Sicherheit für Anbauvereinigungen trotz drohender Neuwahlen
Ein Gastbeitrag von Aleksandra Vujinović, Corporate Cannabis Rechtsanwältin und Mitgründerin der CLA Cannabis Law Academy.
Die rechtliche und politische Landschaft für Cannabis Clubs in Deutschland steht seit der Einführung des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) im Juli 2024 unter intensiver Beobachtung. Die Legalisierung markierte einen historischen Wendepunkt in der deutschen Drogenpolitik, ermöglichte den gemeinschaftlichen Anbau in sogenannten Anbauvereinigungen und die Weitergabe von Cannabis an die Mitglieder dieser Anbauvereinigungen zum privaten Eigenkonsum. Dies schuf einen regulierten Zugang für Konsument:innen über eine Mitgliedschaft in einem Cannabis Club, Cannabis zu beziehen und sich nicht durch privaten Eigenanbau oder den Schwarzmarkt versorgen zu müssen.
Doch mit drohenden Neuwahlen und den kritischen Stimmen aus Teilen der politischen Landschaft, insbesondere der CDU, entstehen Unsicherheiten. Wie stabil ist die Grundlage, auf der die neu gegründeten Anbauvereinigungen stehen? Und was würde ein politischer Richtungswechsel für den Markt bedeuten? Dieser Artikel beleuchtet die juristischen, politischen und gesellschaftlichen Realitäten und erklärt, warum Cannabis Clubs auch in unsicheren Zeiten bestehen können.
Ein stabiles Fundament: Die rechtliche Absicherung von Anbaulizenzen
Die Anbaulizenzen für Cannabis Clubs stellen verwaltungsrechtlich sogenannte begünstigende Verwaltungsakte dar. Diese schaffen Rechte für die Lizenzinhaber:innen, die durch Vertrauens- und Bestandsschutz rechtlich abgesichert sind. Diese Prinzipien gehören zu den Grundfesten des deutschen Verwaltungsrechts und bieten Betreiber:innen von Cannabis Clubs eine rechtlich stabile Grundlage.
Laut KCanG werden die Lizenzen für eine Laufzeit von sieben Jahren erteilt und können nur unter strengen Voraussetzungen widerrufen oder zurückgenommen werden (§§ 48, 49 VwVfG). Es bestehen zudem spezifische Regelungen in § 15 KCanG, nach welchen eine Anbauerlaubnis widerrufen oder zurückgenommen werden kann. Eine nachträgliche Gesetzesänderung allein reicht dafür nicht aus.
Sobald eine Anbaulizenz erteilt ist, entfaltet sie rechtliche Bindungswirkung für beide Seiten: die Anbauvereinigung und die Erlaubnisbehörde. Selbst wenn ein Regierungswechsel dazu führen sollte, dass neue Regelungen verabschiedet werden, bleiben bestehende Lizenzen rechtlich unberührt. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Bestandskraft schützen die Betreiber:innen der Cannabis Clubs vor willkürlichen Eingriffen.
Regierungswechsel vs. Entzug der Lizenz durch die Behörden
Die politische Debatte rund um Cannabis bleibt kontrovers. Besonders konservative Parteien wie die CDU haben in ihren Wahlkampfparolen eine Rückkehr zur Prohibition gefordert. Doch ein Regierungswechsel allein würde keine unmittelbaren Auswirkungen auf bestehende Anbaulizenzen haben.
Der Weg zu einer Gesetzesänderung ist lang und komplex: Er umfasst die Erstellung eines neuen Entwurfs, dessen parlamentarische Beratung, eine Zustimmung des Bundesrates und schließlich die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten. Während dieser Zeit bleibt das KCanG in seiner aktuellen Fassung bindend.
Ein Regierungswechsel und neue Gesetze hätten zudem keine Rückwirkung auf bereits erteilte Lizenzen. Entscheidend ist dabei, dass solche Maßnahmen stets im Einzelfall geprüft werden müssen und einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Auch wenn die politische Dynamik neue Anforderungen für künftige Antragsteller:innen schaffen könnte, genießen bestehende Lizenzen Bestandsschutz.
Behördliche Entscheidungen: Strenge Vorgaben und gerichtliche Kontrolle
Im Gegensatz zur politischen Ebene könnte der Entzug einer Lizenz durch die zuständigen Behörden erfolgen. Doch auch hier gelten strenge rechtliche Hürden. Nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ist ein Widerruf nur unter klar definierten Bedingungen möglich, beispielsweise bei erheblichen Verstoßen gegen die Auflagen oder wenn grundlegende rechtliche Bedingungen nicht mehr erfüllt werden.
Ein zentraler Schutzmechanismus für Cannabis Clubs ist die gerichtliche Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen. Willkürliche Entziehungen sind nicht möglich, denn es bestehen weitere gerichtliche Überprüfungsinstanzen, die über das Schicksal der Anbauerlaubnis entscheiden.
Jeder Widerruf oder jede Rücknahme einer Lizenz kann durch die Gerichte auf Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Dabei spielen Faktoren wie getätigte Investitionen und die Planungsgrundlage der Lizenznehmer:innen eine entscheidende Rolle. Besonders schutzwürdig sind Lizenznehmer:innen, die nachweislich in den Aufbau ihres Cannabis Clubs investiert haben. Zudem müssen Behörden nachweisen, dass das öffentliche Interesse die schutzwürdigen Interessen der Lizenznehmer:innen überwiegt – eine Hürde, die in der Praxis nur selten genommen wird.
Lizenz als Fundament: Wenig Investition, hohe Sicherheit und Entschädigungsansprüche
Für die Beantragung und den Erhalt einer Anbaulizenz ist es nicht erforderlich, sofort große Investitionen zu tätigen. Es reicht, einen Verein zu gründen und ins Vereinsregister eintragen zu lassen und alle notwendigen Voraussetzungen für die Erteilung der Anbauerlaubnis zu erfüllen.
Eine angemietete Immobilie oder Equipment muss bei Antragstellung noch nicht vorliegen. Vielmehr ist es für die Lizenzbeantragung ausreichend mit Plänen die voraussichtlichen Flächen, in denen zukünftig Cannabis angebaut und weitergegeben werden soll, darzustellen. Somit müssen zunächst keine hohen Investitionen getroffen werden, bevor die Anbaulizenz erteilt wurde. Dies schafft zusätzliche Sicherheit und einen Zeitvorteil.
Sollte es dennoch zu einem Widerruf kommen, könnten Betroffene Entschädigungsansprüche geltend machen. Gemäß § 49 Abs. 6 VwVfG können finanzielle Nachteile ausgeglichen werden, die durch eine Rücknahme der Lizenz entstehen. Dies bietet eine weitere Absicherung für Betreiber:innen, die bereits erhebliche Mittel in die Umsetzung ihrer Anbauvorhaben investiert haben.
Enormer Bedarf an Cannabis Clubs
Der Bedarf an Anbauvereinigungen in Deutschland ist enorm. Es wurde erwartet, dass im ersten Jahr mehr als 1.000 Anbauvereinigungen gegründet werden, um die geschätzten 1,48 Millionen regelmäßigen Konsument:innen zu versorgen. Wenn man auch die 2,26 Millionen Gelegenheitskonsument:innen berücksichtigt, steigt die Zahl der potenziell benötigten Vereine auf mindestens 4.520. Angesichts dieser Nachfrage wird jede erteilte Lizenz zu einem wertvollen Vermögensgegenstand.
Eine erteilte Lizenz ermöglicht es Anbauvereinigungen, frühzeitig mit dem Aufbau einer Marke zu beginnen. Ein Cannabis Club mit Lizenz kann sich als vertrauenswürdige Institution positionieren und erste Mitglieder gewinnen. Dadurch machen sich Clubs nicht nur für Konsument:innen, sondern auch für Investor:innen interessant, die die Infrastruktur und das Potenzial des Marktes erkennen.
Die gesellschaftliche Dimension: Eine Rücknahme der Legalisierung ist unrealistisch
Neben den rechtlichen Aspekten spricht auch die gesellschaftliche Entwicklung gegen eine Rücknahme der Legalisierung. Seit der Einführung des KCanG hat sich der gesellschaftliche Konsens in Richtung einer akzeptierten Cannabisregulierung verschoben. Die Legalisierung hat nicht nur den Schwarzmarkt eingedämmt, sondern auch den Weg für einen regulierten, sicheren Konsum geebnet.
Eine Rückkehr zur Prohibition würde nicht nur erhebliche politische und juristische Konflikte verursachen, sondern auch Investitionen von Unternehmen und Vereinen in Gefahr bringen. Zudem hat Deutschland durch das KCanG eine komplexe Infrastruktur geschaffen, die sowohl behördlich als auch wirtschaftlich integriert ist. Der politische Aufwand, diese Infrastruktur zurückzubauen, würde kaum im Verhältnis zu einem potenziellen Nutzen stehen.
Keine Rückkehr zur vollen Prohibition
Selbst wenn Teile der Politik weiterhin gegen die Legalisierung argumentieren, ist eine vollständige Rücknahme des KCanG kaum realistisch. Die gesellschaftliche Akzeptanz für reguliertes Cannabis ist gestiegen, und die Legalisierung hat sich als wirksames Instrument zur Bekämpfung des Schwarzmarktes erwiesen.
Darüber hinaus wurde durch das KCanG eine umfassende Infrastruktur geschaffen, die nicht einfach zurückgebaut werden kann, ohne erhebliche Kosten und rechtliche Konflikte zu verursachen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass kleinere Anpassungen vorgenommen werden, etwa strengere Mengenbegrenzungen oder änderungen bei den Anbauvorgaben. Doch bestehende Lizenzen bleiben davon unberührt.
Fazit: Sicherheit und Chancen für Cannabis Clubs
Die rechtliche Basis des KCanG bietet Cannabis Clubs eine stabile Grundlage, um auch in politisch unsicheren Zeiten zu bestehen. Mit einer siebenjährigen Lizenzlaufzeit, umfassendem Vertrauensschutz und der Option auf Entschädigung bei Widerruf können Betreiber:innen langfristig planen und sich erfolgreich am Markt positionieren.
Das Konsumcannabisgesetz hat nicht nur die rechtliche Grundlage für Cannabis Clubs geschaffen, sondern auch einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel eingeleitet. Trotz politischer Unsicherheiten und Wahlkampfparolen steht fest: Den Geist des KCanG kriegt man nicht mehr vollständig zurück in die Flasche. Bestehende Lizenzen sind rechtlich abgesichert, und Betreiber:innen können langfristig planen.
Für Anbauvereinigungen bedeutet dies eine klare Perspektive, ihre Projekte weiter auszubauen und Teil des aufstrebenden regulierten Marktes zu sein. Es bleibt wichtig, sich proaktiv auf etwaige regulatorische Änderungen vorzubereiten und die Chancen des bestehenden Gesetzesrahmens voll auszunutzen.
Über die Autorin
Aleksandra Vujinović ist Corporate Cannabis Rechtsanwältin und Expertin für Cannabisrecht, sowie Gesellschafts- und Vertragsrecht. Weiterhin ist Aleksandra Mitgründerin der CLA Cannabis Law Academy, welche sie seit Oktober 2022 als führende Plattform für Anbauvereinigungen und Unternehmer:innen im deutschen Cannabissektor mitaufgebaut hat. Darüber hinaus bietet sie umfangreiche Beratungsdienste für Unternehmen an, die sich auf dem komplexen und wachsenden Cannabismarkt in Deutschland erfolgreich positionieren wollen. Aleksandras Expertise liegt insbesondere in den Bereichen Vereinsrecht und Gesellschaftsrecht, sowie der Errichtung von profitablen (Investment)strukturen von Cannabis Clubs und Drittleistungsgesellschaften im Einklang mit dem Konsumcannabisgesetz (KCanG) um frühzeitig den Weg für eine erfolgreiche und rechtssichere Zukunft im Cannabismarkt ebnen. Die CLA Cannabis Law Academy ist eine digitale Wissensplattform für Personen, die Cannabis-Anbauvereinigungen gründen möchten oder bereits gegründet haben, sowie für Unternehmer:innen in der Cannabisbranche.
Disclaimer: Gastbeiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.