Keine Kehrtwende der EU-Drogenstrategie: Repressionen statt regulierte Modelle

by Moritz Förster

Anfang Dezember hat die Europäische Kommission eine neue Strategie sowie einen neuen „Action Plan“ vorgelegt um mit „Drogen“ umzugehen, vor allem auch um der illegalen Kriminalität Herr zu werden. Eine Stellungnahme des Institute for Rational Addiction Policies aus Tschechien kritisiert trotz einiger progressiver Ansätze: Ein echtes Umdenken hat auf EU-Ebene nicht stattgefunden. Besser als die Kriminalisierung sei für viele Substanzen ein streng kontrollierter staatlicher Zugang. Wieso scheut sich die EU trotz jahrzehntelanger Misserfolge – Handel und Konsum steigen stetig – gegen eine Kehrtwende in ihrer „Drogenstrategie“?

Für die EU stellt der als „globales kriminelles Geschäft“ titulierte „Drogenhandel“ eine erhebliche Bedrohung für das Wohlergehen der Europäerinnen und Europäer sowie für die Sicherheit Europas dar. Das Strategiepapier warnt vor Gewalt, Korruption und Ausbeutung. Um all diesem zu begegnen, soll eine zweigleisige Strategie gefahren werden. Einerseits sollen Präventions-, Behandlungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen mit Blick auf die Betroffenen in der EU gestärkt werden, andererseits geht es um Sicherheit – um strengere Regeln gegen organisierte Kriminalität, etwa um eine „EU-Hafenstrategie“. Die Kommission verweist dabei an mehreren Stellen auf die Public-Private Partnership European Ports Alliance – diese soll durch Dialog, Best Cases, aber auch mehr Überwachung und Kontrolle dafür sorgen, dass über die Häfen weniger als illegal eingestufte Drogen in die EU gelangen. Der Action Plan verweist unter anderem auf ausgebaute Aktivitäten von Europol und Frontex, um sich wandelnde Routen besser zu erkennen, skizziert insgesamt 19 „operative Maßnahmen“.

In diesem Spannungsfeld zwischen einerseits Prävention und besserer Unterstützung betroffener Menschen sowie zweitens der intensivierten Bekämpfung der illegalen Kriminalität skizziert das Strategiepapier fünf Schlüsselgebiete.

Das Institute for Rational Addiction Policies, dem sich auch der ehemalige progressive tschechische Drogenbeauftragte Jindřich Vobořil angeschlossen hat, kritisiert dabei ein Ungleichgewicht: vor allem das „Sicherheitsnarrativ“ als zentrales Element des Dokuments. Die Politik ziele insbesondere auf intensivierte repressive Maßnahmen ab. Hierfür seien auch bereits konkrete Schritte, Fristen und Maßnahmen skizziert, während die Bereiche der Prävention, Gesundheitsförderung, Schadensminderung und der sozialen Integration vage blieben. Hierzulande warnt die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) vehement vor Kürzungen für Aufklärung und Prävention.

Den Autoren der Stellungnahme aus Tschechien ist der Fokus auf eine Stärkung der repressiven Maßnahmen ein Dorn im Auge. Sie fürchten, dass der Plan die Schieflage zwischen den gesundheitlichen und den repressiven Säulen weiter verschärft. So halte die neue EU-Strategie am „Verbot als einzigem Mittel zur Kontrolle des Marktes für psychoaktive Substanzen fest“. Und das obwohl, trotz 70 Jahren Prohibition, die Nachfrage nach als illegal klassifizierten Substanzen nicht ab-, sondern zunimmt. Das Ergebnis sei, so die Kritik des Institute for Rational Addiction Policies, ein Hochrisikoumfeld, mehr Gewalt, Stigmatisierung und Menschenrechtsverletzung.

Im Kern lautet die Kritik, dass die EU versäumt, regulierte Modell in ihre Strategie einzubeziehen. Einen legalen und regulierten Markt unter staatlicher Aufsicht zu schaffen, sehen die Autoren als einzige Lösung, um den sicherheitspolitischen Risiken zu begegnen. Wer reguliert, könne Substanzen kontrollieren, die Aktivität der kriminellen Netzwerke und damit Gewalt reduzieren und finanzielle Ströme in legale Bahnen lenken. Anders gesagt: Wer funktionierende legale Bezugsmöglichkeiten schafft, entzieht den illegalen Märkten die Kundschaft – und damit auch die Daseinsberechtigung.

Leave a Comment