Philip J. Cendella, unterstützt Cannabis-Patienten und berät europäische und US-amerikanische Cannabis-Unternehmen. krautinvest verrät er, wieso 2018 ein spannendes Jahr wird und wieso Deutschland eine entscheidende Rolle im zunehmend globalisierten Cannabis-Geschäft spielt.
Philip, in Deutschland erschwert die derzeitige Regulierung ausgerechnet deutschen Unternehmen die Beantragung einer Lizenz für den Cannabisanbau…
Genau dies ist der Grund, weshalb jetzt in deutschen Gerichten entsprechende Prozesse geführt werden. Einer der erfolglosen Antragsteller hat gegen die Bedingungen der Ausschreibung geklagt. Jetzt pausiert der gesamte Bewerbungsprozess. Wer am Ende zu den ersten zählt, die eine Lizenz erhalten, wird frühestens im ersten oder zweiten Quartal 2018 feststehen. Derzeit ist kein legaler deutscher Anbau erlaubt, auch nicht für Patienten mit gültigen medizinischen Zulassungen. Lediglich im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungs-Projekten an Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen wird im kleinen Stil angebaut.
Zunehmend beliebter werden internationale Joint Ventures: Wie arbeiten ausländische Cannabisunternehmen typischerweise mit deutschen Unternehmen zusammen?
Das hängt ganz von ihren Zielen und ihrer Strategien ab. Drei Beispiele sind: Die Canopy Growth Corporation hat die deutsche Firma Medcann gekauft, aus der dann Spektrum Deutschland hervor gegangen ist. Viele sehen in Spektrum inzwischen die hierzulande führende Cannabis-Firma.
Ein zweites Beispiel: Maricann aus Kanada kaufte für drei Millionen Euro eine ehemalige Frachtanlage in Dresden und baut dort seinen europäischen Unternehmensbetrieb auf, stellt Personal ein und errichtet das neue europäische Hauptquartier.
Und Drittens: Eine internationale Firma befindet sich derzeit in Gesprächen über eine Joint-Venture-Partnerschaft mit einem deutschen Start-up. Das wird weltweit für Schlagzeilen sorgen, wenn diese, meines Erachtens bahnbrechende, Nachricht Anfang 2018 bekannt gegeben wird.
Um die Nachfrage nach medizinischem Cannabis zu decken, importiert Deutschland aus anderen Ländern. Das Angebot kommt vor allem aus Kanada. Welche anderen Länder können in Zukunft wichtige Cannabislieferanten sein?
Kanada und die Niederlande sind derzeit die einzigen zugelassenen Länder, die nach Deutschland importieren. Die Lieferungen sind bereits sehr limitiert. Hinzu kommt, dass Kanada im Juli 2018 Cananbis für den Genuss legalisiert, was die Versorgungsengpässe in Deutschland bis ins Jahr 2019 noch verschärfen dürfte.
Dafür gibt es andere Länder, die mittelfristig in die Bresche springen werden: Kürzlich hat Tilray hat angekündigt, in Portugal eine Anbaufabrik zu errichten, um den deutschen und europäischen Markt in Zukunft zu versorgen. Zudem arbeiten die Regierungen Griechenlands, Israels, Südafrikas, Australiens, Chiles, Uruguays und anderer Länder derzeit mit privaten Unternehmen zusammen, um eigene Anbau- und Exportkompetenzen zu erlangen.
Nicht vergessen darf man dabei: In Deutschland leben doppelt so viel Menschen wie in Kalifornien. Es ist ein Schlüsselmarkt für jeden seriösen Player in der globalen Cannabisindustrie!
Und was ist deine persönliche Meinung zur aktuellen deutschen Regelung? Was werden die nächsten großen Schritte sein?
Zunächst einmal sind Regulierung und Besteuerung sind immer besser als Illegalität und Gewalt des Schwarzmarktes! In Deutschland war es das Justizsystem, das Gott sei Dank medizinisches Marihuana endlich legalisiert hat. Wenn es nach den Politikern ginge, würden wir immer noch warten.
Die nächste Herausforderung besteht nun darin, auch für den privaten Genuss in der eigenen Freizeit intelligente Gesetze zu entwickeln. Schließlich handelt es sich um eine Pflanze, die seit tausenden von Jahren genutzt wird. Um nur einige wenige Vorteile einer Legalisierung zu nennen: In einer Welt in der Marihuana reguliert, sicher und profitabel ist, gibt es weniger Todesfällen durch Opiate, einige Menschen erhalten neue medizinische Hilfe und selbst super-ernsthafte Menschen können sich an Jazz-Musik erfreuen…
Wird es denn Änderungen im Konsumverahlten geben?
Cannabis wird als Blüte immer auf dem Markt sein. Darüberhinaus werden wir in den kommenden Jahren Cannabis zunehmend in anderen Formen erleben, die leichter zu konsumieren sind, etwa im Essen, in Ölen, Salben und vielem mehr. Daher wird die so genannte GMP-Zertifizierung für den “Good Manufacturing Process” für diejenigen, die ein Qualitätsprodukt auf dem deutschen und europäischen Markt etablieren wollen, eine entscheidende Rolle spielen.
Betrachten wir noch einmal den europäischen Cannabismarkt. Welche wichtigen Markttrends siehst du?
Ich sehe drei wesentliche Trends. Erstens scheint sich aktuell jeder auf die Anpflanzung zu konzentrieren. Dabei handelt es sich allerdings um einen Bereich, der in naher Zukunft zu einer ganz gewöhnlichen Ware wird. Ziel einiger Unternehmen ist, eine Produktlinie mit „Fertigprodukten mit GMP-Zertifizierung“ aufzubauen, um zu den Marktführern zu zählen.
Zweitens zeichnet sich ab, dass Versicherungsgesellschaften bald echte Partner sind, um deutschen Apotheken Cannabis-Therapien anzubieten. Hintergrund ist, dass, Versicherer, verglichen mit den aktuellen Arzneimitteln, Kosten einsparen können und Patienten zugleich gesundheitlich profitieren.
Und drittens?
Drittens, möchte ich es in den Worten von Peter Tosh sagen: “Legalisiere es.” Das Berliner Friedensabkommen fordert ein Ende des 80-jährigen Weltkrieges gegen Cannabis. Das sehen wir genau so. In den USA und in Uruguay wurden bereits legale, regulierte, sichere und gewaltfreie Marihuana-Märkte für Freizeitaktivitäten eingerichtet, wobei Kanada und andere im Jahr 2018 hinzukommen.
Pharmazeutische Unternehmen ist dies ein Dorn im Auge, ebenso Bier-Firmen – obwohl die Besitzer von Corona-Bier im letzten Monat gerade 250 Millionen Dollar in Canopy Growth investiert haben – und einige kurzsichtige Politiker mögen es ebenfalls nicht. Aber wir, die Menschen dieses Planeten, stehen zu unserer Meinung und fordern einen rationalen, legalen, sicheren und gewaltlosen Cannabismarkt. Davon sind wir nur wenige Schritte entfernt – und zwar Mitten in Europa. Zweifelsfrei leben wir in Sachen Cannabis in historischen Zeiten und Deutschland führt die Welt in vielerlei Hinsicht an. 2018 wird ein aufregendes Jahr!
Phil, vielen Dank für dieses Gespräch!
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Bildquellen
- Philip cenedella: Cendella