Große Freude in der deutschen Cannabis-Industrie: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat vergangene Woche die Cannabis-Forschungsklausel erlassen. Diese ist bereits im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Forschungseinrichtungen und Unternehmen können nun Anträge für Cannabis-Forschung mit bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) einreichen. Das BMEL betont in seiner Mitteilung allerdings explizit, dass die Forschungsklausel „keine zweite Säule“ sei. Für ein solches Gesetz, das bis zu den Neuwahlen nicht mehr auf den Weg gebracht wird, wäre das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zuständig gewesen. Experten äußern daher Bedenken über bewilligte Modellprojekte im Rahmen der Forschungsklausel.
Sehr bedeckt hält sich aktuell das BMEL. Weder konkretisiert ein Sprecher, welche Art von Modellprojekten in Frage kommen, noch inwieweit sich die Neuwahlen und eine Personalrotation im BMEL auf die Bewilligung der Anträge auswirken werden. Ebenfalls will das BMEL nicht beantworten, ob für potenzielle Modellprojekte, so bewilligt, Cannabis auch importiert werden kann. Mit Verweis auf die BLE heißt es auf eine entsprechende Anfrage: „Ob und gegebenenfalls welche Forschungsanträge (…) bewilligt werden können und wie diese ausgestaltet sind, hängt von zahlreichen Faktoren und den Vorgaben des Gesetzes ab. Eine qualifizierte Aussage dazu ist dem BMEL aktuell nicht möglich.“
Doch auch bei der BLE bleiben etliche Fragen unbeantwortet: „Zum jetzigen Zeitpunkt können wir Ihnen noch keine weiteren Auskünfte erteilen, als das, was Ihnen die BMEL-Pressestelle bereits mitgeteilt hat.“
In der BMEL-Pressemitteilung heißt es: „Forschung an und mit Konsumcannabis ist daher ab jetzt wieder möglich, aber erlaubnispflichtig.“ Häufig unter geht dabei, dass Wort „wieder“. Denn auch in der Vergangenheit wurden bereits über 20 Modellprojekte beantragt, die allesamt abgelehnt wurden. Seit in Kraft treten des CanGs, war offen, welche Behörde unter den geänderten Rahmenbedingungen diese Aufgabe weiter führt. Nun ist mit der BLE eine entsprechende zuständige Behörde definiert. Und tatsächlich könnten die Chancen besser stehen als in der Vergangenheit. Denn einige der einstigen Ablehnungsgründe dürften inzwischen überholt sein: Cannabis wird nicht mehr im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) behandelt, zudem hat der Gesetzgeber betont, dass ein legaler Markt gerade den Gesundheitsschutz fördern, nicht gefährden soll. Alles Punkte, die einst kritisch betrachtet wurden. Bleibt die Frage nach der „Wissenschaftlichkeit“. Hierzu heißt es im BMLE-FAQ zur Verordnung, dass „Anträge die allgemein üblichen Anforderungen an wissenschaftliche Forschungsprojekte erfüllen“ müssen. Es scheint also so, als ob vieles Auslegungssache bleiben wird, das KCanG lediglich den grundsätzlichen Rahmen definiert.
Wieso aber betont das BMEL explizit den Unterschied zu Säule zwei? Der auf Cannabis spezialisierte Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann erläutert: „Die Möglichkeit, über die sogenannte Forschungsklausel im KCanG Modellprojekte zu realisieren, sollte aufgrund dieses Hinweises daher kritisch gesehen werden. Das KCanG schreibt in §2 Abs. 4 S. 2 KCanG vor, dass Genehmigungen nur in Ausnahmefällen erteilt werden dürfen. Selbst mit dem Inkrafttreten der entsprechenden Verordnung ist nicht davon auszugehen, dass Anträge auf Modellprojekte genehmigt werden.“ Insider wundern sich bereits, dass in der Cannabis-Industrie von „Säule-2-light“ die Rede ist.
Peter Homberg, Partner in der Kanzlei Dentons, sieht es ähnlich wie Niermann: Es werde deutlich, dass „das erlassende Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gerade nicht mit der KCanWissZustV die Grundlage für Erlaubnisse zur Zweiten Säule schaffen wollte“, so der erfahrene Anwalt: „Dies dürfte daher bei der Bewilligung von Anträgen den Interpretationsspielraum der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung entsprechend einschränken. Dies würde auch Projekte, wie sie aktuell von Hannover, Wiesbaden, Berlin oder Hannover für das erste Quartal 2015 geplant sind, betreffen.“
Bei der Sanity Group zeigt man sich dennoch zuversichtlich, dass zu mehr als 80 Prozent mindestens zwei der Projekte, an denen das Unternehmen beteiligt ist, im ersten Halbjahr 2025 auch bewilligt werden. Homberg schließt ebenfalls nicht aus, dass „je nach wissenschaftlicher Begründung gegebenenfalls der erteilenden Behörde dennoch die Möglichkeit gegeben wird, ein Modellprojekt im Sinne der zweiten Säule anzunehmen.“ Seines Erachtens wird es entscheidend auf den Inhalt der Anträge und die wissenschaftliche Ausrichtung ankommen, „ob ein Modellprojekt im Sinne der zweiten Säule angenommen werden wird, oder ein anderes wissenschaftliches Projekt“.
Das dürfte aber auch eine zeitkritische Frage sein: Denn die BLE fällt in den Geschäftsbereich des BMLE. Cem Özdemir wird seinen Posten dort räumen. Man darf jetzt schon gespannt sein, wie gesonnen ein neuer Landwirtschaftsminister der kommenden Regierung Modellprojekten ist. Auf Linkedin entfachte sich bereits eine erste kleine Debatte rund um einen Post von Thomas Hauk darüber, ob einmal bewilligte Modellprojekte von der neue Regierung wieder einkassiert werden können. Auch hierzu wollte sich das BMEL nicht äußern. Alfredo Pascual fragt zudem auf Linkedin, ob solche Modellprojekte sich auf die „wissenschaftlichen Zwecke“ im Rahmen der UN Single Convention berufen können.
Die meisten Projekte streben einen Forschungszeitraum von fünf Jahren an. Sollten diese einmal bewilligt sein, geht Niermann davon aus, dass diese höchstens einkassiert werden können, wenn „sie aus dem Ruder laufen“, sich die Beteiligten „nicht an die Regeln halten“. Betonen möchte der Rechtsanwalt aber einen weiteren Unterschied zur zweiten Säule: „Politisch dürfte es nicht gewollt sein, dass ein Flickenteppich an Modellprojekten mit ihren jeweils eigenen Regelungen über die Republik verteilt entsteht, ohne dass diese Projekte von gemeinsam geltenden Leitplanken flankiert werden.“ Seines Erachtens würden durch die Verordnung „die ursprünglich definierten Ziele aus dem Eckpunktepapier der Bundesregierung von April 2023 so nicht erreicht, wie eine gemeinsame wissenschaftliche Begleitung und Evaluation, die dann den europäischen Partnern und der EU-Kommission zur Verfügung gestellt werden.“
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