Grüner Daumen! Eigenanbau und Apotheken verdrängen den illegalen Cannabis-Markt

by Moritz Förster

Die Cannabis-Clubs und Telemedizin-Plattformen stehen regelmäßig im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Still und heimlich zum größten Gamechanger in Deutschland aufgeschwungen hat sich aber inzwischen der Eigenanbau. 62,3 Prozent der Cannabis-Nutzer:innen in Deutschland haben in den letzten sechs Monaten Cannabis selbst angebaut, auch Online-Apotheken wurden relevanter. Insgesamt bezogen 88,4 Prozent in den letzten sechs Monaten grundsätzlich legal produziertes Cannabis. Wer hätte das gedacht?

Das übergeordnete Ziel der Ampel-Regierung lautete einst, den illegalen Markt zurück zu drängen. Die Logik dahinter: Cannabis ist so oder so omnipräsent. Wenn die Menschen es selber anbauen oder legal kontrollierte Produkte beziehen, ist das besser für ihre Gesundheit als illegales Cannabis, bei dem keiner weiß, was wirklich drin ist. Vor allem aber gelangen Jugendliche hoffentlich nicht mehr so einfach an Cannabis wie beim Dealer an der Ecke – der dann ja angesichts der eingebrochenen Nachfrage nicht mehr existiert.

Eine Online-Erhebung des Instituts für Suchtforschung (ISFF) der Frankfurt University of Applied Sciences in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Hochschule Freiburg unter fast 11.500 Konsumierenden und Patient:innen zeigt nun, wie aus Theorie Praxis wird: Vor dem 1. April hatten 71,2 Prozent Cannabis bei einem vertrauten Dealer oder einem Dealer im öffentlichen Raum bezogen, in den letzten Monaten waren es gerade einmal noch 11,4 Prozent. Mit anderen Worten: Good Bye illegaler Markt!

Der Eigenanbau ist mit Abstand der inzwischen beliebteste Weg, legal an Cannabis zu gelangen. 62,3 Prozent der Befragten haben selbst Cannabis angebaut (vor dem ersten April 2024 lediglich 19,3 Prozent), weitere 43,7 Prozent haben medizinisches Cannabis aus der Apotheke bezogen (vor dem 1. April lediglich 10 Prozent). Lediglich 2,5 Prozent sind dagegen in den letzten sechs Monaten den Weg über die Anbauvereinigungen gegangen. Wenig verwunderlich: Diese können erst am 1. Juli 2024, nicht seit 1. April, Lizenzen beantragen. Die Lizenzierung, der Aufbau der Produktionsstätten, das Finden der Mitglieder – dies alles kostet Zeit.

Sollten dann auch noch die Clubs in den nächsten Monaten tatsächlich anlaufen, könnte das Cannabis-Gesetz als eine der Erfolgsgeschichten in die deutsche Geschichte eingehen. Zumindest scheint das Gesetz dem einstigen Ziel ausgezeichnet zu dienen, zumal auch die Zahl der Neu-Konsumenten nur marginal nach oben gegangen ist – lediglich 2,6 Prozent der Befragten hatten vor dem 1. April 2024 nicht konsumiert.

Selbst in Kanada hatten 2020 noch etwa zehn Prozent der Nutzer:innen hauptsächlich beim Dealer Cannabis erworben. Dort war im Oktober 2018 immerhin die Abgabe in lizenzierten Fachgeschäften ermöglicht worden, es hatte also eine tatsächliche Marktlegalisierung stattgefunden. Das deutsche Modell, die abgespeckte Entkriminalisierung aus Angst vor dem EuGH, hält dem Vergleich mit dem legalisierten kanadischen Markt also durchaus Stand.

Nur sollte man sich hierzulande leider über diese an sich grundsätzlich sehr positive Entwicklung nicht zu früh freuen. Solche begrüßenswerten Nachrichten, die die Sinnhaftigkeit legaler Bezugsquellen demonstrieren, können angesichts der ideologischen Grabenkämpfe dem ein oder anderen in Regierungskreisen nur ein Dorn im Auge sein. Von daher darf man gespannt sein, mit welcher künstlerischen Akribie nun als bald die Umdeutung dieser Studienergebnisse in einigen politischen Kreisen vorangetrieben wird. Dann könnte es nach der Telemedizin dem Eigenanbau an den Kragen gehen. Zu gut hat er dem Zweck gedient, für den er einst erlaubt wurde. Andernfalls müsste man ja über den eigenen Schatten springen und zugeben, dass legal doch besser ist als illegal. Das wäre dann echte Größe.

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