Die Reaktionen auf den Kabinettsentwurf zur Änderung des MedCanGs

by Redaktion

Das Kabinett hat den Gesetzesentwurf zur Änderung des Medizinalcannabisgesetzes (MedCanG) aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) abgesegnet. Die teils scharfen Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Carmen Wegge und Christos Pantazis beteuern für die SPD bereits: Diese Fassung trägt die sozialdemokratische Fraktion nicht mit.

Zweifel am Missbrauch

Dr. med. Julian Wichmann, Co-Founder und CEO Bloomwell GmbH: „Die gesamte vom BMG geplante Änderung des Medizinalcannabis-Gesetzes beruht auf einer Falschbehauptung: nämlich auf besonderen Suchtrisiken und Gesundheitsgefahren von medizinischen Cannabisblüten. Der Haken an dieser Argumentationskette: Vergleicht man Medizinalcannabis mit anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten, sind die Nebenwirkungen in vielen Fällen deutlich leichter oder bleiben sogar gänzlich aus. Bei einer näheren Überprüfung der Suchtrisiken und der Gesundheitsgefahren von medizinischen Cannabisblüten bricht das ganze Kartenhaus zusammen und es zeigen sich vorrangig ideologische Vorbehalte gegenüber Cannabis in der Medizin fernab jeder Datengrundlage als das eigentliche Motiv. Die Leidtragenden solcher Politik mit der Brechstange sind am Ende immer Patient:innen, denen Lebensqualität genommen wird.“

Re-Kriminalisierung

Der ehemalige Richter Andreas Müller kritisierte auf X in Richtung CDU und Nina Warken: „Sie wollen den Zugang zu medizinischem Cannabis wieder verschärfen, so das Gesundheitssystem belasten und den Schwarzmarkt schaffen. Hat die Regierung nichts besseres zutun als hunderttausende von Cannabiskonsumenten zu verfolgen? Allein mit den bisherigen Steuereinnahmen und Ersparnissen bei Krankenkassen könnten Sie viel Gutes für das Gesundheitssystem machen.“

BvCW-Präsident Dirk Heitepriem: „Der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg ist falsch. Wir brauchen die Telemedizin und die Versandmöglichkeit für Patientinnen und Patienten sowie Modellprojekte, um legale Zugangswege für Konsumentinnen und Konsumenten zu ermöglichen.“

Finn Age Hänsel via Linkedin: „Statt Steuern, Arbeitsplätzen und transparent produzierter und sauberen Produkten heißt es dann wieder: Zurück zur organisierten Kriminalität und intransparenten Produkten. Das ist am Ende nichts anderes als ein Konjunkturprogramm für den illegalen Markt. Also genau das Gegenteil von dem, was das Gesetz eigentlich mal erreichen wollte und dem, was die Evaluation des Gesetzes vor einer Woche nahegelegt hat.“

Kritik an Beschränkung digitaler Therapie- und Versorgungswege

Antonia Menzel, Vorstandsvorsitzende des Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen, erklärte in einer Verbandsmitteilung: „Ein persönlicher Arztkontakt darf kein Zugangshindernis zu einer medizinisch notwendigen Therapie sein. Viele Patient:innen sind auf Telemedizin und den Versandhandel durch Apotheken angewiesen. Das geplante Verbot stellt einen Rückschritt für Patientensicherheit, Versorgungsgerechtigkeit und digitale Gesundheitsversorgung dar.”

Heinrich Meyer, Vorsitzender des BVDVA und Inhaber von Sanicare: „Das ist eindeutig der falsche Weg zur Lösung des Problems. Den Versand mit Hinweis auf die Patientensicherheit untersagen zu wollen, suggeriert, dass die Beratung und die Expertise im Versand grundsätzlich mangelhaft seien. Das Gegenteil ist der Fall: In Deutschland zugelassene Versandapotheken, die das Geschäft mittlerweile seit fast 22 Jahren betreiben, haben eine umfängliche Beratungskompetenz und das Know-how, den Versand fach- und sachgerecht durchzuführen.“

Demecans Geschäftsführer Dr. Constantin von der Groeben, in einer Mitteilung: „Insbesondere das Versandverbot ist nicht zeitgemäß und bedroht die Versorgungssicherheit. Leidtragende sind letztendlich hunderttausende Patienten, denen der Zugang erschwert werden soll. Hier muss im parlamentarischen Verfahren unbedingt nachgeschärft werden.“

Franziska Katterbach, Partnerin bei Oppenhoff, warnt auf Linkedin: „Obwohl diese Änderungen darauf abzielen, die Kontrolle zu verbessern, könnten sie den Zugang für Patienten – insbesondere für solche mit eingeschränkter Mobilität – erschweren und die Compliance-Anforderungen für Ärzte und Apotheken belasten.“

Albert Christian Schwarzmeier, Geschäftsführer von Enua, via Linkedin: „Was wir brauchen, sind pragmatische Lösungen, die Versorgungssicherheit gewährleisten und Innovationen vorantreiben – nicht mehr Bürokratie und neue Hürden. Mit diesem Entwurf würden wir uns weiter von diesem Ziel entfernen. Jetzt liegt es am Bundestag: Der Entwurf wird beraten, diskutiert und sehr wahrscheinlich verbessert werden.“

Verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken

Finn Hänsel, Gründer und Geschäftsführer der Sanity Group, erklärt in einer Unternehmensmitteilung: „Die geplante Kontaktpflicht greift zudem in die Berufsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten (Art. 12 GG) ein und benachteilige Cannabispatientinnen und -patienten ohne sachlichen Grund. Ein selektives Versandverbot nur für Cannabisblüten ist systemwidrig, da es für kein anderes verschreibungspflichtiges Arzneimittel existiert. Darüber hinaus stehe der Gesetzentwurf im Widerspruch zum jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. September 2025 (Rs. C-115/24), was grenzüberschreitende Telemedizin und das Herkunftslandsprinzip ausdrücklich stärkt: Während Ärztinnen und Ärzte in anderen EU-Mitgliedstaaten weiterhin telemedizinisch Cannabis für deutsche Patientinnen und Patienten verschreiben dürften, würde dies deutschen Ärztinnen und Ärzten verboten – eine unionsrechtswidrige Binnenmarkt-Asymmetrie.“

Auch von der Groeben erklärt auf Linkedin, diesen Entwurf rechtlich genau zu prüfen: „Schränkt er nicht die Berufsfreiheit der Ärzt:innen ein? Und verstößt er nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung mit anderen Arzneimitteln?“

Appell an die SPD

Niklas Kouparanis, Co-Founder und CEO Bloomwell Group GmbH: „Die SPD kann und wird diesen Entwurf nicht mittragen können, ohne massiv an Glaubwürdigkeit in der eigenen Wählerschaft einzubüßen. CDU und CSU blockieren in etlichen Bundesländern Cannabis-Clubs durch Überbürokratisierung, sagen Modellprojekte ab und ignorieren die positiven Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation. Wir erleben eine rein ideologische Vorgehensweise der konservativen Fraktion, die mit dem Koalitionsvertrag bricht. Nun erwarten Patient:innen, Apotheken und Industrie von den Sozialdemokraten, dass sie im parlamentarischen Verfahren standhaft bleiben und zu ihrem Wort stehen. Ansonsten wird sich die SPD in Luft auflösen. Medizinisches Cannabis ist keine Verhandlungsmasse – hier geht es um die Patientenversorgung!“

Rechtsanwalt Peter Homberg, Gunnercooke: „Selbst eine tiefergehende inhaltliche Abstimmung zwischen den Koalitionspartnern in den zuständigen Ausschüssen steht noch aus. Für die SPD ist das Vorgehen des BMG, das für das Notifizierungsverfahren das ebenfalls CDU-geführte BMWE hinzugezogen hat, sicherlich ärgerlich. Zumal der Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Form weit über das Ziel hinausschießt und es deutlich weniger einschneidende Alternativen zur aktuellen ‚Brechstange‘ gibt, um einem vom BMG befürchteten Missbrauch Einhalt zu gebieten. In dieser Form würde man dagegen einen nicht unerheblichen Kollateralschaden in Kauf nehmen – insbesondere schwerstkranke Patientinnen und Patienten sowie Menschen in ländlichen Gebieten könnten dadurch erheblich benachteiligt werden. Ich gehe davon aus, dass die SPD im weiteren Gesetzgebungsverfahren unabhängig vom Ausgang der Notifizierung auf EU-Ebene Änderungen durchsetzen wird. Andernfalls würden die Positionen der Sozialdemokraten im Rahmen des gesamten bislang umgesetzten Legalisierungsprozesses konterkariert werden.”

Erneute Einstufung als Betäubungsmittel

Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, begrüßt indes die zwei wesentlichen Änderungen durch den Kabinettsentwurf: „Beides halten wir aus ärztlicher Sicht für dringend notwendig, denn Cannabis ist eine psychoaktive Substanz mit erheblichem Abhängigkeitspotenzial. Seit der Herausnahme aus dem Betäubungsmittelgesetz ist die Einfuhrmenge von Cannabisblüten sprunghaft angestiegen – ein Indiz dafür, dass die bisherigen Regelungen Missbrauch erleichtert haben. Eine verantwortbare Therapie setzt deshalb eine sorgfältige ärztliche Prüfung im direkten Gespräch voraus. Gleichwohl halten wir daran fest: Noch konsequenter wäre es gewesen, Medizinal-Cannabis wieder in das Betäubungsmittelrecht einzubeziehen. Cannabis erfüllt nach wie vor die Kriterien eines solchen Stoffes. Eine Rückführung in das BtM-Gesetz würde die ärztliche Verantwortung klarstellen und die Patientensicherheit zusätzlich erhöhen.“

SPD trägt aktuelle Fassung nicht mit

Unterdessen melden wich die SPD-Abgeordneten Carmen Wegge und Christos Pantazis, zugleich gesundheitspolitischer Sprecher, via Instagram zu Wort: „Den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Medizinalcannabisgesetzes können wir in seiner jetzigen Form nicht unterstützen. In den parlamentarischen Beratungen werden wir uns für grundlegende Änderungen einsetzen.

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