Zum Tod von Jürgen Neumeyer: einzigartig und seiner Zeit weit voraus

by Moritz Förster

Mit Jürgen Neumeyer verliert die Cannabis-Industrie einen Vorkämpfer und einen Menschen, dessen politische Leistung in den letzten Jahren kaum hoch genug angerechnet werden kann.

Während die weit her gereisten Gäste auf den Cannabis-Industrie-Veranstaltungen mit feinem Zwirn und teils mit Krawatte beeindrucken möchten, gesellte sich Jürgen Neumeyer nicht selten in brauner Lederjacke unter Geschäftsleute und politische Hochkaräter. Viele mögen Authentizität anpreisen. Er lebte sie vor. Er war immer er. Und das als erfahrener, jahrzehntelanger Lobbyist.

Nicht selten moderierte er die großen Runden mit dem Who-is-Who der deutschen Drogenpolitik. Dann griff zwar auch Neumeyer oft zur Krawatte. Seiner Echtheit tat das keinen Abbruch. Wo andere auf großer Bühne in Superlativen und Phrasen schwelgen, pflegte er seit jeher einen eher unaufgeregten Stil: Inhalte statt Worthülsen. Einfache Sätze und Fragen, statt abgedroschener Businesss-Jargon am Fließband. Manchmal sprach er in den großen Säälen so, als ob es ein familiärer Abend in kleiner Runde sei. Und als Zuhörer hatte man immer das Gefühl: So soll es sein. Er fühlt sich wohl dabei.

Trotz, oder gerade wegen seiner stetigen Unaufgeregtheit wussten Insider immer um den Stellenwert eines Jürgen Neumeyers für die Cannabis-Industries. Es muss die hypothetische Frage erlaubt sein: Wo stünde die Industrie, wenn Jürgen Neumeyer nicht geleistet hätte, was er geleistet hat?

Sein Netzwerk aus 17 Jahren im Bundestag öffnete der Industrie so manche Tür. Seine Expertise war unverzichtbar für den langwierigen Gesetzgebungs-Prozess mit etlichen Komplikationen. Und gerade in der Cannabis-Industrie, geprägt durch ihre ganz verschiedenen Charaktere, braucht es viel Empathie und zwischenmenschliches Geschick, um Interesse und Individualisten zu vereinen.

Zugute kam ihm neben seinem Politikstudium sicherlich auch die Vernetzung mit Andersdenkenden bereits als Student. Mit Menschen, die von Cannabis-Steuern träumten, als die Mauer noch stand. Neumeyer verfolgte immer eine große Vision – sprach in einem Interview vom legalen Zugang zu allen Drogen – ohne aber die Realität und politische Wirklichkeit aus den Augen zu verlieren. Er verfügte zugleich über den Pragmatismus, die kleinen Schritte zu tätigen, um das große Ganze nicht zu gefährden – auch wenn er insgeheim mehr wollte. Wäre das CanG ohne Jürgen Neumeyer verabschiedet worden?

Für den langjährigen Sozialdemokraten dürfte mit dem CanG auch ein persönlicher Traum in Erfüllung gegangen sein. Seit den 90er Jahren publiziert Neumeyer über eine progressive Drogenpolitik – über Cannabis und Ecstasy. Er war seiner Zeit weit voraus. 2019 war er treibende Kraft bei der Gründung des Branchenverbands der Cannabiswirtschaft (BvCW). Dessen Geschäfte leitete er bis zu seinem Tod als Geschäftsführer.

Die Fußstapfen eines Jürgen Neumeyers sind zu groß, um von einer einzigen Person gefüllt werden zu können. Nur mit vereinten Kräften wird es gelingen, die Cannabis-Gesetzgebung in eine sinnvolle, lösungsorientierte Richtung weiter zu entwickeln  – so wie Jürgen Neumeyer es sich immer gewünscht hat. Mit dem Entwurf des Nutzhanfliberalisierungsgesetz und dem eingeläuteten Ende der Rauschklausel hat sich für Jürgen Neumeyer noch ein Traum erfüllt. Denn das CanG sollte für ihn immer erst der Auftakt sein.

Dieser Text wurde von Moritz Förster verfasst, der im Rahmen seiner Tätigkeit für krautinvest.de immer wieder mit Jürgen Neumeyer gesprochen hat, und von Lisa Haag unterstützt, die unter anderem im Vorstand des BvCW eng mit Jürgen Neumeyer zusammen gearbeitet hat.

Bildquellen

  • Jürgen Neumeyer: BvCW