Ein Gastbeitrag von Sascha Mielcarek, CEO Canify AG
Der deutsche Markt für medizinisches Cannabis hat in den vergangenen Jahren spürbar an Dynamik gewonnen. Insbesondere seit der (Teil-)Legalisierung ist eine erhöhte Nachfrage festzustellen, da die Zuordnung von Cannabis als Betäubungsmittel und damit erhebliche Zugangshürden gefallen sind. Dabei ist die tatsächliche Zahl der medizinischen Cannabispatienten in Deutschland schwer zu beziffern. Wie viele Deutsche nutzen medizinisches Cannabis? Eine einfache Frage – mit überraschend uneinheitlichen Antworten.
Im August 2024 wurden nach Angaben des Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert mehr als 80.000 Patienten mit medizinischem Cannabis behandelt. Doch diese Angabe dürfte die Realität kaum widerspiegeln. Denn weder das E-Rezept noch die aktuellen Abgabedaten ermöglichen eine präzise Erhebung der realen Nutzerzahlen. Branchenexperten gehen von rund 200.000 Patienten aus. Einen weiteren Anhaltspunkt liefern Zahlen aus dem deutlich älteren Markt in Kanada: Dort wurden bereits 2018 rund 370.000 Patienten offiziell als Nutzer medizinischen Cannabis‘ registriert – bei einer Bevölkerung von nur 40 Millionen. Auch wenn die Rahmenbedingungen sich etwas unterscheiden, muss man sich daher fragen: Ist in Deutschland der Markt für medizinisches Cannabis bislang nicht einmal annähernd ausgeschöpft?
Marktbeobachter und Analysten bestätigen das und sprechen von einem deutlich höheren Potenzial: Sie erwarten bis 2026 eine Marktdurchdringung von 1,5 bis 2 Prozent der deutschen Bevölkerung. Das würde umgerechnet zwischen 1,3 und 1,7 Millionen potenzielle Patienten in Deutschland bedeuten.
Die regulatorische Realität
Mit der Teillegalisierung vom 1. April 2024 wurde medizinisches Cannabis aus dem BtMG gestrichen – ein längst überfälliger Schritt. Dennoch bleibt die Versorgung vielerorts lückenhaft. Ärztliche Zurückhaltung, fehlende Aufklärung und Unsicherheit aufseiten der Apotheken hemmen den Zugang. Digitale Angebote können unterstützen, ersetzen aber nicht die medizinische Entscheidung.
Die Einführung des E-Rezepts hat die Abwicklung vereinfacht, doch die Diskussion um die Automatisierung von Verschreibungen ist nicht zu Ende. Eine hochwertige Versorgung braucht ärztliche Kontrolle – insbesondere bei komplexeren Indikationen.
Strukturelle Herausforderungen: Hybridmodelle als Lösung
Die Patientenversorgung im Gesundheitswesen steht in den nächsten Jahren vor großen strukturellen Herausforderungen. Prognosen zufolge könnten bis 2035 bis zu 11.000 Hausarztstellen unbesetzt bleiben. Besonders Patienten mit chronischen Erkrankungen, die eine kontinuierliche Betreuung benötigen, sind hiervon betroffen.
Hybride Modelle, die Telemedizin und Vor-Ort-Behandlung kombinieren, können hier eine sinnvolle Lösung bieten. Während Telemedizin den Zugang zu spezialisierten Fachärzten erleichtert, vor allem in ländlichen Gebieten, bleibt die persönliche Betreuung weiterhin wichtig. Diese Kombination gewährleistet sowohl die Schnelligkeit digitaler Beratung als auch die Gründlichkeit einer persönlichen Untersuchung.
Diesen Ansatz verfolgen auch wir bei Canify: Durch die Integration von Telemedizin und persönlicher Betreuung wird eine kontinuierliche ärztliche Begleitung ermöglicht. Das Modell bietet Patienten eine fundierte Therapieempfehlung und sorgt gleichzeitig dafür, dass die Behandlung individuell angepasst werden kann.
Moderne Produktinnovationen: Über die Blüte hinaus
Eine häufige Hürde in der Akzeptanz von medizinischem Cannabis ist die Darreichung in Form von getrockneten Blüten, die inhaliert werden. Manche Ärzte stehen dieser Methode skeptisch gegenüber, da sie nicht den gewohnten pharmazeutischen Standards entspricht. Alternative Darreichungsformen wie Cannabinoid-Extrakte oder sublinguale Sprays können hier Abhilfe schaffen.
Die medizinische Nutzung von Cannabis ist längst kein Nischenthema mehr. Die Frage ist nicht, ob medizinisches Cannabis eine relevante Rolle in der Gesundheitsversorgung spielt – sondern, wie diese Rolle verantwortungsvoll, und im Sinne der Patienten ausgefüllt wird.
Über den Autor
Sascha Mielcarek ist CEO der Canify AG. Canify setzt auf innovative Produkte wie Xatepa, ein sublinguales Spray, das durch seinen schnellen Wirkeintritt überzeugt. Darüber hinaus arbeitet Canify gemeinsam mit dem Healthtech Start-Up Alveon an einem CE-zertifizierten Inhalationsgerät, das eine präzise Dosierung und Temperaturkontrolle ermöglicht.
Disclaimer: Gastbeiträge müssen nicht der Meinung der Redaktion widerspiegeln.