Cannabis 2024 – Ein Jahr wie ein Rausch

by Moritz Förster

War 2023 das vielleicht härtest Jahr für die Cannabis-Industrie in Deutschland, so gab es 2024 Grund zum Feiern. Das Cannabis-Gesetz trat am 1. April 2024 in Kraft. Auch wenn nicht, wie ursprünglich geplant Cannabis als Genussmittel vollumfänglich legalisiert wurde, erlebt – gerade die medizinische – Industrie seitdem ein rasantes Wachstum. Und als viele gar nicht mehr damit rechneten, verabschiedete das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Ende des Jahres auch noch die Forschungsverordnung. Doch es bleibt keine Zeit, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, die Bundestagswahl im Februar wirft bereits ihren Schatten voraus. Wie beurteilen führende Experten und Unternehmer:innen 2024 im Rückblick? Auffällig oft fällt das Wort „Meilenstein“.

„Historisches Jahr“

Timo Bongartz, für den persönlich angesichts seiner Beförderung zum CEO von Cannavigia ohnehin ein erfolgreiches Jahr war, erklärt mit einem Augenzwinkern: „Die Regierung hat den Deutschen zwei der ‚deutschesten‘ Sachen beim Cannabis gegeben – Gärtnern und Vereine.“ Es sei nun Aufgabe der Industrie, „in dem bestehenden Korsett zu agieren und nicht über das was-wäre-wenn zu philosophieren“.

Noch euphorischer zeigt sich Florian Pichlmaier, Co-Founder und CEO von Signature Products, der von einem „historischen Jahr für Cannabis in Deutschland“ spricht. Der Grundstein für „eine neue Ära“ von Recreational Cannabis sei gelegt. Persönlich freut er sich über die Inhouse-Entwicklung, die eigene Hanf-App, durch die man,, den „ersten vollständigen Cannabisclub in Deutschland ermöglicht habe.“ Das einzige Manko 2024: Gerade Anfang des Jahres herrschten große Unsicherheiten. Pichlmaier: „Wann das Gesetz kommt, in welcher Form und welche kurzfristigen Änderungen es nach der Verabschiedung geben würde. Selbst jetzt gibt es viele Regelungslücken, die sowohl Clubs als auch Endkonsumenten vor Herausforderungen stellen.“ 

Finn Age Hänsel, Co-Founder und CEO Sanity Group, spricht von einem guten Jahr für „Cannabispatient:innen, Cannabiskonsument:innen und die gesamte Branche“. Daniel Kruse, CEO von Synbiotic und EIHA-Präsident, bezeichnet 2024 als „Meilenstein“. Kruse weiter: „Die vergangenen zwölf Monate waren für unsere Branche einerseits von regulatorischen Fortschritten, andererseits aber auch von politischen Unsicherheiten geprägt. Die Ampelkoalition ist zerbrochen, hat uns aber wichtige Reformen wie die Legalisierung und die geplante Nutzhanfliberalisierung gebracht. Ein aktueller Erfolg war die Ablehnung der ‚Rauschklausel‘ im Bundesrat, ein Schritt hin zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hanfwirtschaft. Die zeitnahe Umsetzung im Bundestag bleibt jedoch aufgrund der politischen Instabilität fraglich.“

Thomas Hauk, auf Cannabis spezialisierter Berater, mahnt an: „Trotz großer Ankündigungen, die gesamte kommerzialle Lieferkette vom Anbau bis zur Abgabe legalisieren zu wollen, wurde Cannabis in Deutschland aufgrund des EU-Rechts und internationalen Drogenabkommen lediglich entkriminalisiert.“ Den größten Einfluss auf „die Nachhaltigkeit des eingeleiteten Wandels“ hat seines Erachtens „die Normalisierung von Cannabis“. Und mit Blick auf die Neuwahlen erklärt er: „Politisch wird es fast unmöglich sein, Cannabis wieder ins BtMG aufzunehmen, da dadurch die von der Union politisch unterstützten Medizinalbranche wirtschaftlich am meisten leiden würde.“

Rechtsanwalt Peter Homberg merkt an: „Die Umsetzung der ersten Stufe der Legalisierung von Freizeitcannabis, insbesondere durch die Erlaubnis des Anbaus von Cannabis für den Eigenkonsum zu Hause und in Anbauvereinigungen, führte zu intensiven juristischen und regulatorischen Diskussionen.“ Homberg, der zwar von einem „Wendepunkt“ spricht, bemängelt dennoch die „Verzögerungen bei der Harmonisierung von EU-Recht“. Auch „nationale Vorbehalte“ zeigten deutlich die Grenzen und Herausforderungen der Legalisierungsagenda. Branchenakteure würden sich daher „in einem Umfeld rechtlicher Unsicherheit“ bewegen, was Investitionsentscheidungen teilweise gehemmt habe.

„Der Wendepunkt für die medizinische Cannabisbranche in Deutschland“

Auch Pia Marten, CEO Cannovum Health, spricht mit Blick auf den ersten April 2024 von einem „riesigen Meilenstein“. Die neue Eigenmarke sei direkt ausverkauft gewesen. In den folgenden Monaten hätte Cannovum Health mit Lieferengpässen im eigenen Portfolio zu kämpfen gehabt. Zudem sei auch der G-BA Beschluss ein weiterer Meilenstein gewesen. Der weiche den Genehmigungsvorbehalt auf und vereinfache nochmal die Erstattung, „besonders für die Therapie mit Extrakten“.

Constantin von der Groeben, Co-Founder und CEO Demecan, spricht von einem „Wendepunkt für die medizinische Cannabisbranche in Deutschland.“ Besonders freut er sich, dass „medizinisches Cannabis endlich einheitlich durch ein medizinisches Cannabis-Gesetz geregelt wird“. Die Reklassifizierung als nicht mehr Betäubungsmittel habe die Arbeit von Demecan, insbesondere in der Produktion, „erheblich erleichtert“. Zur Erinnerung: Die drei Hersteller des BfArM Demecan, Aurora und Tilray / Aphria dürfen nun auch jenseits der Lieferung an das BfArM ihre Produktion nach eigenem unternehmerischen Ermessen erweitern. Von der Groeben freut sich daher, „künftig mehr Produktvielfalt für den deutschen medizinischen Markt anzubieten“.

Canify-CEO Sascha Mielcarek freut sich ebenfalls über neue „innovative Produkte“ und einen stark gesteigerten Umsatz. Im dritten Quartal habe Canify Break-Even erreicht. Entkriminalisierung, Reklassifizierung und der teilweise Wegfall des Genehmigungsvorbehalts hätten zudem einen weiteren positiven Effekt: „die Entstigmatisierung von (medizinischem) Cannabis“ weiter voranzubringen.

Benedikt und Jakob Sons, Co-Founder und C-CEOs von Cansativa, stimmen dem grundsätzlichen Tenor zu: Das Inkrafttreten des MedCanG war ihres Erachtens ein „historischer Meilenstein“. Seitdem erlebe Cansativa eine „sehr große Dynamik“. Der Schritt sein „ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Behandlung mit Medizinalcannabis zunehmend als ernstzunehmende Therapieoption anerkannt wird“. Zudem habe die Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts Schwerstkranken geholfen und den jeweiligen Ärzten die Ärztehoheit gestärkt.”

Niklas Kouparanis, Co-Founder und CEO der Bloomwell Group, freut sich über einen rasanten Anstieg der Neu-Patient:innen: „Monatlich werden inzwischen einige zehntausend Patient:innen über Bloomwell betreut.“ Patient:innen würden durch die Reklassifizierung nun „über einen niedrigschwelligen und auf Wunsch vollkommen digitalen und zeitgemäßen Zugang zur Cannabis-Therapie“ verfügen. Angesichts der hohen Anzahl an Patient:innen unter den vermeintlichen Konsument:innen sei dies seines Erachtens „der effektivste Weg, in einem EU-Land den illegalen Markt zurückzudrängen“.

Homberg verweist zudem darauf, dass medizinische Cannabisanbieter „auf höhere Compliance-Standards“ setzen, um den Ansprüchen des regulierten Marktes gerecht zu werden.

Modellprojekte

Besonders erfreut zeigt sich Finn Age Hänsel über die Verabschiedung der Forschungsverordnung. Kein Wunder, hat die Sanity Group doch bereits im Laufe des Jahres Partnerschaften mit Hannover, Frankfurt und Berlin abgeschlossen und steht bereits in den Startlöchern, um mit Modellprojekten zu beginnen: „Mit der offiziellen Ankündigung des Inkrafttretens der KCanWV ist nun auch die letzte Weiche in Richtung wissenschaftlicher Modellprojekte zur Abgabe von Cannabis über lizenzierte Fachgeschäfte gestellt – endlich haben wir in Deutschland einen neuen Weg im Bereich Cannabis eingeschlagen!“, so Hänsel.

1 comment

Maren Dezember 28, 2024 - 10:24 pm

bis auf die Nutzhanf an Bauer, denen war das Jahr nicht so hold…

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