Ein Zwischenruf an die Sondierer: Kommt die Nutzhanfliberalisierung, oder verschwindet bald der Hanf?

by Gastautor

Ein Gastbeitrag von RA Kai-Friedrich Niermann, KFN+ Law Office

Die Zeiten für den Nutzhanf werden nicht besser. Zentrales Problem bleibt die Rauschklausel, die eigentlich mit dem Nutzhanfliberalisierungsvorhaben (NLV) der Bundesregierung abgeschafft werden sollte. Durch den Bruch der Ampelkoalition konnte der Gesetzesentwurf bekanntlich nicht mehr vom Bundestag beschlossen werden.

Trotzdem, oder besser deshalb, gehen die Ermittlungen, Durchsuchungen und Verurteilungen gegen Händler von Nutzhanfprodukten täglich weiter. Um einen Eindruck hiervon zu bekommen, empfehle das Logbuch eines Strafverteidigers – Teil 2, das einen Überblick über die Fälle der Strafverfolgung gegen Nutzhanf von KFN+ gibt.

Selbst Hanfblättertee im Visier

Selbst Großhändler von Hanfblättertee müssen aktuell mit strafrechtlichen Verurteilungen rechnen, obwohl Hanfblättertee nur ein Zehntel des THC-Gehaltes von CBD-Blüten aufweisen. Die großen Lebensmitteleinzelhändler ordern seit Jahren keinen Hanfblättertee mehr. Zum einen wegen der Strafverfahren, die gegen Anbaubetriebe und Großhandel eingeleitet wurden. Zum anderen aber auch wegen der Novel-Food Diskussion, die zwischenzeitlich aber durch die EU-Kommission mit der Aufnahme in die „Positivliste“ des Novel-Food-Katalogs für Cannabis sativa L. abgeräumt wurde. Entsprechend wurde auch weniger Nutzhanf in Deutschland angebaut, und die Umsätze der Branche haben sich seit 2021 deutlich minimiert.

Auch die „CBD-Blüten“-Branche wartet sehnlich auf eine Klarstellung der Rechtslage. Die Vorbereitungen liefen mit Ankündigung der Verabschiedung des NLV bereits auf Hochtouren, zum Beispiel müssen Steuerlager eingerichtet und Steuerbanderolen beantragt werden, und die Produkte als pflanzliches Raucherzeugnis notifiziert und gekennzeichnet werden. Nunmehr sehen wir wieder verstärkte Bemühungen der Strafverfolgung, gegen die Händler dieser Produkte vorzugehen. Insgesamt ergibt sich aber weiterhin ein unkoordiniertes Bild der Lage im gesamten Land. So hat die Staatsanwaltschaft München II beschlagnahmte CBD-Blüten aufgrund des geringen THC-Gehaltes zurückgegeben, während die StA München I dem Amtsgericht München eine umfassende Anklage mit Altfällen aus der Zeit vor 2020 vorgelegt hat.

Die Rauschklausel – eine unendliche Geschichte?

Erfreulicherweise hat das FG Düsseldorf im November 2024 in einem Verfahren gegen das Hauptzollamt Bielefeld ausdrücklich entschieden, dass bei Hanfzigaretten mit einem THC-Gehalt unter 0,1% THC ein Missbrauch zu Rauschzwecken ausdrücklich ausgeschlossen ist, und das Hauptzollamt zur Übersendung der begehrten Steuermarken verurteilt. Das Hauptzollamt hat die Zulassung der Berufung beantragt, das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig. Würde es rechtskräftig werden, hätte das noch ungeahnte Folgen für die weitere Praxis der Strafverfolgung, wenn Händler sich auf dieses Urteil und die vom HZA übersandten Steuermarken berufen können.

Dagegen hat das VG Braunschweig im März 2025 in zwei Verfahren unseres Büros auf Erlass einer Allgemeinverfügung zur Feststellung der Verkehrsfähigkeit von Nutzhanfblüten als pflanzliches Raucherzeugnis und Hanfblättertee als Lebensmittel einen Missbrauch zu Rauschzwecken nicht ausgeschlossen. Die Klagen wurden entsprechend abgewiesen, die Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

Der Anbau und Besitz hochprozentiger THC-Blüten sind jetzt zu einem gewissen Grade legal, unberauschende CBD-Blüten als Alternative für den Konsumenten und gesunder Hanfblättertee sollen aber vom Markt verschwinden?

Auch für die CBD-Öle, unabhängig von der Zulassung als neuartiges Lebensmittel, besteht noch ein strafrechtliches Risiko, da Zubereitungen derzeit nicht in der Definition für Nutzhanf im KCanG enthalten sind. Das sollte mit dem NLV ebenfalls klargestellt werden.

Aufruf an die Politik

Daher bleibt nur eine Lösung: das Nutzhanfliberalisierungsvorhaben muss wieder in den Bundestag, und zwar so schnell wie möglich!

Der nächste Bundeslandwirtschaftsminister soll, wie gemunkelt wird, ein Landwirt der CSU aus Bayern werden. Zuletzt hatte sich der Bauernverband mit weiteren Verbänden an die EU mit der Forderung gewandt, den europäischen Nutzhanfanbau zu stärken. Auch sprach er sich für eine Erhöhung des THC-Gehaltes auf 1,0% THC aus.

In diesen verrückten Zeiten kann viel passieren, wie wir nach der Bundestagswahl gesehen haben. Vielleicht ist die Hoffnung auf eine vollständige Liberalisierung des Nutzhanfes ja noch nicht verloren!

Über Kai-Friedrich Niermann

Kai-Friedrich Niermann ist seit 2003 Rechtsanwalt und berät seit 2018 ausschließlich im Bereich Cannabis mit dem Schwerpunkt regulatorische Anforderungen. Er spricht regelmäßig auf internationalen Cannabiskonferenzen zu Themen des deutschen und europäischen Rechtsrahmens für Cannabis. Kai veröffentlicht regelmäßig Artikel bei Krautinvest, BusinessCann und in juristischen Fachzeitschriften. Kai und sein Büro KFN+ beraten große CBD- und medizinische Cannabis Unternehmen, als auch Unternehmen, die am entstehenden Freizeit-Cannabis Markt interessiert sind. Außerdem ist er Berater der European Industrial Hemp Association (EIHA), die einen Gemeinschaftsantrag für eine Zulassung als Novel Food für verschiedene CBD-Produkte bei der EU-Kommission eingereicht hat, und Mitglied des Advisory Boards der International Cannabis Bar Association (INCBA) und im Vorstand von LEAP Deutschland e.V.

Disclaimer: Gastbeiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

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