Die Freude in der Cannabis-Branche und unter Patient:innen ist groß: Der G-BA hebt den Genehmigungsvorbehalt für Fachärzte aus insgesamt 16 Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen sowie für fünf Zusatzbezeichnungen auf. Auch Allgemeinmediziner müssen sich fortan keine Genehmigung der Kassen mehr einholen, wenn sie medizinisches Cannabis verordnen. Zur Wahl standen zwei unterschiedliche Vorlagen – durchgesetzt hat sich im G-BA mit einer Stimme Vorsprung der Beschluss, der weitreichender ist. Doch es gibt auch mahnende Stimmen: Die Sorge vor Regressen könne Ärzte weiterhin davon abhalten, medizinisches Cannabis zu verordnen. Der Tenor zum G-BA-Beschluss.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung begrüßen die Fachverbände ACM, BvCW, BPC, SCM, DMCG, IABSP, VCA die Entscheidung. „Der Beschluss des G-BA ebnet den Weg für eine effizientere Nutzung der Ressourcen rund um die Medizinalcannabisbehandlung, vor allem bedeutet er aber einen enormen Schritt hin zu einer besseren, unkomplizierteren Patientenversorgung mit deutlich verringertem administrativen Aufwand“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. Die Vorbehalte vieler Behandler:innen gegenüber medizinischem Cannabis seien in der Vergangenheit auch mit der zeitaufwändigen Antragstellung an die Krankenkasse verbunden gewesen, heißt es in der Mitteilung. Nun liege die Entscheidungshoheit in weiten Teilen ausschließlich bei den Ärztinnen und Ärzten.
Stadapharm begrüßt in einer Mitteilung die Entscheidung ebenfalls als „einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der
Patientenversorgung“ und sieht „die ärztliche Therapiehoheit“ gestärkt. So habe eine aktuelle repräsentative DocCheck-Umfrage unter Allgemeinmedizinern, Praktikern, Internisten und Neurologen im Auftrag von Stadapharm gezeigt, dass sich der hohe bürokratische Aufwand sowie Unsicherheiten in der Antragstellung aufgrund des Genehmigungsvorbehaltes bisher deutlich negativ auf die Verordnungspraxis auswirkten. 74 Prozent würden demnach eine Verordnung häufiger in Betracht ziehen, wenn die Antragstellung bei den Kassen einfacher wäre. „Wir befürworten die Entscheidung des G-BA ausdrücklich und sind davon überzeugt, dass sie zu einer besseren und effizienteren Patientenversorgung führen wird“, lässt sich Martin Spatz, Head of Specialty Business Germany Stadapharm, zitieren. Der G-BA setze mit der Entscheidung ein deutliches Zeichen und ermöglicht einen einfacheren Zugang zu spezialisierten medizinischen Leistungen für schwerkranke Patienten. Stadapharm – nach eigenen Angaben selbst Marktführer für Cannabisvollspektrum-Extrakte – plädiert zudem für eine Behandlung mit Extrakten, diese stehe für eine „klare Trennung vom Freizeitkonsum“.
Auch Kristine Lütke, FDP-Bundestagsabgeordnete, freut sich auf X über den Beschluss: „Das ist gut für Patienten und eine Entlastung der Ärzte!“ Ähnlich sieht es Thomas Schatton, Gründer und CEO von Four 20 Pharma: „Diese Entscheidung schafft für eine Vielzahl von Ärzten die Möglichkeit, Medizinalcannabis ohne bürokratische Hindernisse zu verschreiben“, erklärt er in einer Unternehmensmitteilung. Er hofft auf eine erleichterten Zugang für Patient:innen und eine stärkere Position der Ärzteschaft bei der Behandlung. Ähnlich geäußert hatte sich auch Stefan Fritsch, CEO der Grünhorn Gruppe, der ebenfalls von einem besseren Zugang zur Cannabis-Therapie ausgeht. „Der Beschluss des G-BA mit seinen recht umfassenden Ausnahmeregelungen kommt aus unserer Sicht überraschend und um so mehr begrüßen wir die Entscheidung“, lässt sich Canify-CEO Sascha Mielcarek zitieren. Insbesondere da seit dem 1.4. die Zahl der Selbstzahler im Bereich des Medizinalcannabis immens gestiegen sei, wäre durchaus mit einer konservativeren Entscheidung des G-BA zu rechnen gewesen.
Der GB-A hat festgelegt, dass eine Überprüfung des Verordnungsgeschehens nach 15 Monaten stattfindet. Der Vorsitzende des Gremiums, Josef Hecken, hatte explizit betont, dass die Wirtschaftlichkeit dabei nur „so weit wie möglich“ auf dem Prüfstand stehe. Schatton geht bereits davon aus, dass die Verbesserung der Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen und anderen Erkrankungen „auch nach der Prüfung nach 15 Monaten Bestand haben wird“. Auch Spatz zeigt sich überzeugt, „dass die Daten aus der Patientenversorgung die aktuelle Entscheidung noch einmal unterstreichen werden.“
Vorausschauend hatte Hecken auch dafür plädiert, dass Ärztinnen und Ärzte freiwillig eine Genehmigung bei den Kassen beantragen können – um Sorge vor Regressansprüchen vorzubeugen. Diese Möglichkeit wurde dann auch in den finalen Beschluss implementiert. Vor der Auswirkung solcher Regressansprüche warnt Dr. med. Franjo Grotenhermen bereits auf Facebook: „Nachdem ich den Beschluss etwas genauer analysiert habe, bin ich zu dem Ergebnis gelangt dass sich trotz des positiv wirkenden Beschlusses in der Realität so gut wie nichts ändern wird“, schreibt der erfahrene Cannabis-Arzt auf Facebook. „Da Ärztinnen und Ärzten weiterhin ein Regress wegen Unwirtschaftlichkeit der Therapie droht, kann erst die Zukunft zeigen, in welchem Umfang dieser zumindest auf den ersten Blick sehr erfreuliche Beschluss die Praxis der Verschreibung verändern wird“, so Grotenhermen auf der ACM-Website.
Gibt es keine Einwände, tritt der G-BA-Beschluss in zwei Monaten in Kraft
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