und den Jugendschutz weiter zu verbessern. Die Verordnung, mit der die zuständige Behörde für die genannten Pilotprojekte benannt wird, befindet sich derzeit noch in der regierungsinternen Abstimmung.“ Ein Sprecher der Stadt Frankfurt erklärte, dass die Stadt auf eine zeitnahe Entscheidung dringe, aber keine Informationen vorlägen, wann eine Entscheidung getroffen werde. Ungeachtet dessen prescht neben Frankfurt auch Hannover nach vorne und verkündet den Aufbau von einem Modellprojekt.

In Frankfurt haben Sozial- und Gesundheitsdezernentin Elke Voitl sowie der Leiter des Drogenreferats, Dr. Artur Schroers, eine eine Absichtserklärung der Stadt unterzeichnet. Damit könne die geplante Studie sofort beantragt werden, sobald der Bund die Zuständigkeiten geklärt hat, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Für die Studie in Frankfurt sollen registrierte Proband:innen fünf Jahre lang in eigens errichteten Fachgeschäften legal Cannabisblüten und andere Tetrahydrocannabinol(THC)-haltige Produkte kaufen können. Die Studienteilnehmer:innen müssen in Frankfurt wohnen, volljährig und gesund sein sowie an regelmäßigen Befragungen und Untersuchungen teilnehmen. Die Umsetzung des Modellprojekts erfolge durch die Sanity Group. „Wir erhoffen uns mehr Schadensminderung für Cannabiskonsumierende und eine bessere Integration von Personen mit riskantem Konsum in das Hilfesystem“, lässt sich Schroers zitieren.

Wissenschaftlich begleitet werden soll die Untersuchung in Frankfurt von Professor Dr. Heino Stöver (Frankfurt
University of Applied Sciences). „Eine der zentralen Fragen der wissenschaftlichen Begleitung beschäftigt sich mit den Auswirkungen eines legalen Erwerbs von Cannabis – einschließlich Beratungsmöglichkeit – auf das eigene
Gesundheitsverhalten der Klient*innen“, so Stöver. „Daraus können Schlüsse nicht nur für die Prävention, sondern auch für die zukünftige Gestaltung des Zugangs zu Cannabis gezogen werden.“ Der Sprecher der Stadt Frankfurt erläutert, dass „grundsätzlich herausgefunden werden soll, ob durch einen kontrollierten Verkauf von qualitativ hochwertigen Cannabisprodukten Schadensminderungen für Cannabiskonsumierende erreicht und sie bei riskantem Konsum besser in das Hilfesystem integriert werden können“. Eine medizinische Überwachung erfolge zudem durch Dr. Thomas Peschel, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er verantworte die generelle Überwachung der Gesundheit der Teilnehmer:innen und berate das Fachpersonal bei der Zulassung und dem Ausschluss von Teilnehmer:innen.

Die Abgabe soll in Frankfurt ausschließlich über Fachgeschäfte, nicht über Apotheken – wie etwa in Wiesbaden – erfolgen. Die Stadt Frankfurt wünscht sich „wegen des naturalistischen Studiendesigns“ eine möglichst große Zahl an Studienteilnehmenden. Eine maximale  Teilnehmendenzahl sei nicht festgelegt worden. Die Befragung erfolge zum Studienbeginn und alle sechs Monate bis zum individuellen Ende der Datenerhebung nach 24 Monaten, heißt es auf Anfrage. Teilnehmende müssten in dem Zeitraum von fünf Jahren alle zwölf Monate einen Fragebogen ausfüllen.

In Hannover sei eine kontrollierte Abgabe von Cannabis in bis zu drei Verkaufsstellen im Stadtgebiet und unter wissenschaftlicher Begleitung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) geplant. Die Landeshauptstadt Hannover wolle damit Anfang 2025 starten. Sie kooperiere dabei mit der Stadt Frankfurt und ebenfalls mit der Sanity Group. Im Gegensatz zu Frankfurt sollen nicht möglichst viele, sondern laut Mitteilung rund 4.000 Erwachsene mit Wohnsitz in Hannover an der Studie teilnehmen. Die Studie soll Aufschluss über Konsumverhalten und Auswirkungen auf Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt geben. „Unser Hauptinteresse an diesem Projekt sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die einen Aufschluss über die Auswirkungen eines legalen Verkaufs auf die Konsumhäufigkeit, die Veränderung bei der Auswahl des THC-Gehaltes der gekauften Produkte oder einem Wechsel auf Produkte mit geringerer Gesundheitsschädigung geben“, erläuterte Sozialdezernentin Sylvia Bruns in einer Mitteilung. Die medizinische und wissenschaftliche Begleitung am Standort Hannover soll Prof. Dr. med. Kirsten Müller-Vahl, geschäftsführende Oberärztin der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover zusammen mit Dr. med. Thomas Peschel, Gründer der Diamorphinambulanz Patrida in Hannover, übernehmen. „Durch die wissenschaftliche Untersuchung der Auswirkungen eines regulierten und strukturierten Zugangs zu Cannabis lässt sich feststellen, ob Gesundheits- und Jugendschutz gestärkt, Konsumrisiken verringert und der illegale Markt zurückgedrängt werden können“, so Prof. Müller-Vahl zur Zielsetzung des Projekts.

Unabhängig davon hatte Paul-Lukas Good vom Verein Cannabis Forschung Deutschland (CFD) auf krautinvest erläutert, wie er sich ein bundesweites Pilotprojekt mit verschiedenen Städten vorstellt.