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Was ist dran am Cannabis-Reinheitsgebot?

Was ist dran am Cannabis-Reinheitsgebot?

Der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) hat mit der Forderung nach einem “Cannabis-Reinheitsgebot” medial für Furore gesorgt. Auf den ersten Blick hinkt die Bier-Analogie allerdings. Denn das Reinheitsgebot definiert, welche Zutaten für die Herstellung von Bier verwendet werden dürfen. Zumindest bei Cannabis-Blüten handelt es sich dagegen um ein fast fertiges Naturprodukt. Alles also ein PR-Gaudi? Nicht ganz, denn auch die Cannabispflanze muss nach der Ernte gelagert und weiterverarbeitet werden, bevor Fachgeschäfte die Blüten verkaufen können.

Es geht daher um verbindliche Qualitätsstandards für den Anbaut, die Lagerung und die Weiterverarbeitung von legalen Cannabisblüten, die zukünftig in deutschen Fachgeschäften verkauft werden sollen. Während einige Akteure analog zum medizinischen Markt für strikte EU GMP und GACP-Kriterien plädieren, schlägt der BvCW einen anderen Weg vor.

Kern der Debatte: Neben dem Jugendschutz postuliert Karl Lauterbach den Gesundheitsschutz von Konsumenten als zweites Kernanliegen bei der Legalisierung von Cannabis als Genussmittel. Damit dies gelingt dürfen die Blüten allerdings nicht mit Pestiziden oder Schwermetallen belastet sein. Zudem sollten Konsument:innen wissen, was sie erwerben. Der Gehalt der Cannabinoide und Terpene über alle Blüten hinweg sollte daher stabil sein.

Für medizinische Cannabis-Blüten gelten neben den GACP-Kriterien für den Anbau auch die strengen EU-GMP-Kriterien für die Weiterverarbeitung und GDP-Kriterien für die Lieferkette. Da Cannabis-Blüten ein besonders beliebtes Ziel für Schimmel und andere Bakterien sind, werden viele medizinische Blüten radioaktiv bestrahlt. Auch für den Genussmittelmarkt wird gelten: Arbeiten die Unternehmen nicht sauber, leidet die Qualität der Blüten.

In Deutschland produzieren die drei vom BfArM beauftragten Produzenten allesamt Indoor medizinisches Cannabis. Die Anlagen gleichen Hochsicherheitstrakten, sind komplett abgeschottet und steril. Der Haken: Bis erstmalig in Deutschland geerntet wurde, hat es nach Inkrafttreten des Cannabis-als-Medizin-Gesetzes über vier Jahre gedauert. Selbst im ersten Halbjahr 2022 erreichten die drei Produzenten noch nicht die kumulierte Höchstmenge – wir sprechen dabei nicht von mindestens 400 Tonnen im Genussmittelmarkt, sondern von 2,6 Tonnen jährlich.

Die Bundesregierung hat im Eckpunktepapier vorgesehen, dass der Cannabis-Genussmittelmarkt ausschließlich durch heimische Produktion versorgt werden soll. Zugleich wird explizit ein Abgabepreis in den Fachgeschäften angestrebt, der konkurrenzfähig mit dem illegalen Markt ist – also nicht mehr als zehn Euro. Möglich sein soll, laut Bundesregierung, auch die Produktion im Glashaus.

EU GMP könnte die Produktionskosten steigern, zumal Indoor angesichts in Deutschland steigender Energiekosten. Außerdem könnte es dauern, bis heimische Produzenten tatsächlich mehrere hundert Tonnen Cannabis gemäß EU GMP produzieren. Zugleich stellt sich die Frage, ob für Konsument:innen die gleichen Kriterien gelten müssen wie für chronisch erkrankte Patient:innen, die oft täglich medizinisches Cannabis konsumieren müssen.

Genau an dieser Stelle kommt das in der Bier-Analogie etwas irreführende “Reinheitsgebot” vom BvCW ins Spiel: Es geht darum, zu definieren, welche Mindeststandards für anbauende und verarbeitende Unternehmen gelten. Dabei plädiert der BvCW im Anbau auch für GACP. Schließlich muss das Rad nicht neu erfunden werden. Im Podcast krautgeplauder hatten Dirk Heitepriem und Lisa Haag bereits gemahnt, dass alle neuen regulatorischen Vorgaben zu weiteren Verzögerungen führen können. Die kontrollierenden Beamten müssen schließlich einen Katalog mit Kriterien abhaken und Grenzwerte kennen, wenn sie Anlagen besichtigen und Produkte prüfen. Je mehr der Gesetzgeber aus bestehenden Richtlinien für andere Produkte übernehmen kann, desto weniger Zeit verstreicht, bis die Produktion anläuft. So die Logik.

Die entscheidende Frage wird daher lauten: Auf welchem Weg minimiert der Gesetzgeber die erforderlichen Ressourcen für alle Beteiligten und maximiert Qualität und Stabilität von Cannabis-Produkten?

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