Cannabis Social Clubs in Spanien? “Vereinsmodell mit großer Rechtsunsicherheit”

Interview mit Francisco Azorín

by Moritz Förster

Eignet sich das spanische Cannabis-Social-Club-Modell als Alternative für die deutsche Bundesregierung – falls der jetzige Plan an der EU scheitert? Nicht ganz, findet der spanische Anwalt Francisco Anzorín. Produktion und Lieferketten seien zu wenig reguliert. Auch fehle den Betreibern der Cannabis Social Clubs ein verbindlicher Rechtsrahmen, auf den sie sich berufen können. Wenn schon Cannabis-Social-Club, dann mit verbindlichen, klaren regeln für alle Beteiligten und einem klar geregeltem Plan, wer anbauen darf und welche Qualitätsstandards gelten. Anzorín zählt auf der ICBC in Barcelona im März zu den Rednern.

krautinvest.de: Hallo Francisco. In Deutschland fragen sich alle, was passiert, wenn die Europäische Kommission das deutsche Gesetz zur Legalisierung von Cannabis für Erwachsene ablehnt. Wäre das spanische Social-Club-Modell eine gute Alternative?

Francisco Azorín: Das spanische Clubmodell ist lediglich ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Regulierung des medizinischen Cannabis und des Cannabis-Genussmittelmarktes. In Spanien gibt es viele Cannabis-Social-Clubs, kurz CSCs, deren Mitglieder, korrekte Praktiken anwenden, um Risiken zu mindern und Cannabis sicher zu konsumieren. Das wird in einigen Fällen von der Polizei und den Behörden toleriert, in anderen Fällen schreitet die Polizei allerdings ein und leitet Strafverfahren vor Gericht ein. In vielen Fällen liegt dies daran, dass diese Clubs die Nachbarschaft belästigen, dass sie zu viele Mitglieder haben oder dass die Mitglieder den Stoff mit nach Hause nehmen. In anderen Fällen sind die Eingriffe jedoch willkürlich und betreffen historische Clubs, die sich an die CSC-Leitlinien für bewährte Praktiken halten und trotzdem von der Polizei angegangen werden. Etwa im Fall von Alacannabis, einem Club aus Alicante mit mehr als 20 Jahren Erfahrung, der zwei Eingriffe erlebt hat. Das erste Verfahren wurde gerade mit einem Freispruch abgeschlossen, weil der Richter eingesehen hat, dass dieser Verein nicht wie andere Vereine arbeitet, die vom Obersten Gerichtshof verurteilt worden sind. Diesen Fall hat die Anwaltskanzlei Brotsanbert verteidigt, der auch ich angehöre.

krautinvest.de: Das Modell dient also eher nicht als Vorbild?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Vereinsmodell mit einer großen Rechtsunsicherheit behaftet ist. Es handelt sich um ein Modell, das vielerorts toleriert wurde und wird, während andere Clubs unter Eingriffen leiden und eines Verbrechens gegen die öffentliche Gesundheit beschuldigt werden. Für den Fall, dass die Europäische Kommission die Legalisierung von Cannabis in Deutschland ablehnt, könnte das CSC-Modell daher nur eine Option sein, solange es von Polizei, Regierung und Justizbehörden toleriert wird.

krautinvest.de: Ein wichtiges Ziel in Deutschland ist der Jugendschutz und der Schutz der Verbraucher. Wie stellen spanische Clubs sicher, dass Produkte nicht an Minderjährige verkauft werden und dass sie nicht kontaminiert sind?

Francisco Azorín: Der Weg, um sicherzustellen, dass keine Produkte an Minderjährige verkauft werden, besteht in einer Sensibilisierungskampagne der Behörden, an der auch die Dispensaries und die Drogenkonsumzentren beteiligt sind, sowie in Sanktionen gegen Dispensaries oder Drogenkonsumzentren, falls diese Minderjährigen Zutritt gestatten.

Um zu gewährleisten, dass die Erzeugnisse nicht kontaminiert sind, müssten die Betriebe eigentliche Analysen auf Toxine und Schwermetalle durchführen, die Behörden Betriebe inspizieren und kontrollieren, um stichprobenartig Cannabis-Proben anfordern und Sanktionen verhängen zu können, falls der Stoff nicht den in der Verordnung festgelegten Gesundheitsparametern entspricht. Das Problem ist jedoch, dass es in Spanien keine Regelung für CSC-Praktiken gibt, da die von Gebieten wie Katalonien oder Navarra verabschiedeten Gesetze vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt wurden. Dort ging man davon aus, dass die Zuständigkeit für die Regelung von CSCs beim spanischen Staat liegt.

krautinvest.de: Ist die Wertschöpfungskette geregelt? Produzieren die Social Clubs ihr eigenes Cannabis oder dürfen sie es auch anderswo beziehen?

Francisco Azorín: Es gibt kein Gesetz, das die Tätigkeit von CSCs regelt. Die CSCs werden nach der Rechtslehre eingerichtet, dass der gemeinsame Konsum einer Droge unter Erwachsenen und innerhalb eines geschlossenen Raumes keine Straftat darstellt. Daher können einige CSCs, die zu viele Personen einlassen und den Konsum außerhalb des Lokals erlauben, wegen Drogenhandels angeklagt werden. Sollten auch Minderjährigen Zutritt haben, wäre dies ein erschwerender Umstand und die zu verhängende Strafe würde zwischen drei und viereinhalb Jahren betragen. Hinzu kommt eine Strafe für das Begehen einer unerlaubten Vereinigung.

krautinvest.de: Welche Art von Unternehmen beteiligt sich an dem derzeitigen Modell vom Saatgut bis zum Verkauf im Club?

Francisco Azorín: Heute gibt es Saatgutbanken, die neues Cannabis-Saatgut erzeugen und es dann an Großhandelsunternehmen oder Grow-Shops verkaufen, also an Einrichtungen, in denen Samen und Werkzeuge für den Anbau von Cannabis verkauft werden. Wir haben auch Unternehmen, die CBD-Produkte herstellen und verkaufen, sowie CSCs, die ihr eigenes Cannabis anbauen oder es auf dem illegalen Markt kaufen. Obwohl es sinnvoll wäre, sein eigenes Produkt anzubauen und dafür zu sorgen, dass es den Gesundheitsnormen entspricht, wird der Anbau stark verfolgt. Viele Vereinigungen kaufen ihre Produkte daher auf dem illegalen Markt. Dies resultiert aus der unzureichenden Regulierung dieser Einrichtungen, die in einigen Fällen toleriert werden, in anderen jedoch nicht. In den Niederlanden ist dies zwar seit 1976 der Fall, weil die Niederländer auch eine Politik der Toleranz gegenüber dem Konsum auf der Grundlage des Opportunitätsprinzips im Strafrecht verfolgen, aber auch die Niederlande haben weder Produktion noch den Anbau von Cannabis reguliert, um nicht gegen die Verpflichtungen aus den internationalen Drogenkontrollkonventionen zu verstoßen.

krautinvest.de: Falls die Europäische Kommission Deutschland die vollständige Legalisierung von Cannabis für den Gebrauch durch Erwachsene erlaubt – wird Spanien dem “deutschen Weg” folgen?

Francisco Azorín: In Spanien warten alle Cannabiskonsumenten mit angehaltenem Atem darauf, dass die deutsche Regierung den Zugang zu Cannabis als Genussmittel regelt. Es scheint, dass die Behörden in vielen Staaten abwarten, was im deutschen Fall passiert, bevor sie Regulierungsmaßnahmen ergreifen. Wenn Deutschland und andere Staaten den Zugang zu Cannabis als Genussmittel regeln, gehe ich davon aus, dass auch Spanien diesen Schritt gehen wird. Allerdings finden Ende des Jahres in Spanien Wahlen statt, deren Ausgang sich auch auf die Regulierungsprozesse auswirken kann.

Über Francisco Azorín

Francisco Azorín, Rechtsanwalt in der Kanzlei Brotsanbert, ist spezialisiert auf Unternehmen in der Cannabis- und Psychedelika-Industrie und Fachanwalt für Drogenhandelsdelikte. Er verfügt über einen Master-Abschluss in Rechtswissenschaften und hat sich in seiner Master-Arbeit mit der Funktionsweise von CSCs und den betroffenen Grundrechten auseinandergesetzt. Francisco hat drei Sammelbände zu Fragen der Cannabisregulierung veröffentlicht. Er ist Mitglied des Technischen Rates der Beobachtungsstelle für den Cannabiskonsum, Berater der Psychonaut’s Guide Collection und Autor des juristischen Kapitels dieser Sammlung über den rechtlichen Status von psychedelischen Drogen in der Welt. Er hat an vielen Universitätskongressen über Cannabis und andere Substanzen teilgenommen. Er war 2018 bei der CND in Wien.

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