Zwischen Legalisierung und Lücke: Warum gewaschene CBD-Blüten keine Lösung sind

by Gastautor

Ein Gastbeitrag von Dennis Olliges

Trotz weiterhin geltender Rauschklausel im deutschen Cannabisgesetz werden inzwischen erste CBD-Blüten mit Steuerbanderole als rauchbare Produkte in Verkehr gebracht. Was auf den ersten Blick nach regulatorischer Klarheit aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als riskante Grauzone.

Warum unter 0,3 Prozent THC kaum natürliche CBD-Blüten existieren

CBD-Blüten mit unter 0,3 Prozent THC (bzw. unter 0,05 Prozent für die Steuerbanderole in Deutschland) und gleichzeitig attraktivem Aroma sind in der Praxis kaum auf natürlichem Weg zu erreichen. Nach übereinstimmender Einschätzung von erfahrenen Züchtern und Growern fehlt es bislang an stabilen Sorten, die diesen Grenzwert dauerhaft und sortenrein einhalten, ohne dabei deutliche Einbußen im Terpenprofil und in der Aromaqualität zu zeigen. Erfahrungswerte aus über acht Jahren Züchtungsarbeit in der Schweiz, wo besonders intensiv an entsprechenden Sorten geforscht wird, bestätigen dieses Bild: Bislang ist es nicht gelungen, solche Genetiken natürlich und ohne Nachbearbeitung bereitzustellen. Zwar existieren mittlerweile einzelne Genetiken, die labortechnisch unter der 0,3-Prozent-Grenze, doch ihre Verkehrsfähigkeit ist bislang nicht gegeben, weder nach deutschem Steuerrecht noch im österreichischen Markt.

Die logische Folge: Der Großteil der nun als legal vermarkteten Blüten wurde nachträglich manipuliert. Mit Lösungsmitteln wie Butan, Pentan oder Ethanol werden Cannabinoide und Terpene aus übergrenzigen Blüten extrahiert, um sie später gezielt wieder aufzutragen. Aromatisierung, CBD-Anreicherung, Lackierung. Ein Prozess, der auf dem Papier unbedenklich wirkt, tatsächlich aber massive Probleme birgt: Qualitätsverlust, unklare Rückstandswerte, und vor allem eines: gesundheitliche Ungewissheit. Branchenberichte wie die von Hemp.im sowie internationale Marktanalysen dokumentieren diese gängige Praxis bereits seit mehreren Jahren.

Technisch handelt es sich dabei um ein Downcycling: Blüten, die aufgrund ihres natürlichen THC-Gehalts eigentlich nicht vermarktet werden dürften, werden chemisch entharzt. In großen Chargen kommen dabei flüchtige organische Lösungsmittel zum Einsatz, deren vollständige Rückstandsbeseitigung aufwendig ist. Da anschließend Aroma und Cannabinoide durch Besprühung wieder zugefügt werden, ist weder die Reinheit noch die Homogenität der Wirkstoffverteilung gesichert. Die Gefahr: Konsument:innen inhalieren potenziell rückstandsbelastete Blüten mit industriell erzeugtem Terpenprofil unter dem Deckmantel legaler Nutzhanfprodukte.

Für Züchter und verantwortungsbewusste Anbieter stellt dies ein Dilemma dar. Wer natürlich gewachsene, hochqualitative CBD-Blüten anbieten möchte, steht durch den aktuellen Grenzwert unter massivem Wettbewerbsdruck. Der Markt honoriert aromatische und ansprechend aussehende Blüten, die sich ohne Nachbearbeitung derzeit kaum herstellen lassen. Damit entsteht ein systematischer Anreiz, zu waschen und zu lackieren, um optische und sensorische Anforderungen erfüllen zu können; auf Kosten der Produktreinheit.

CBD-Blüten mit Steuerbanderole: Welche Risiken bestehen?

Die Vergabe einer Steuerbanderole suggeriert Rechtssicherheit und Konsumentenschutz. Tatsächlich ist sie derzeit nur ein fiskalisches Etikett ohne qualitative Aussage. In Deutschland liegt die praktische Schwelle für die Vergabe einer Steuerbanderole derzeit faktisch bei 0,05 Prozent THC. Dieser Wert ist für aromatische CBD-Blüten derzeit nicht erreichbar, weder mit gängigen Sorten noch mit neuen unter 0,3-Prozent-Genetiken.

Es existieren weder verpflichtende Analysen auf Rückstandslösungsmittel noch toxikologische Grenzwerte für diese Art der Aufbereitung. Selbst große Einzelhändler können so behandelte Blüten legal ins Regal stellen. Und viele tun es bereits. Die Frage, ob es sich bei diesen Produkten um pflanzliche Raucherzeugnisse oder um industriell behandelte Cannabis-Imitate handelt, bleibt unbeantwortet. Die Sicherheit für die Konsument:innen ist damit nicht gewährleistet.

Einige Produzenten arbeiten laut Branchenschätzungen mit hochvolumigen Waschsystemen, die auf Lösungsmittelbasis funktionieren. Und das ohne pharmazeutischen Vakuumofen oder standardisierte Dekontaminationsverfahren. Ob solche Produkte durch Stichprobenkontrollen erfasst werden oder nicht, bleibt offen. Faktisch handelt es sich um eine geduldete Intransparenz.

Gerade für gesundheitsbewusste Konsument:innen ist dies problematisch. Die wenigsten Verbraucher:innen dürften wissen, dass sie mit vermeintlich natürlichen CBD-Blüten unter Umständen ein chemisch behandeltes Produkt erwerben. Während in anderen Bereichen des Lebensmittel- und Genussmittelrechts strenge Deklarationspflichten gelten, bleibt dieser Aspekt im aktuellen Cannabisregelwerk unzureichend adressiert.

Warum der THC-Grenzwert von 0,3 Prozent den CBD-Markt verzerrt

Der Grenzwert von 0,3 Prozent THC ist das Kernproblem. In der Schweiz liegt der zulässige THC-Grenzwert für Nutzhanf seit Jahren bei einem Prozent. Dort konnten natürlich gewachsene, aromareiche Sorten entstehen, die nicht nach Heu oder Terpenersatz riechen und schmecken.

Die Herausforderung liegt in der gemeinsamen Biosynthesegrundlage von CBD und THC: Beide Cannabinoide entstehen aus demselben pflanzlichen Vorläuferstoff (CBG). In der Züchtung zeigt sich daher erfahrungsgemäß, dass Sorten mit hohem CBD-Gehalt und zugleich aromatisch hochwertigem Profil meist auch einen erhöhten THC-Anteil entwickeln und damit die 0,3-Prozent-Grenze überschreiten. Eine stabile Trennung dieser Effekte ist bislang kaum gelungen. Sorten, die aromatisch und wirkstoffreich sind, liegen fast immer über der 0,3-Prozent-Grenze. Bei stabilen untergrenzigen Genetiken handelt es sich entweder um stark ausselektierte Industriehanfsorten mit sehr niedrigem Terpenprofil oder um gewaschene, nachbearbeitete Ware. Eine natürliche Ausnahme ist aktuell nicht in Sicht.

Mit einem THC-Grenzwert von einem Prozent würden daher nicht nur Züchtungsbetriebe endlich einen echten Anreiz für stabile CBD-Sorten bekommen, auch der Graubereich des Waschens wäre regulatorisch überflüssig. Die Banderole könnte für echte Qualität stehen, nicht für einen legalisierten Umweg. Auch für Konsument:innen wäre das ein Gewinn: Aromatisch hochwertige Blüten, klar deklarierte Wirkstoffgehalte, keine versteckten Rückstände.

Darüber hinaus würde ein realistisch angesetzter Grenzwert auch langfristig zur Professionalisierung des Marktes beitragen. Statt chemischer Umgehungslösungen könnten Züchter und Hersteller ihre Ressourcen in die Entwicklung natürlich hochwertiger Produkte investieren. Gleichzeitig ließen sich Kontrollverfahren vereinfachen und behördliche Ressourcen gezielter einsetzen.

Auch politisch gewinnt die Diskussion um eine Anhebung der THC-Grenze an Dynamik: Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge (SPD) erklärte im Juni 2025 auf Abgeordnetenwatch, sie halte eine „wissenschaftlich begründete Anhebung des zulässigen THC-Gehalts in Nutzhanfprodukten – also auch in CBD-Blüten – auf 1 % für einen sinnvollen Schritt“.

Fazit: Regulierung muss Realitäten anerkennen

Die Debatte um gewaschene Blüten ist kein Nebenschauplatz, sondern ein Symptom eines grundsätzlich verfehlten Grenzwerts. Wer Verbraucherschutz ernst nimmt, darf nicht an synthetischen Nebenprodukten herumbasteln, sondern muss natürliche Qualität ermöglichen. Dazu gehört ein THC-Grenzwert, der Zucht, Handel und Gesundheitsschutz zugleich denkt.

Die Erhöhung auf ein Prozent wäre ein einfacher, wirkungsvoller Schritt in diese Richtung: für mehr Qualität, mehr Transparenz und weniger chemische Manipulation auf dem legalen Markt. Gleichzeitig würde sie den regulatorischen Flickenteppich in Europa ein Stück weit harmonisieren und deutschen Anbietern den Anschluss an die Entwicklungen in Nachbarländern erleichtern.

Über den Autor

Dennis Olliges ist Sachverständiger für Cannabismedikation (SVCM), Blogger und Dozent an der Deutschen Cannabis Akademie. Auf seinem Blog Krautwissen.de beleuchtet er in populärwissenschaftlicher Form wissenschaftliche, gesellschaftliche und politische Aspekte rund um Cannabis. Die Deutsche Cannabis Akademie bietet praxisnahe Fachfortbildungen im Bereich Cannabismedikation und -regulierung (u. a. für SVCM) an und war konzeptionell an der Entstehung dieses Artikels beteiligt. Dennis Olliges arbeitete für diesen Artikel mit der TB Farming AG zusammen, denen es gelungen ist, einige besonders THC-arme CBD-Sorten zu züchten.

Weiterführende Quellen

  1. https://cannabiswirtschaft.de/erstes-unternehmen-erhalt-deutsche-steuermarke-fur-thc-freie-cbd-bluten/
  2. https://www.linneacannabinoids.ch/wp-content/uploads/2023/05/The_European_CBD_Report_Health__Wellness_FINAL_FEB23.pdf
  3. https://hemp.im/shock-report-cbd-cannabis-washed-in-pentane-to-lower-thc-levels
  4. De Meijer et al. (2003), „The inheritance of chemical phenotype in Cannabis sativa L.”
  5. https://thetalmangroup.com/german-lawmaker-raising-thc-limit-for-cbd-flowers-is-a-sensible-step/
  6. https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/carmen-wegge
  7. https://deutsche-cannabis-akademie.de/kritiken/cbd-die-naechste-krise-auf-dem-vormarsch/

Disclaimer: Gastbeiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

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