Beim Thema Cannabis-Regulierung kommen CDU und SPD auf keinen grünen Zweig – im Koalitionsvertrag einigten sie sich noch auf eine Anpassung basierend auf den Ergebnissen einer ergebnisoffenen Evaluation. Seitdem gehen die Sichtweisen der Abgeordneten und Verantwortlichen für Gesundheitspolitik zunehmend auseinander – dies zeigt sich insbesondere bei der geplanten Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG). Eine Chronologie.
27. Mai 2025 – Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) in einem Interview mit der FAZ:
„Im Koalitionsvertrag haben wir uns geeinigt, die Freigabe bis Ende 2025 zu evaluieren, das Ergebnis warte ich ab. Verstörend für mich ist allerdings der Anstieg beim Konsum von medizinischem Cannabis.“
14. Juli 2025 – Der Referentenentwurf zur Änderung des Medizinalcannabisgesetzes des BMG findet seinen Weg an die Öffentlichkeit.
Juli 2025 im Nachgang zum Referentenentwurf Matthias Mieves, stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, auf Linkedin:
„Aufgrund einer veränderten Risikobewertung wurde im Rahmen der Reform medizinisches Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) herausgenommen, sodass der Patientenzugang nachhaltig vereinfacht wurde. (…) Gerade Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen sind dabei im besonderen Maße auf einen verantwortungsvollen Einsatz digitaler Versorgungsformen angewiesen. (…) Wir stehen noch ganz am Anfang des Gesetzgebungsprozesses, und es wird noch eine Weile dauern, bis das Gesetz im Bundestag und im Ausschuss beraten wird.“
5.8.2025 – Carmen Wegge, Sprecherin für Recht und Verbraucherschutz der SPD-Bundestagsfraktion, auf Abgeordnetenwatch:
„Wir konnten alle Versuche, die Entkriminalisierung zurückzunehmen (Anm.: im Koalitionsvertrag), verhindern und haben stattdessen lediglich eine Evaluierung vereinbart. (…) Besonders für chronisch- und/oder schwer erkrankte Personen sowie in Gegenden mit nicht ausreichend hausärztlicher Versorgung ist die digitale Versorgung wichtig. Den Gesetzentwurf in der aktuellen Fassung werden wir daher in keinem Fall mittragen. (…) Im Bundestag wird es (Anm. Änderungsgesetz) in den zuständigen Fachausschüssen beraten, und es gilt dabei das Strucksche Gesetz, wonach kein Gesetzentwurf die Ausschussberatung so verlässt, wie er hineingegeben wurde. Bis zu einem möglichen Beschluss im Bundestag erfolgen also noch viele Verhandlungsschritte, und als SPD werden wir uns für eine gute Lösung für die Patient*innen einsetzen.“
12.8.2025 – Matthias Mieves auf Abgeordnetenwatch:
„Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, der CDU/CSU, werden wir im weiteren Verfahren an einer ausgewogenen Regelung arbeiten, die beiden Anliegen gerecht wird (Anm.: 1) Verlässliche, wohnortnahe und barrierefreie Versorgung gerade auch für Schwerkranke in digitaler Form 2) Ausschluss von Verordnungen ohne jeglichen Artzkontakt). Bis ein vom Kabinett beschlossener Gesetzentwurf dem Deutschen Bundestag zugeleitet wird, wird noch einige Zeit vergehen und es voraussichtlich auch noch Änderungen am Entwurf geben. Im Rahmen der ergebnisoffenen Evaluation im Herbst 2025 ist die Entkriminalisierung von Cannabis letztlich in der Gesamtschau zu beurteilen.“
15.8.2025 – Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, auf Abgeordnetenwatch zur ergebnisoffenen Evaluation:
„Die Evaluation folgt wissenschaftlichen Standards und methodischer Transparenz. Sie basiert auf unterschiedlichen Datenquellen – von anonymisierten Befragungen bis hin zu amtlichen Statistiken – und wird über Zwischen- und Abschlussberichte öffentlich gemacht. (…) Die von Frau Warken angekündigte „grundsätzliche Prüfung“ bedeutet nach bisherigem Stand keine zusätzliche politische Kontrolle, sondern eine thematische Erweiterung der Bewertung – etwa um Aspekte wie Verkehrssicherheit oder psychische Gesundheit.“
15.8.2025 – Christos Pantazis auf Abgeordnetenwatch:
Die Versorgung von schwer erkrankten Menschen, die auf medizinisches Cannabis angewiesen sind, muss auch künftig zuverlässig, wohnortnah und barrierefrei gewährleistet sein. Gerade Patientinnen und Patienten, die auf digitale Versorgungsformen angewiesen sind, dürfen nicht durch pauschale Einschränkungen benachteiligt werden. Unser Ziel ist daher eine ausgewogene Lösung, die sowohl Missbrauch verhindert als auch die berechtigten Interessen der Patientinnen und Patienten schützt.
25.8.2025 – Hendrik Streeck (CDU), Bundesdrogenbeauftragter, in einem Interview mit der Rheinischen Post:
Zu einer möglichen Verschärfung des KCanG: „Für solche Schritte ist es zu früh. Geplant ist eine mehrstufige Evaluierung der geltenden Regeln.“
Zu den drei Pflanzen für den Eigenbedarf: „Viel zu viel für den Eigenbedarf. (…) Klar ist, dass wir das Gesetz noch reformieren müssen.“
Zu einer Anpassung des MedCanG: „Medizinal-Cannabis wird zurzeit zu oft für den Freizeitkonsum missbraucht. Hier hat Gesundheitsministerin Warken bereits eine Gesetzesänderung vorgelegt, die ich begrüße. (…) Auch bei der Form von medizinischem Cannabis müssen wir nachsteuern. (Anm. Cannabisblüten nicht mehr verschreiben)“
28.8.2025 – Hendirk Streeck in einem Interview mit Die Zeit:
„Dieser Teil im Gesetz ist absolut widersprüchlich (Anm. Diskrepanz zu geernteter und erlaubter Menge bei drei Pflanzen). Außerdem wurden bei der Entwicklung des Cannabisgesetzes die berechtigten Sorgen von Ärzten, Psychologen und Polizisten nicht gehört. Das muss sich ändern. Zweitens müssen wir die Trennlinie zwischen Konsumcannabis und Medizinalcannabis schärfen.“
1.9.2025 – Die Änderung des MedCanGs steht laut Reddit am 15.9. 2025 laut Reddit in der Kabinettssitzung am 10.9.2025 auf der Agenda.
9.9.2025 – Carmen Wegge auf Abgeordnetenwatch zur Frage, wie eine Verschärfung des MedCanGs so schnell im Kabinett diskutiert werden kann
„Meines Wissens nach steht der Entwurf eines Änderungsgesetzes erst im Oktober im Kabinett an. Erst danach erreicht der Gesetzentwurf den Deutschen Bundestag. Und dann werden wir auf Grundlage dessen über diesen Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren beraten.“
Die Änderung des MedCanGs ist damit in der Sitzung am 10.9.2025 vom Tisch und soll nun am 8.10.2025 im Kabinett diskutiert werden.
12.9.2025 – Apotheke Adhoc mit Verweis auf Nina Warken:
„Bei der geplanten Reregulierung von Cannabis wird es dagegen wohl noch länger dauern. Man habe eine Evaluation verabredet, die ersten Ergebnisse seien da, die nächste Tranche werde im Frühjahr erwartet. „
15.9.2025 – Carmen Wegge auf Abgeordnetenwatch über die Blockade der Anbauvereinigungen in Bayern:
Grundsätzlich zur Cannabis-Regulierung und zur zweiten Säule: „Ich kann Ihnen zuallererst die Sorge nehmen, dass das Cannabisgesetz zurückgenommen werden könnte – weder in diesem Herbst noch sonst irgendwann in dieser Legislatur werden wir als SPD eine Rücknahme oder Verwässerung des CanG mittragen. (…) Insgesamt kann man deutlich sehen, dass mit der Union keine sinnvolle Drogenpolitik machbar ist. Wir werden als SPD die Errungenschaften der Vergangenheit verteidigen und weiterhin für progressive Mehrheiten kämpfen, um die zweite Säule der Entkriminalisierung voranzutreiben und langfristig eine europarechtskonforme Volllegalisierung umzusetzen.“
Zu einer Änderung des MedCanGs: „Auch die Änderungen im Bereich des Medizinal-Cannabis werden wir kritisch prüfen und im parlamentarischen Verfahren anpassen.“
Zur Situation der Clubs in Bayern: „Die baurechtlichen Hürden, die die bayrische Staatsregierung vorschiebt, halte ich für nicht tragbar. Die CSU widersetzt sich Bundesgesetzen und fördert so den Schwarzmarkt und die Drogenkriminalität, die sie so vorgeblich verhindern wollen.“
16.9.2025: Nina Warken auf dem Deutschen Apothekertag:
„Wir müssen das, was wir haben im gesetzlichen Rahmen, nutzen. Da sitzen wir im selben Boot. Wir können schauen, wo nach zu steuern ist und Sie selbst haben es in der Hand, Sanktions-Möglichkeiten zu nutzen und auszuschöpfen, um den Versandhandel Einhalt zu gebieten. Dort, wo einzugreifen ist, tun wir das auch. Es ist eine schwere Debatte. Wir sehen es beim Gesetzesentwurf für Medizinalcannabis. Der Aufschrei ist immer groß, wenn man den Online-Handel eindämmen will. Es ist auch europarechtlich nicht einfach zu regeln. Die Instrumente, die wir haben, sollten wir gemeinsam besser nutzen.“
17.9.2025 – Christos Pantazis auf Abgeordnetenwatch zur ergebnisoffenen Evaluation:
„Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, das Gesetz im Herbst 2025 umfassend und ergebnisoffen zu evaluieren. (…) Einzelne Forderungen, die schon jetzt eine Einschränkung des Eigenanbaus nahelegen, greifen dieser vereinbarten Gesamtschau vor und sind daher nicht zielführend.“
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