Anpassung MedCanG: Peter Homberg geht noch von signifikanten Änderungen des Referentenentwurfs aus

by Redaktion

Ein Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium hat die medizinische Cannabis-Industrie in Deutschland in Aufregung versetzt. Dieser sieht eine Anpassung des Medizinal-Cannabisgesetzes vor, durch die die Cannabis-Telemedizin drastisch eingeschränkt würde. Wie realistisch ist eine Verabschiedung solcher Anpassungen? Der auf Cannabis spezialisierte Anwalt Peter Homberg ordnet den aktuellen Entwurf ein.

krautinvest.de: Ein Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Gesundheit („BMG“) sieht unter anderem vor, dass Cannabis-Patient:innen mindestens einmal jährlich persönlich mit ihrem Arzt oder ihrer Ärzte sprechen müssen und dass Apotheken kein Medizinalcannabis mehr versenden dürfen. Wie realistisch ist es deines Erachtens, dass diese Anpassungen in die Tat umgesetzt werden?

Peter Homberg: Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Referentenentwurf in dieser Form verabschiedet wird. Aus meiner Sicht stellt er Maximalforderungen des BMG dar, die weit über das eigentliche Ziel hinausschießen. Aber es wird sicherlich die ein oder andere Änderung im MedCanG geben, um die aktuelle Verschreibungspraxis in die richtigen Bahnen zu lenken. Nicht aber in dem Ausmaß, wie es im Referentenentwurf vorgesehen ist. Denn dies hätte Auswirkungen auf die telemedizinische Behandlung per se und zweitens würde es die gesamte Versandapotheken-Praxis beenden. Beide Fälle wären zu drastisch, um das Problem in den gewünschten Rahmen zu lenken. Wir sollten nicht vergessen, dass man Patient:innen ausschließt, wenn man den Versandhandel beendet. So lässt es die Apothekendichte in Deutschland in vielen Regionen kaum zu, dass Patient:innen ohne Probleme die ärztlich verordneten Cannabis-Medikamente erhalten, insbesondere angesichts der extremen Fülle unterschiedlicher Sorten.

krautinvest.de: Was sind im Gesetzgebungsprozess die größten Hürden bis zu einer möglichen Verabschiedung?

Peter Homberg: Ich kann mir vorstellen, dass die SPD im Rahmen der Koalition recht deutlich darauf hinwirkt, dass dieses Gesetz so nicht umgesetzt wird. Schließlich sind die Inhalte kontraproduktiv zu dem, was sie als Regierung in der letzten Legislatur umgesetzt hat: eine flächendeckende Versorgung von Patienten mit qualitativ hochwertigen Cannabis-Produkten aus der Apotheke. Genau dies ist das Ziel des MedCanG gewesen: Die Hürden für Patient:innen einerseits und für Ärztinnen und Ärzte andererseits in der Breite deutlich zu senken. Der aktuelle Vorschlag trifft daher nicht nur die im Entwurf angesprochenen vermeintlichen ‘nicht-Patienten’, er trifft insbesondere auch die tatsächlichen Patienten. Das kann nicht Sinn und Zweck dieser Gesetzesänderung sein. Ich gehe daher noch von signifikanten Änderungen im Laufe des Gesetzgebungsprozesses aus.

krautinvest.de: Lassen sich die aktuell vorgesehenen Ausnahmeregeln für Medizinalcannabis verglichen mit anderen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln rechtlich überhaupt rechtfertigen?

Peter Homberg: Der unmittelbare Nachweis zwischen erhöhter Importmenge und vermeintlichen Anstieg der nicht-Patienten ist nicht geführt. Auch der überproportionale Anstieg der Selbstzahlenden belegt noch lange keinen Missbrauch. Medizinisches Cannabis hat in der Patienten-Versorgung über die Jahre seit der Legalisierung im Jahr 2017 einen hohen Stellenwert bekommen, insbesondere bei der Behandlung von chronischen Schmerzen. Nicht zu vergessen ist, dass die Therapie durch niedrigere Preise auch für Selbstzahlende deutlich erschwinglicher geworden ist.

Allerdings ist das MedCanG bereits ein Sondergesetz. Von daher ist es nachvollziehbar, dass es im Rahmen dieses Sondergesetzes auch Sonderregeln gibt.

krautinvest.de:  Wäre ein solcher Schritt das Aus für die Behandlung über Ärzte im EU-Ausland?

Peter Homberg: Dieses Änderungsgesetz wäre nicht das Aus für EU-Ärzte. Über Plattformen, die mit EU Ärztinnen und Ärzten arbeiten, könnten diese daher weiter Rezepte ausstellen. Schließlich sind EU-Ärzte nicht oder nur indirekt von Gesetzen betroffen, die in Deutschland gelten. Patient:innen könnte dieses Rezept auch weiterhin in Deutschland einlösen. Falls der Entwurf tatsächlich so verabschiedet werden sollte, was ich für unwahrscheinlich halte, dann allerdings nicht mehr bei einer Versandapotheke. Die Apotheken wären auch weiterhin verpflichtet, diese Rezepte einzulösen, solange sie alle Informationen nach der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln beinhalten.

krautinvest.de: Welche Alternativszenarien sind denkbar, auf die man sich im Laufe des Gesetzgebungsprozess noch einigen könnte?

Peter Homberg: Dass die Erstkonsultation tatsächlich in einem Gespräch erfolgen muss, sehe ich ebenfalls als richtig an. Ob dies aber ‘in Persona’ oder über eine telemedizinische Plattform erfolgen kann, sei dahingestellt. Aus meiner Sicht sollte beides möglich sein. Dass nur aufgrund eines Anamnesebogen Rezepte ausgestellt werden, ist zu Recht vom BMG hinterfragt worden. Beim Versand von medizinischem Cannabis kann ich mir nicht vorstellen, dass dieses Verbot tatsächlich in Kraft tritt. Es wäre komplett konträr auch zu den Bedürfnissen der Patient:innen nach einer gesicherten Versorgung mit pharmazeutischen Cannabis.

Über Peter Homberg

Peter Homberg zählt zu den erfahrensten Anwälten im Bereich Medizinalcannabis in Deutschland. Seit 2017 berät er führende internationale und deutsche Unternehmen, von Start-ups und mittelständischen Unternehmen bis hin zu börsennotierten Gesellschaften sowie national und international agierenden Unternehmensgruppen oder Investoren. Er hält regelmäßig Vorträge auf Seminaren und Konferenzen und ist Autor zahlreicher Fachartikel und anderer Publikationen zum Gesellschafts- oder IP-Recht in den Bereichen Life Sciences und medizinisches Cannabis.