Das Eckpunktepapier zur Apothekenreform von medizinischem Cannabis sieht vor, dass Apothekerinnen und Apotheken künftig verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne ärztliche Verordnung abgeben dürfen. Das BMG will hingegen mit einem im Juli an die Öffentlichkeit gedrungenen Referentenentwurf das Medizinalcannabis-Gesetz (MedCanG) dahingehend einschränken, dass die Verordnung medizinischer Cannabisblüten durch Ärztinnen und Ärzte nur noch nach einem persönlichen Gespräch persönich in der Arztpraxis erfolgen darf. Wie lässt sich diese Ungleichheit begründen?
Das BMG erhofft sich, durch die Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente durch Apotheken ohne vorherige Verschreibung Arztpraxen zu entlastet und die Versorgung zu beschleunigen. Der Drogenbeauftragte Hendrik Streeck (CDU) hatte in einem kürzlichen Interview mit der Rheinischen Post überlastete Arztpraxen in Deutschland angeprangert und angemahnt, dass es grotesk sei, 2025 noch darüber zu diskutieren, ob „wir „digitale Vernetzung, Datenintelligenz oder Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen brauchen“. Die Bürgerinnen und Bürger, so Streeck, „haben längst ein Recht darauf, dass ihr Gesundheitssystem digital, vernetzt und effizient funktioniert“.
Wie passt eine Anpassung des Medizinalcannabis-Gesetzes in diese Logik, durch die der Versand medizinischer Cannabisblüten durch Online angebundene Apotheken verboten und hunderttausend Cannabis-Patient:innen mindestens einmal jährlich wieder vor Ort in die Arztpraxen gedrängt würden? Das BMG verweist in seinem Referentenentwurf darauf, dass die Verschreibung medizinischer Cannabisblüten nach dem Ausfüllen eines online-Fragebogens erfolge. Anders als die vom BMG angedachte Abgabe verschreibungspflichtige Medikamente in einer Apotheke werden diese Angaben über solche Fragebögen aber noch von einem Arzt geprüft – zumindest sollte dies der Fall sein.
Für die Ungleichbehandlung medizinischer Cannabisblüten, die die Ziele der Entlastung der Arztpraxen und der Digitalisierung des Gesundheitssystem konterkariert, verweist das BMG zudem auf das „Suchtrisiko“ medizinischer Cannabisblüten, das im Referentenentwurf nicht weiter präzisiert oder quantifiziert wird. Missbrauchs- und Suchtpotenzial liegt allerdings für etliche andere verschreibungspflichtige, sogar rezeptfreie Medikamente vor. So hat die ABDA bereits 2018 darauf hin gewiesen, dass „Schmerzmittel – neben Schlaf- und Beruhigungsmitteln – die am häufigsten missbrauchten Arzneimittel“ seien. Dies gelte insbesondere auch für rezeptfreie Schmerzmittel. An einem schmerzmittelbedingten Dauerkopfschmerz würden laut ABDA in Deutschland nach Schätzungen damals mehr als 100.000 Menschen leiden.
Zumindest hat das BMG die in den Eckpunkten skizzierte Abgabe von verschreibungspflichtigen ohne ärztliche Verordnung an Bedingungen geknüpft: etwa bei chronisch kranken Patientinnen und Patienten bei dringendem Bedarf und bekannter Langzeitmedikation. Ob diese Bedingungen ausreichen, um trotz der explizit angestrebten Entlastung von Arztpraxen sowie einer besseren Digitalisierung und Vernetzung eine Ungleichbehandlung medizinischer Cannabisblüten zu rechtfertigen?
Apotheke Adhoc hatte am 12. September mit Verweis auf Gesundheitsministerin berichtet, dass eine „Reregulierung“ von Cannabis „noch länger dauern“ werde. Warken verweise auf die ersten Ergebnisse der Evaluation, aber auch auf die „nächste Tranche“ im Frühjahr 2026. Ein Sprecher des BMG bestätigte krautinvest.de auf Anfrage allerdings, dass die Anpassung des MedCanGs unabhängig von der Evaluation des Konsumcannabis-Gesetzes (KCanG) erfolgen soll. Und dies obwohl eine Online-Befragung von 11.500 Cannabis-Konsumierenden unlängst ergeben hat, dass die bevorzugten Quellen derzeit Home Grow und Apotheken sind und der illegale Bezug seit 1. April 2024 bereits deutlich zurück gegangen ist. Somit ist davon auszugehen, dass jede signifikante Einschränkung des MedCanGs auch unmittelbar die Ergebnisse der KCanG-Evaluation beeinflussen werden, auf deren Grundlage die Regierung das Gesetz anpassen will. Auf dem Deutschen Apothekertage hatte Warken zudem gesagt, dass der „Aufschrei immer groß“ sei, wenn man wie beim Gesetzesentwurf für Medizinalcannabis den Online-Handel eindämmen wolle. Auch europarechtlich sei dies nicht einfach zu regeln. Die Anpassung des MedCanGs stand bereits am 15. September im Kabinett auf der Tagesordnung, war dann aber wenige Tage vor der Sitzung auf den 8. Oktober laut LTO verschoben worden.