Nachdem das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Mitte Juli seinen Gesetzesentwurf zur Änderung des Medizinalcannabis-Gesetzes (MedCanG) vorgestellt hatte, hagelte es massive Kritik aus Reihen der SPD. Dennoch passierte ein Entwurf, der den digitalen Zugang zur Telemedizin mindestens ebenso einschränkt wie der erste, vergangene Woche das Kabinett ohne Gegenwehr der anwesenden sozialdemokratischen Bundesminister. Dem ungeachtet drängt die SPD nun auf Änderungen in den Ausschüssen sowie im parlamentarischen Prozess.
Eine krautinvest-Anfrage an die SPD-Fraktion, wieso die SPD-Minister:innen im Kabinett keinen Einspruch einlegten, beantwortete schlussendlich der Matthias Mieves, stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er hält den Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Fassung für „nicht-austariert“, es müsse nachverhandelt werden. „Insbesondere stellt sich mir die Frage, wie Patientinnen und Patienten, die aus medizinischen Gründen auf Cannabis angewiesen sind, auch künftig einen barrierefreien Zugang erhalten – insbesondere diejenigen, die in ländlichen Regionen leben“, kritisiert Mieves. Sein Versprechen: „Bei den anstehenden Verhandlungen werden wir uns dafür einsetzen, den Gesetzentwurf so zu ändern, dass Patientinnen und Patienten auch weiterhin unbürokratisch und barrierefrei behandelt und versorgt werden können.“
Noch klarere Worte hatten im Nachgang zum Carmen Wegge, rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, und Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher, auf Instagram gefunden: „Den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Medizinalcannabisgesetz können wir in der jetzigen Fassung nicht unterstützen. In den parlamentarischen Beratungen werden wir uns für grundlegende Änderungen einsetzen.“ Der SPD-Gesundheitspolitiker Serdar Yüksel hatte bereits im Vorfeld im Handelsblatt von „Symbolpolitik auf Kosten der Patienten“ gesprochen.
Diese Kritik beantworte allerdings nicht die Frage, wieso der BMG-Entwurf nach dem Passieren des Kabinetts nun zum Regierungsentwurf wurde. Immerhin sitzen im Bundeskabinett auch die sieben sozialdemokratischen Minister:innen. Dafür muss man wissen, dass die jeweiligen Minister:innen im Kabinett für ihre Aufgaben verantwortlich sind, in diesem Fall also das BMG. Die Minister:innen können im Kabinett und auch im Vorfeld Vorbehalte äußeren. Aber die Geschäftsordnung der Bundesregierung besagt auch, dass Beschlüsse zwar im Konsens, im Zweifel aber mit der Mehrheit der Stimmen getroffen werden. Angesichts der numerischen Unterzahl der SPD im Kabinett wäre eine längerfristige Blockade dort also aussichtslos gewesen.
Anders sieht es dagegen im Bundestag aus. Grüne und Linke werden den aktuellen Regierungsentwurf nicht unterstützen. Ohne die Unterstützung der SPD wäre CDU und CSU dort auf die Stimmen der AFD angewiesen. Dass aber die Brandmauer wegen Medizinalcannabis fällt, scheint unvorstellbar. Entsprechend hatte Carmen Wegge bereits im Vorfeld Änderungen im „parlamentarischen Verfahren“ betont.
Wie konnte nun aber überhaupt ein Gesetzesentwurf entstehen, bei dem die Koalition offenkundig derart uneins ist? Aufschlussreich ist hierfür die Antwort von Matthias Mieves, der unterstreichen möchte, „dass mich der Referentenentwurf vom Juli 2025 überrascht hat.“ Wie er berichtet, hat das BMG den Referentenentwurf ohne „vorherige Diskussionen und Hinweise“ veröffentlicht. Miewes weiter: „Ich hätte es für sinnvoll gehalten, zumindest die erste Stellungnahme des Forschungsprojekts Ekocan abzuwarten.“