Cannabis-Entkriminalisierung – lachen oder weinen?

Erstes Schrittchen

by Moritz Förster

“Mit Augenmaß”, betonte Karl Lauterbach auf der gestrigen Pressekonferenz zum CanG, habe die  Bundesregierung Cannabis als Genussmittel legalisiert; ließ sich gar dazu hinreißen, von der “besten Form der Legalisierung” zu sprechen, “die bislang versucht wurde”. Nun kann gewisses schauspielerisches Talent einer Politiker-Karriere nicht schaden, gut möglich, aber dass der ehemals sehr Cannabis skeptische heutige Gesundheitsminister einer der wenigen im Saal war, der seinen eigenen Worten glaubte. Denn dass das nun vom Kabinett verabschiedete Cannabis-Gesetz, kurz CanG, ein Kompromiss ist, hat selbst die Ampel eingestanden. Ein Kompromiss, mit dem sich aber mehr und mehr Industrieteilnehmer anfreunden.

Denn das, was nun verabschiedet wurde, ist im Gegensatz zu Lauterbachs Aussagen keine Legalisierung, sondern ein entkriminalisierter Anbau zuhause und gemeinschaftlich in non-Profit Anbauvereinigungen. Weit weg von der im ersten Eckpunktepapier angestrebten Legalisierung der gesamten Wertschöpfungskette. Und der Grund für diese mindestens halbe Rolle rückwärts ist eben nicht mehr Liebe für “Augenmaß”, sondern ganz banal die Angst der Bundesregierung, vom EuGH einen über den Deckel zu kriegen. Dass eine komplette Legalisierung dort gelandet wäre, scheint nach den “vertraulichen” Gesprächen mit der Kommission nahe liegend. Wie der EuGH wiederum entschieden hätte, steht auf einem anderen Blatt. Nicht wenige sind der Ansicht, dass die Bundesregierung dort hätte gewinnen können. Und noch mehr finden, ganz gleich vom Ausgang, hätte man dann wenigstens Klarheit gehabt, ob man für eine vollumfängliche Legalisierung tatsächlich den mühseligen Weg gehen muss, auf europäischer Ebene den Rahmenbeschlussvertrag von 2004 und gegebenenfalls das Schengener Abkommen zu ändern.

Auf der anderen Seite sind die Risiken, dass der EuGH bei der abgespeckten Variante noch dazwischen funkt, nun deutlich niedriger – auch wenn immer wieder von der CSU postuliert. Denn für den Eigenanbau für den privaten Konsum sieht der Rahmenbschlussvertrag Ausnahmeregeln vor – und diese sollten, mit minimalem Fragezeichen, auch für den gemeinschaftlichen Anbau in den Clubs greifen. Zudem entstehen auch neue Geschäftsopportunitäten: Zäune, Räumlichkeiten, Anbauflächen, Seeds, Dünger, Beleuchtung – die Clubs werden viele Dinge anschaffen müssen. Vor allem aber brauchen sie auch Expertise: Vereine müssen noch gegründet, Satzungen verfasst und Anträge an Behörden gestellt werden. Die Dokumentation der Mengen und Qualitäts-Prüfungen der Ernte könnten Dienstleister ebenfalls erleichtern. Immerhin.

Bleibt nur die Frage nach den Volumina. In Malta wartet man mehr als eineinhalb Jahre nach der Verabschiedung des Gesetzes immer noch darauf, dass diese ins Rollen kommen. Von dem einstigen Milliardenmarkt dürfte man auch hierzulande weit entfernt sein. Denn um im großen Stil zu produzieren, bräuchte es Kapital. Das aber dürften Banken in Form von Krediten kaum zur Verfügung stellen. Zu groß sind die Risiken von Ernteausfällen und Vereinsstreitereien. Dass Vereinsvorstände für solche privat haften, ist auch schwer vorstellbar. Private Investoren werden an den non-profit Organisationen wiederum kaum Interesse haben. Es könnte vorerst im kleinen Stil anlaufen.

Und auch wenn eben dieser “kleine Stil” nicht der Rettungsanker für die kriselnde Cannabis-Industrie ist, ist er doch mehr als nur ein Hoffnungsschimmer. Denn, und das wird insgeheim auch Karl Lauterbach wahrscheinlich wissen: Dass die Bundesregierung mit der aktuellen Zwischenlösung ihre großen Ziele erreicht ist mehr als unwahrscheinlich. Lauterbach sprach davon, mit dem CanG drei Probleme anzugehen: den steigenden Cannabis-Konsum, die Drogenkriminalität und die toxischen Dosierungen. Das ist Unsinn und das erkennt der Gesundheitsminister beim Blick auf andere Länder auch selbst. Das jetzige Modell wird den illegalen Markt in absehbarer Zeit nicht zurück drängen. Andere Ampel-Politiker:innen scheuen sich daher auch nicht davor, dieser Wahrheit ins Auge zu blicken: Kirsten Kappert-Gonther betonte auf der ICBC, dass, wenn es nach ihr gegangen wäre, die Bundesregierung es vor dem EuGH hätte drauf ankommen lassen.

Und doch ist es ironischerweise ist es wahrscheinlich gerade die Imperfektion der jetzigen Kompromisslösung, was die Industrie eher Lachen als Weinen lässt. Denn neben dem nach der Reklassifizierung vermutlich rasch wachsendem medizinischen Cannabismarkt dürften viele auf eine vollumfänglich legalisierte Wertschöpfungskette in einigen Jahren hoffen. In einer aktuell laufenden Linkedin-Umfrage bewerten 70 Prozent der Teilnehmenden das CanG als positiv für die Industrie. So ist es mehr als unwahrscheinlich, dass die Clubs in einigen Jahren, ganz gleich, welche Partei die Kanzlerin oder den Kanzler stellt, eingestampft werden. Dass die Unzufriedenheit vielerseits groß ist mit dem entkriminalisierten Anbau in Vereinen – davon ist auszugehen. Dass das Ausweg aus dem Dilemma eine ergänzende legale Wertschöpfungskette ist: korrekt. Dass das CanG daher viel Grund für Freude birgt? Stimmt: Der erste wichtige Schritt ist getan, auch wenn eher ein Schrittchen.

Leave a Comment