Wie war die Reaktion in der Cannabis-Industrie auf das Wahlergebnis? Überwiegend gehen die Beteiligten nicht von gravierenden Änderungen aus. Der Grund: Andere Probleme sind deutlich dringlicher, so dass Cannabis zunächst außen vor bleibt. Auch ein führender CDU-Politiker deutet dahingehende Tendenzen an.
Thomas Schatton, CEO von Four 20 Pharma betont, dass die „Herausnahme von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz war ein wichtiger Meilenstein“ war, um Patient:innen „den Zugang zu Medizinalcannabis zu erleichtern und den Gebrauch im Rahmen einer ärztlich begleiteten Therapie zu entstigmatisieren“. Schatton weiter: „Eine komplette ‚Rückabwicklung‘ von den im letzten Jahr geschaffenen gesetzlichen Strukturen wäre aus unserer Sicht fatal – könnte sie doch die Patient:innenversorgung und Marktstabilität erheblich beeinträchtigen.“ Von der neuen Regierung wünscht er sich eine Politik, „die den Zugang der Patient:innen zu Medizinalcannabis schützt und die Expertise und Empfehlungen von Branchenvertretern sowie vieler Ärzt:innen im Rahmen der weiteren politischen Überlegungen berücksichtigt“.
Niklas Kouparanis, Co-Founder und CEO der Bloomwell Group, hätte bei einer Kenia-Koalition „weniger Unsicherheiten“ verspürt und fordert die gesamte Industrie auf, „an einem Strang zu ziehen und vor allem an unseren ‘Wirtschaftskanzler’ Friedrich Merz appellieren, digitale Innovation im Gesundheitswesen zu fördern, nicht zu verhindern“. Angesichts der großen politischen Herausforderungen geht er nicht davon aus, dass selbst konservative Politiker in der aktuellen Zeit „Muße“ hätten, Cannabis ins Betäubungsmittelgesetz zurück zu stufen – ein „Mammutprojekt“.
Albert Christian Schwarzmeier, CEO von Enua, mahnt an, fünf Schlüsselentwicklungen zu beobachten: Die Positionen von SPD und CDU, den Erhalt des hart erkämpften Status Quo, das Verhindern einer Rückkehr zum illegalen Markt, eine bessere Integration ins Gesundheitssystem, ein zukunftsfähiger regulatorischer Rahmen. In der regen Linkedin-Diskussion zu seinem Post geht er nicht davon aus, dass Cannabis in den Koalitionsverhandlungen eine top-Priorität genieße, vielmehr dazu dinee in anderen Feldern die Verhandlung zu beeinflussen.
Auch Timo Bongartz erachtet andere Themen für CDU / CSU und SPD gegenwärtig als relevanter. Außerdem könnten beide Parteien nur verlieren, wenn sie angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen Cannabis priorisieren würden – das wäre dann auch ein Angriffsfläche für die Oppositionsparteien. Er geht auf Linkedin daher von einer kontinuierlichen Entwicklung aus. Christiane Neubaur, VCA Geschäftsführerin, teilt die Meinung und erachtet Cannabis in den anstehenden Koalitionsverhandlungen als „Verhandlungsmasse“. Es gebe „wichtigere und dringendere Themen“.
Auch Will Muecke, Mitgründer von Artemis Growth, widmet sich auf Linkedin der deutschen Wahl. Seines Erachtens bleibt der aktuelle medizinische Rahmen solide. Das gegenwärtige medizinische Cannabis-System funktioniere. Es reduziere Gesundheitskosten, senke die Kosten, kreiere Arbeitsplätze und generiere Steuern. Spielraum für die CDU sieht Muecke bei der Definition der erlaubten Besitzmenge.
Dass Cannabis in den Koalitionsverhandlungen tatsächlich „unter den Tisch fallen“ könnte, darauf deutet auch eine Antwort von Torsten Frei auf Abgeordnetenwatch. Als parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion wird Frei auch in den Verhandlungen eine wesentliche Rolle spielen. Ob die CDU hinsichtlich der Cannabis-Legalisierung eine „Veränderung“ erreichen könne, „werden die vor uns liegenden Gespräche zeigen“. Frei ergänzt: „Wir werden es versuchen. Fakt ist aber auch, dass unsere Schwerpunkte im Bereich wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, Beendigung der illegalen Migration, Zielgenauigkeit des Sozialstaats und Stärkung der äußeren Sicherheit liegt. Das sind die zentralen Themen, bei denen die Menschen Entschiedenheit, Lösungen und echte Veränderungen erwarten.“