Medizinische Cannabis-Extrakte: eine Übersicht über Vorgehensweisen.

by Gastautor

In diesem Gastbeitrag gibt Dr. Fabio Di Francesco einen Überblick über aktuelle Extraktionsmethoden bei der Verwendung von medizinischem Cannabis in Italien, Deutschland und den Niederlanden

Cannabis basierte Extrakte für medizinische Zwecke werden in Europa – ihre Verwendung ist dort grundsätzlich legal – üblicherweise von Ärzten verschrieben. Beispielsweise ist in Italien medizinisches Cannabis seit 2013 legal. Die Herstellung der Extrakten übernehmen dort die Apotheker, zugleich auch diejenigen, die die Produkte vermischen. Es ist möglich, diese Extrakte – je nach Cannabisart werden sie aus den Blüten oder Granulat gewonnen – in jeder Apotheke zu erhalten, die über ein entsprechendes Labor verfügt.

In Deutschland und den Niederlanden ist es ebenfalls möglich, medizinische Cannabisextrakte in darauf spezialisierten Apotheken zu erhalten. Die Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke geht in diesen Ländern auf die Jahre 1994 bzw. 2003 zurück.

Betrachtet man den Misch-Prozess, so verfolgen die Apotheker in diesen Ländern unterschiedliche Ansätze, wenn es um die Herstellung von Extrakten auf Cannabisbasis geht.

In Italien müssen die mischenden Apotheker das Öl aus medizinischen Cannabisblüten oder Granulaten gewinnen. Ein Arzt könnte eine Standardisierung des Öls verlangen.

In Deutschland muss der mischende Apotheker die konzentrierten Lösungen des medizinischen Cannabisextrakts auf den vom Arzt vorgegebenen Prozentsatz und das verschriebene Öl verdünnen.

In den Niederlanden arbeiten mischende Apotheker mit GMP-Standards, deren Einhaltung Priorität genießt, um die vom Arzt verschriebenen spezifischen Prozentsätze der wichtigsten Cannabinoide zu erreichen.

Derzeit sind die einzigen Medikamente, die therapeutische Cannabisextrakt enthalten, Sativex-Spray (2,7 mg THC; 2,5 mg CBD pro 100µl Dosis) und Epidiolex-Lösung (10% CBD). Kein einziges Medikament auf dem Markt enthält extraktives (nicht-synthetisches) THC in Prozentsätzen, die üblicherweise von Ärzten verschrieben werden, wie beispielsweise ein medizinisches Cannabisextrakt mit 1,5% THC – das am häufigsten von Ärzten in Italien verschriebene Medikament.

Der Zugang zu solchen Extrakten könnte sich ändern, sobald medizinische THC-basierte Cannabisextrakte in Lösung kommerzialisiert werden. Dies würde bis zu einem Grad möglich sein, da die Rolle des mischenden Apothekers bei der Zubereitung der Medikamente entsprechend der personalisierten Dosierungen und Darreichungsformen (Kapseln, Extrakte, Augentropfen usw.) für jeden Patienten erhalten bleibt.

Personalisierte Therapie

Die Herstellung medizinischer Cannabisextrakte ist eine Aufgabe, bei der eine Personalisierung in jedem Fall erforderlich ist. Die Extrakte können in jedem Lösungsmittel vermischt werden, in dem Cannabinoide löslich sind, wie z.B. Öle (Oliven, Erdnüsse, MCT) oder Ethanol. Der Arzt ist der derjenige, der entscheidet, welches Lösungsmittel er für jeden spezifischen Patienten bevorzugt. Schließlich gehen mit der Wahl des Lösungsmittels auch unterschiedliche Konzentrationen einher.

In Italien sind die am häufigsten verschriebenen Extrakte Bedrocan-Öl und Bediol-Öl, zwei Sorten der niederländischen Firma Bedrocan BV.

Bedrocan 22% THC <0,1% CBD wird in Blütenform an die vermischende Apotheke geliefert, während Bediol 6,5% THC 8% CBD in granulierter Form geliefert wird. Genau genommen wird Bedrocan-Öl in einer Olivenöllösung im Verhältnis 1:10 verschrieben (zur Cannabis-Lösung). Diese Lösung führt zu einer Konzentration von etwa 1,5% THC.

Auch die Bediol-Olivenöllösung wird in einem Cannabis-Lösungsmittel-Verhältnis von 1:10 verschrieben, was zu einer Konzentration von etwa 0,4% THC und 0,8% CBD führt.

Der Arzt kann auch einen standardisierten medizinischen Cannabisextrakt verschreiben, das heißt ein Medikament mit der genauen Konzentration von THC und CBD: beispielsweise Bedrobinol 10 mg/ml in Olivenöl.

Bedrobinol ist ein weiterer Sorten der niederländischen Firma. In diesem Fall muss der zusammensetzende Apotheker das Öl mit dem vorgeschriebenen Prozentsatz herstellen, der während der gesamten Dauer des Verfallsdatums des Öls mit einer zulässigen Abweichung von nur +/-10% eingehalten werden muss.

Für Bedrobinol sind also 10 mg/ml erforderlich. Sollte das Mindesthaltbarkeitsdatum auf 90 Tage festgelegt ist, muss die Konzentration des Öls über den gesamten Zeitraum konstant bleiben. Die einzige zulässige Schwankung beträgt in diesem Fall 9 mg/ml oder 11 mg/ml.

Der Arzt kann zudem ein standardisiertes medizinisches Cannabisextrakt verschreiben, indem er einfach die verschriebene Sorte und ein Lösungsmittel mit der gewünschten Konzentration vermischt. So verfahren Apotheker in Deutschland und Holland, wo zunehmend standardisierte medizinische Cannabisextrakte verschrieben werden.

Verschreibung und Dosierung

Ärzten wie Patienten fragen sich gleichermaßen, welche medizinischen Cannabisextrakte am besten geeignet sind. Allerdings gibt es keine, die “besser” sind als andere. Jeder Patient benötigt ein spezifisches medizinisches Cannabisextrakt. Daher ist es sehr wichtig, mit welcher Art von Patient und Krankheit der Arzt zu tun hat.

Erst wenn klar ist, wie viele mg Cannabinoide für die Behandlung der Krankheit des Patienten benötigt werden, entscheidet der Arzt , welches Cannabisextrakt für diesen speziellen Fall geeignet ist.

Onkologische Schmerzen sind etwa eine Krankheit, die bis zu 50 mg THC/Tag erfordert. Im Normalfall verschreibt der Arzt ein alkoholisches medizinischen Cannabisextrakt: Um eine Konzentration von bis zu 50% THC zu erzielen, sind nur wenige Tropfen notwendig, um die erforderliche Dosierung zu erreichen.

Wenn es sich bei dem Rezept stattdessen um einen medizinischen Cannabisextrakt aus Olivenöl mit 10 mg/ml THC handelt, würden mehr als 100 Tropfen erforderlich sein.

Eine solche Beziehung funktioniert auch andersherum. Benötigt ein Patient zum Beispiel einige mg Cannabinoide, muss der Arzt beurteilen, welcher medizinische Cannabisextrakt besser zu verschreiben ist. In der Regel wird in diesem Fall Olivenöl oder MCT verschrieben; in diesen Lösungsmitteln werden die Cannabinoide weitgehend verdünnt, was für Patienten, die zum ersten Mal medizinischen Cannabis konsumieren, vorteilhaft ist.

Die Herstellung von medizinischen Cannabis-Extrakten muss mit dem aktuellen Arzneibuch übereinstimmen.

Bei den Extrakten handelt es sich um Lösungen, daher verlangt das Arzneibuch, dass die folgenden Parameter eingehalten werden:

Die Konzentration sollte innerhalb der Grenze von +/- 10% des deklarierten Wirkstoffs liegen. Wenn der Arzt 1% THC verschreibt, sind nur 0,9% oder 1,1% zulässig.

Die Qualitätskontrolle muss das Auftauchen und das Ausbleiben sichtbarer Partikel überprüfen sowie gegebenenfalls einen PH-Test beinhalten. Wenn der medizinische Cannabisextrakt in einer sterilen Mischungsform wie zum Beispiel in Augentropfen verwendet wird, muss ein Sterilitätstest durchgeführt und validiert werden. In der Regel schicken die Apotheken, die das Cannabis-Extrakt zusammensetzen, eine Probe des Extrakts an ein externes Analyselabor, um Sterilitätstests durchzuführen.

Nach italienischem Gesetz ist auch die Analyse der Prozentsätze der wichtigsten Cannabinoide wie THC und CBD erforderlich. Einige mischende Apotheken verfügen über eigene Geräte dafür, beispielsweise wird häufig HPLC-UV für solche Tests verwendet. Dennoch schicken viele Apotheker Proben an Universitäten, um solche Kontrollen durchzuführen.

Wenn es um das Festlegen des Verfallsdatums geht, sieht jedes Arzneibuch einen anderen Zeitrahmen vor. Das italienische Arzneibuch schlägt beispielsweise vor, dass bei Lösungen, die nicht aus Wasser bestehen und bei denen der Alkoholgehalt bei üer 25 % liegt, das Verfallsdatum nicht mehr als 25 % der kürzesten Gültigkeitsdauer der verwendeten Bestandteile betragen darf, und zwar bis zu maximal sechs Monaten.

Für andere Lösungen wird das Verfallsdatum auf 30 Tage ab dem Herstellungsdatum festgelegt.

Es ist nur möglich, die Frist von 30 Tagen durch Studien zu erhöhen, die die Stabilität der zusammengesetzten Zubereitung nachweisen.

Nach dem Italienischen Arzneibuch können sechs Monate als Mindesthaltbarkeitsdatum für nicht-wässrige Lösungen mit medizinischen Cannabisextrakten festgelegt werden. Die Stabilität von Cannabinoiden stellt jedoch eine besonder Herausforderung dar, wie dieser Studie 2016 gezeigt hat.

Wenn sechs Monate gelten, hätten die Patienten ein Öl, das nach wenigen Monaten nur noch wenige Cannabinoide enthält, egal ob es bei Raumtemperatur oder pflichtgemäß gekühlt bei einer Temperatur zwischen 2°C-8°C gelagert wurde. Daher gilt in Italien in den meisten vermischenden Apotheken ein Verfallsdatum von maximal 90 Tagen.

Darüber hinaus sind die Überprüfung der korrekten Verpackung und die Überprüfung der korrekten Zusammenstellung des Etiketts sowie die Bedingung für die Lagerung erforderlich.

Über den Autor

Dr. Fabio Di Francesco arbeitet für Ponzi SAS, einer in Rom ansässigen Apotheke, mit Fokus auf das Vermischen von Cannabis-Lösungen.

Eine englische Version dieses Textes erschien zunächst auf manufacturing chemist. krautinvest.de bürgt bei Gastbeiträgen nicht für die Inhalte.

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