Es hörte sich an wie eine Sensation: Malta wird der erste EU-Staat, der Cannabis legalisiert, titelte am 14. Dezember 2021 unter anderem BBC. Über drei Jahre später ist es erstaunlich ruhig um die Clubs. Denn erstens hat Malta Cannabis nicht wirklich legalisiert, sondern ähnlich wie Deutschland Anbau und Abgabe in non-Profit Organisationen ermöglicht. Und zweitens sickern kaum valide Informationen nach draußen, darüber welche Mengen die Clubs anbauen und an ihre Mitglieder abgeben oder wie viele Menschen sich den Clubs angeschlossen haben.
Überhaupt dauerte es bis Ende Januar 2024 bevor, wie die Times of Malta berichtete, mit KDD Society der erste maltesische Cannabis-Club öffnete und laut Malta Today die erste Ernte an Mitglieder abgibt. 150 Mitglieder hat der Club KDD Society laut Präsident Kenneth Ellul zum Start. Wieso es seit Verkündung des Gesetzes im Dezember 2021 zwei Jahre gedauert hat, bis der erste Club offiziell startete? Times of Malta verweist auf Personalrochaden in der zuständigen Behörde. Vor allem aber hat die Regierung die konkreten Regularien für die Clubs erst im März 2023 verabschiedet – also über ein Jahr nach dem Gesetz. Im Oktober 2023 sei KDD Society laut Malta Today dann vollumfänglich lizenziert gewesen, nachdem der Club alle erforderlichen Labor-Tests durch die ARUC bestanden hätte, die „Authority for the Responsible Use of Cannabis“.
Inzwischen listet ARUC neben KDD Society neun weitere lizenzierte Clubs auf: Ta´Zelli, Sprawt, Northern Lights, Nege, Pollen Theory, South Flowers, The Roots Club, Exotic Culture, Grassroots, MrT. Es fehlen allerdings Angaben, wie viel diese Clubs bislang geerntet, wie viel Cannabis sie an ihre Mitglieder abgegeben haben und wie viele Menschen sich überhaupt den Clubs angeschlossen haben. Alles wichtige Zahlen, um die Tragweite des Gesetzes zu beurteilen.
Im Mai 2024 baten wir die Clubs KDD Society, Zelli, Sprawt, Northern Lights, Pollen Theory, South Flowers und The Roots Club um konkrete Auskünfte zu ihrer Entwicklung: Wie viel sie ernten, welche Mengen sie an Mitglieder abgeben oder wie hoch die Anzahl ihrer Mitglieder ist. Nur Sprawt erwiderte die Anfrage. Bei allen anderen herrscht Stillschweigen. Auch an ARUC senden wir seit fast einem Jahr Anfragen, die allesamt unbeantwortet bleiben. Es dringen so gut wie keine konkreten Informationen über die de facto Entwicklung der Clubs nach außen.
Immerhin bringt Andrew Cassar Overend, Gründer des Clubs Sprawt, im Mai 2024 etwas Licht ins Dunkel. Der Club sei der erste gewesen, der im Juli 2023 eine „grundsätzliche“ Lizenz erhalten habe, also eine Lizenz, die bestätige, dass der Club alle betrieblichen und finanziellen Anforderungen erfülle und auch ein gültiger „Harm Reduction“-Plan vorliege. Eine zweite Lizenzierung sei dann nach einer Auditierung der Kultivierungsanlage im November 2023 erfolgt. Sprawt habe daraufhin noch im November mit dem Cannabis-Anbau begonnen und im April 2024 erstmalig Cannabis an Mitglieder abgegeben. Zu den konkreten Mengen wollte sich Overend angesichts der kurzen Zeit seit der ersten Ernte noch nicht äußern. Im Mai hatte der Club bereits 250 Mitglieder und beabsichtigte, die Lizenz für mehr Mitglieder auszudehnen. Maximal 500 Mitglieder können in Malta einem Club angehören, die Lizenzen beginnen bei 50. Die Regierung bevorzuge allerdings eher mehrere kleine Clubs, als wenige große, heißt es. Eine erneute Anfrage an Sprawt nach einem Update im Dezember 2024 bleibt ebenfalls unbeantwortet.
Die Gründe für diese Heimlichtuerei, gerade seitens der ARUC? Andrew Bonello, Präsident von Releaf Malta, schreibt krautinvest, dass er es für sehr beunruhigend halte, dass ARUC keine Fakten bereit stelle. Noch stärker beunruhige ihn allerdings, dass die Clubs sich nicht öffentlich äußern wollen. Seines Erachtens herrscht großer Druck, da die Lizenzen jährlich erneuert werden müssten. Bonellos These: „Die meisten Clubs haben Angst, dass ihre Lizenz nicht erneuert wird.“ Mit der non-Profit Organisation Releaf Malta setzt sich Andrew Bonello für eine sichere, sensible und inklusive Regulierung von Cannabis ein.
Seine Schätzung: Angesichts der zehn laufenden Clubs mit einer Durchschnittszahl von geschätzt 300 Mitgliedern und einer durchschnittlich abgegebenen Menge von 15 Gramm pro Monat dürften die Clubs in der Summe zwischen 2.500 und 3.500 Mitgliedern verfügen. Jährlich könnten demnach über 600 Kilogramm durch die Clubs bereit gestellt werden. Könnten wohlgemerkt. Denn die einzige Zahl, die ARUC offiziell auf der sechsten European Harm Reduction Conference bestätigt hat, ist der Durchschnittswert von 15 Gramm je Mitglied monatlich.
Auch für Bonello fällt es schwer, zum jetzigen Stand das Gesetz zu beurteilen. ARUC habe schließlich weder einen Report noch Informationen veröffentlicht. Seine Sorge: Die Prohibitionisten in Form der Aġenzija Sedqa, einer Regierungsbehörde für Prävention und Rehabilition, würden mit immer größeren Budgets ausgestattet und erhielten die Aufgabe, ARUC bei der Regulierung der Clubs zu überwachen und zu beraten. Die einzige Person, die bei ARUC seines Erachtens tatsächlich qualifiziert gewesen sei, sich mit dem Thema „Harm Reduction“ auseinander zu setzen, sei dann Ende 2024 auch noch überraschend abgesetzt worden. Und während laut Bonelle ARUC 2023 noch viele Aktivitäten vorangetrieben habe, unter anderem das „Harm Reduction“-Training für die Clubs, seien solche Initiativen 2024 extrem zurück gegangen. Er fürchtet: „Viele Dinge werden sich ändern und wie ‚Harm Reduction‘ 2025 für Clubs aussieht ist unsicher.“ Die Agenzija Sedqa hätte bereits verlauten lassen, dass sie 50 Gramm als monatliche Höchstmenge für zu viel halte. Auf dem letzten informellen Treffen der EU-Länder mit progressiver Cannabis-Regulierung blieb Malta 2024 gänzlich fern.
Andrew Bonello selbst fordert im Gegenzug weitere Verbesserungen: Die Höchstmengen, die Clubmitglieder in der Öffentlichkeit und zu hause besitzen dürften, sollten nach oben angepasst werden, es brauche Konsumräume sowohl Indoor als auch Outdoor, ebenso in den Clubs und legale Möglichkeiten Cannabis zu teilen oder zu verschenken. Zudem müsse die Finanzierung für die Clubs verbessert werden und die Produktion von Haschisch und Edibles solle erleichtert werden. Er fordert zudem, Lieferservices zuzulassen und niedrigere Preise, die aktuell zwischen acht und 25 Euro per Gramm liegen würden.