Eine Kolumne von Falk Altenhöfer
Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Vermögen auf dem Papier und echtem Geld auf dem Konto. Wer in den vergangenen Jahren ein Haus gekauft hat, kennt das Gefühl: Der Wert steigt, das Vermögen wächst – zumindest theoretisch. Doch wer ein Haus besitzt, dessen Wert von 300.000 auf 450.000 Euro gestiegen ist, hat nicht 150.000 Euro mehr auf dem Konto, sondern nur eine schönere Zahl im Gutachten. Die Familie lebt im selben Haus, mit denselben Kosten, demselben Alltag. Der gestiegene Wert existiert nur als Potenzial, als Möglichkeit, als Versprechen. Erst wenn man verkauft, wird aus der Zahl auf dem Papier echtes Geld.
Und genauso ist es bei Cannabisunternehmen: Solange Anteile nur als Vision existieren, ist es kein echter Exit. Erst beim Verkauf wird Wert zu Kapital. Erst dann existiert die Leistung schwarz auf weiß. Die Bewertung in der letzten Finanzierungsrunde, die vielversprechenden Gespräche mit potenziellen Käufern, die Hochrechnungen des CFO – all das sind nur Zahlen auf Papier, bis jemand tatsächlich einen Scheck unterschreibt und die Bewertung des Unternehmens manifestiert. (Notiz: Direkte Auszahlung on top hat noch keinem Gründer geschadet!)
Der Fluch der Vision
Versteht mich nicht falsch: Es ist verdammt wichtig, von seinem eigenen Unternehmen überzeugt zu sein. Investoren der ersten Stunde wollen einen Gründer sehen, der das große Bild vor Augen hat, der von der Börse träumt, der an das langfristige Potenzial glaubt. Ohne diese Vision bekommt man keine Finanzierung, kein Team, keine Glaubwürdigkeit.
Aber es gibt einen schmalen Grat zwischen visionärer Überzeugung und destruktiver Sturheit. Und nirgendwo ist dieser Grat so schmal wie im Cannabis-Sektor, wo sich die Rahmenbedingungen schneller ändern, als man “Zertifizierung“ sagen kann.
Timing ist alles – besonders in Cannabis
Wir befinden uns in einer Branche mit extremen Zyklen. Es gibt Phasen, in denen Investoren Schlange stehen, weil der politische Wind günstig weht und die Perspektiven rosig erscheinen. Und es gibt Zeiten wie jetzt, in denen politische Unsicherheit herrscht und plötzlich fundamentale Geschäftsmodelle in Frage stehen.
Wenn man in den guten Zeiten ist, wenn das Unternehmen stark wächst und vielleicht sogar ein paar Millionen im Plus steht, dann muss man als Gründer auch mal über seinen Schatten springen können. Dann muss man bereit sein, Ja zu sagen, auch wenn der angebotene Preis vielleicht nicht der „perfekte“ Preis ist, den man sich in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hat. (In Deutschland gibt es ein gutes Sprichwort. “Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach!”)
Die Kunst des Verkaufens
Ein Unternehmen zu verkaufen, wenn es gut läuft, fühlt sich für viele Gründer wie Verrat an. Verrat an der Vision, an den Mitarbeitern, an den frühen Investoren, die an einen geglaubt haben. Aber manchmal ist der Verkauf zum guten Zeitpunkt die verantwortungsvollste Entscheidung, die man treffen kann.
Denn was nützt es, auf den absoluten Höchstpreis zu warten, wenn sich dann plötzlich die Rahmenbedingungen ändern? Wenn neue Regulierung kommt, wenn Wettbewerber den Markt aufmischen, wenn die politische Stimmung kippt?
Der Cannabis-Sektor 2025: Ein Weckruf!
Aktuell erleben wir in der deutschen Cannabis-Branche genau so eine Phase der Unsicherheit. Der jüngste Auftritt von Drogenbeauftragte Streeck im Deutschlandfunk am Sonntag hat erneut Stimmung gemacht. Die Unruhe macht sich breit. Geschäftsmodelle, die vor Monaten noch vielversprechend aussahen, geraten massiv unter Druck, auch durch den Entwurf von Warken!
Der Apothekermarkt kämpft mit neuen Herausforderungen durch die Expansion von dm und Kaufland in angrenzende Bereiche. Unternehmen wie DocMorris und Shop-Apotheke navigieren zwar noch einigermaßen durch diese Gewässer, aber die Nervosität ist spürbar.
Die verpasste Chance
Einige Gründer hätten vor einem oder zwei Jahren gut verkaufen können. Vielleicht nicht zum Traumpreis, aber zu einem guten Preis. Sie haben es nicht getan, weil sie auf mehr gewartet haben. Weil die Vision wichtiger schien als die Realität. Weil der Exit-Plan immer „noch nicht der richtige Zeitpunkt“ war.
Jetzt sitzen manche dieser Gründer da und müssen zusehen, wie ihre Unternehmen neu aufgerollt werden müssen. Wie Geschäftsmodelle, die vor kurzem noch funktionierten, plötzlich nicht mehr tragfähig sind.
Was lernen wir daraus?
Die Lektion ist unbequem, aber klar: Als Gründer muss man nicht nur wissen, wann man Gas geben muss, sondern auch, wann man aussteigen sollte. Man muss den Mut haben, sein eigenes Baby loszulassen, wenn die Bedingungen stimmen, auch wenn sie nicht perfekt sind.
Denn am Ende des Tages zählt nicht, was dein Unternehmen wert sein könnte. Es zählt, was du tatsächlich dafür bekommst, wenn du den Deal unterschreibst. Der Wert entsteht erst beim Verkauf.
Das gilt für Häuser. Und es gilt für Cannabis-Unternehmen, (die man aktuell preiswert bekommt!)
Über den Autor
Falk Altenhöfer ist ein erfahrener Unternehmer und Investor mit einem Fokus auf die Cannabisbranche. Nach erfolgreichen Projekten in der digitalen Plattformökonomie und SaaS-Lösungen unterstützte er Investoren bei Marktstrategien und Investments. Seit 2019 ist er in der Cannabisindustrie aktiv, sammelte bei iCAN in Israel wertvolle Einblicke und hilft heute Gründern, Startups aufzubauen, Investor Relations zu managen und Wachstum zu skalieren. Zudem berät er Family Offices, mittelständische Unternehmen und Business Angels beim Einstieg in den Cannabismarkt.
Disclaimer: Keine Investmentempfehlung. Gastbeiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

