Pflicht: Analysen für medizinisches Cannabis

by Gastautor

Für den Verkauf von Cannabisblüten gelten in Deutschland strenge Regeln. Schließlich handelt es sich um ein Arzneimittel, in diesem Fall sogar um eines mit Betäubungsmittelstatus. Dementsprechend sind Regularien wie beispielsweise die für den Verkauf von Fertigarzneimitteln, häufig in Form von Tabletten, Kapseln oder ähnlichem, einzuhalten. Nur sorgfältig überprüfte Produkte erhalten Patienten in der Apotheke. Ein Gastbeitrag Tobias Wiezorek, zuständiger Direktor für das Qualitätsmanagement, Chromatography bei Quality Services International.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat einen Mindestumfang an Analysen veröffentlicht, die für Cannabisblüten gefordert werden (zu finden im „Deutschen Arzneibuch“ (DAB), letztes Update am 08.04.2018). Diese und zusätzliche Analysen werden für jede importierte Charge vor dem Verkauf gefordert und sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden. Teilweise mögen die durchgeführten Analysen auf Laien recht eigentümlich und pedantisch wirken, jedoch ist dies charakteristisch für die pharmazeutische Analytik auf höchstem Qualitätsniveau.

Die vom Kunden an das Labor abgegebene Probe wird zunächst registriert und im elektronischen Labordatensystem erfasst. Der erste Prüfungspunkt der Analytik ist die Feststellung der Identität. Es wird sichergestellt, dass es sich bei dem vorliegenden Produkt um Cannabis handelt. Dafür wird mit drei verschiedenen Methoden gearbeitet: Zum einen wird die Probe hinsichtlich ihres pflanzentypischen Aussehens betrachtet, es folgt die mikroskopische Betrachtung der vermahlenen Probe und die Identifizierung von charakteristischen Merkmalen sowie als letztes die Aufnahme einer Dünnschichtchromatographie, eines Extraktes der Probe. Kurz gesagt wird hier ein Fingerabdruck der Probe aufgenommen, indem ein Tropfen des Extraktes auf eine spezielle Platte aufgetragen wird und im Anschluss dieser Tropfen auf der Platte in seine Einzelbestandteile aufgespalten wird (ähnlich wie beispielsweise bei einem Urinteststreifen). Dieser Fingerabdruck wird mit bekannten Vergleichssubstanzen (CBD und THC-A) verglichen und die Anwesenheit dieser beiden Substanzen bestätigt. Diese Methode ist eigentlich durch die spätere Analytik des kompletten Cannabinoidspektrums im Labor obsolet, dient jedoch der vergleichsweise einfachen Identifizierung des Produktes in Apotheken. Hier muss nach Wareneingang die Identität noch einmal überprüft werden und damit ist es notwendig auch diese Methode im Arzneibuch festzuschreiben.

“Fremde Bestandteile”?

Im nächsten Schritt wird die Reinheit des Produktes getestet. Hierfür wird zunächst die ungemahlene Probe auf die Anwesenheit möglicher „fremder Bestandteile“ optisch geprüft. Die Grenze liegt hier bei zwei Prozent – es wurden jedoch bisher noch keine cannabisfremden Produkte in den untersuchten Proben nachgewiesen. Alle weiteren Analysen erfolgen dann mit der vermahlenen Probe – hierfür eignen sich jedoch nicht die üblichen Mühlen für pflanzliche Arzneimittel, da durch die harzigen Eigenschaften des Cannabis entweder die Mühle verklebt oder die Trichome während des Mahlprozesses verloren gehen und so eine Veränderung der Inhaltsstoffe stattfinden kann. Das Cannabis wird stattdessen mit einem Grinder zerkleinert.

Ein Teil der zerkleinerten Probe wird exakt gewogen und für 24 Stunden bei Unterdruck und 40 Grad Celsius in einem speziellen Wärmeschrank gelagert und im Anschluss wieder exakt gewogen. Über die Differenz der Masse errechnet sich der Feuchtigkeitsgehalt im Produkt (max. zehn Prozent). Die sicherlich kritischste Prüfung erfolgt in Form des Cannabinoidprofils. Dafür wird die Probe mit reinem Ethanol („Alkohol“) vollständig extrahiert und 0,005 ml dieses Extrakts in ein Hochdruckflüssigchromatographiesystem (HPLC) eingespritzt.

In diesem Gerät erfolgt ein physikalisch-chemisches Trennverfahren, indem die Substanzgemische beziehungsweise die verschiedenen Inhaltsstoffe in der Probe getrennt werden. Somit kann exakt der Gehalt der Einzelsubstanzen bestimmt werden. Je nach der chemischen Struktur und ihrer spezifischen Eigenschaften können die Cannabinoide voneinander getrennt und einzeln hinsichtlich ihres Gehaltes berechnet werden. Aufgrund der hohen chemischen Ähnlichkeit der Eigenschaften der Cannabinoide wie beispielsweise zwischen d8-THC und d9-THC ist eine Auftrennung ein komplexes Verfahren, das Fachwissen und Erfahrung voraussetzt.

Pflicht: Analysen für medizinisches Cannabis

Streng geregelte Toleranzgrenze

Die entscheidende Frage lautet: Stimmt der auf der Verpackung angegebene Gehalt des Wirkstoffes mit dem Gehalt in der Probe überein (Toleranz: +/- zehn Prozent)? Diese Toleranzgrenze ist durch das Arzneibuch vergleichsweise streng geregelt. Bei pflanzlichen Arzneimitteln kommt es nämlich bereits durch eine unterschiedliche Beleuchtung der Pflanze schon zu Schwankungen des Wirkstoffgehalts. Bei synthetischen Arzneimitteln dagegen ist der Wirkstoffgehalt konstant, da solche äußeren Einflussfaktoren den Gehalt nicht beeinflussen.

Beim Anbau der Cannabispflanzen und dem sich anschließenden Verarbeitungsprozess gibt es eine Vielzahl an möglichen Verunreinigungsquellen. Die feuchtwarmen Wachstumsbedingungen stellen einen idealen Nährboden für Mikroorganismen dar. Um Mirkroorganismen nachzuweisen, werden diese in einem sterilen Verfahren aus der Probe gelöst und auf besondereren Nährmedien angezüchtet. Nach circa einer Woche ist das Wachstum von Mikroorganismen optisch sichtbar.

Die Grenzwerte des Arzneibuchs erlauben in einem gewissen Spielraum ein Wachstum von nicht-krankmachenden Mikroorganismen. Dieser ist jedoch sehr gering, so dass die mikrobiologische Untersuchung unter nahezu „klinischen“ Bedingungen erfolgen muss.

Die feuchtwarmen Wachstumsbedingungen begünstigen ebenfalls das potentielle Wachstum von Schimmelpilzen, die (Afla)-Toxine abgeben. Diese Substanzen sind aufgrund einer kanzerogenen Wirkung, im Arzneibuch mit einem Grenzwert geregelt und dürfen nur im Ultraspurenbereich (<4 µg/kg) enthalten sein. Die Analytik erfolgt hier mittels LC-MS/MS – ein supersensitives Analysensystem, das beispielsweise auch für die Analytik von Dopingproben verwendet wird.

Schwermetalle nachweisen

Zuletzt erfolgt die Analytik von Verunreinigungen durch menschliche Einflüsse. So werden toxische Schwermetalle wie Blei, Cadmium, Arsen, Quecksilber routinemäßig mittels „ICP-MS“ nachgewiesen. Zur Vermeidung von Pflanzenkrankheiten, Insekten- und Schimmelpilzbefall ist ebenso die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln denkbar, die in einem hochkomplexen Pestizidscreening nachgewiesen werden. Dabei wird die Mindestanforderung des Arzneibuchs zugrunde gelegt. Darüber hinaus wird auch auf solche Pestizide geprüft, die bekanntermaßen zur Verfügung stehen und möglicherweise angewendet worden sein könnten.

Auf spezielle Kundenanforderung können weitere Parameter wie beispielsweise das Terpenprofil der Probe analysiert werden, wobei hier keinerlei Anforderungen durch das deutsche Arzneibuch definiert sind. Als Prüflabor bedarf es der vollumfänglichen Methodenkompetenz in den beschriebenen Gebieten, einer Investition in entsprechende Prüfgeräte und Referenzsubstanzen, einer umfangreichen Genehmigung durch die Bundesopiumstelle sowie eines Nachweises der Kompetenz als Arzneimittelprüflabor.

Vor dem Hintergrund, dass es sich bei Cannabis um ein Arzneimittel handelt, das zum Teil an bereits immungeschwächte Patienten verschrieben wird und dessen Inhaltsstoffe inhaliert werden, wird die Relevanz einer Sicherstellung der Arzneimittelqualität besonders deutlich.

Nur durch eine präzise Analytik kann der Konsument vor potentiell gesundheitsschädlichen Verunreinigungen geschützt werden.

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