Notifizierung durch die Kommission: Wie dringend ist eine Änderung des MedCanGs?

by Moritz Förster

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) hatten am zweiten Oktober das Gesetz zur Änderung des Medizinal-Cananbisgesetzes (MedCanG) zur Notifizierung der Europäischen Kommission vorgelegt. Also sechs Tage bevor der Gesetzesentwurf vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Eine Stillhaltefrist gibt es zumindest gegenwärtig in diesem Fall nicht: BMG und BMWE stuften ihr Anliegen als „dringlich“ ein. Eine Bestätigung dieser Stillhaltefrist durch die Kommission steht aber noch aus. Sollte sie zu einer gegensätzlichen Bewertung kommen, würde die Stillhaltefrist drei Monate gelten und sich das Gesetzgebungsverfahren dadurch verzögern – vor allem könnte sich der aktuelle Entwurf dann erst nach Ende der Stilhaltefrist als europarechtswidrig entpuppen.

Ziel einer solchen Notifizierung ist, dass die Kommission prüft, ob Gesetzesvorhaben der Mitgliedstaaten, bevor diese in Kraft treten, zu technischen Handelshemmnissen führen. Auch andere Mitgliedstaaten können sich an diesem Prozess beteiligen. Konkret geht es im Falle der Änderung des MedCanGs darum, ob die Dienstleistungsfreiheit von Ärzt:innen und Apotheken in der EU eingeschränkt werden könnte. Im Normalfall gilt eine dreimonatige Stillhaltefrist, während der der notifizierende Mitgliedsstaat das Gesetz nicht erlassen kann und in der die Kommission und andere Mitgliedstaaten den Gesetzestext prüfen. Vorgesehen ist aber auch ein „Dringlichkeitsverfahren“, „das den unverzüglichen Erlass eines nationalen Entwurfs unter bestimmten Bedingungen ermöglichen soll“. Verwiesen wird dabei unter anderem auf den „Schutz der Gesundheit“. In einem solchen Fall kann der „notifizierte Wortlaut unverzüglich erlassen werden“.

Auf eben jenen „Schutz der Gesundheit“ berufen sich auch BMG und BMWE, um die Änderung des MedCanGs als „dringlich“ zu klassifizieren. Unter anderem heißt es in der Begründung. „Die Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes ist aus Sicht der Bundesregierung – aus Gründen des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung und des Einzelnen, der von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken ausgehenden Suchtrisiken und Gesundheitsgefahren – dringend. Bei Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken handelt es sich um ein Arzneimittel mit Suchtrisiko und weiteren gesundheitlichen Risiken, insbesondere Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung bei jungen Menschen.“ Eine Bestätigung dieser Einstufung durch die Kommission steht allerdings noch aus.

Allerdings stehen diese Einstufung im Widerspruch zu den Ergebnissen der Ekocan-Evaluation: Die Wissenschaftler kamen Ende September zu dem Schluss, dass es aktuelle keinen Handlungsbedarf gebe. Diese Bewertung bezieht sich zwar auf das KCanG, allerdings untersuchten die Forscher auch, ob in Deutschland mehr Menschen Cannabis zu sich nehmen – ganz gleich ob aus medizinischen Zwecken oder als Genussmittel – und ob insbesondere mehr Jugendliche Cannabis konsumieren. Ekocan stellte keine Auffälligkeiten im Bericht fest – im Gegenteil: Der Cannabis-Konsum unter Jugendlichen ist sogar weiter rückläufig.

Zudem gab es in der Vergangenheit bereits mehrfach Hinweise zu den gesundheitsschädlichen Auswirkungen beim Missbrauch anderer verschreibungspflichtiger Medikamente. So warnte beispielsweise die Bundesapothekerkammer 2018, dass Schmerzmittel neben Schlaf- und Beruhigungsmitteln die am häufigsten missbrauchten Arzneimittel seien. Schätzungsweise litten an einem schmerzmittelbedingten Dauerkopfschmerz in Deutschland mehr als 100.000 Menschen. Im Gegensatz zu diesen verschreibungspflichtigen Medikamenten hat die Bundesregierung im Falle von Cannabis auch den legalen Zugang als Genussmittel explizit ermöglicht. Eine Beschränkung des telemedizinischen Zugangs würde somit im Falle von Cannabis den grundsätzlichen legalen Zugang gar nicht ausschließen.

Leave a Comment