Am ersten Juli starteten die Cannabis Clubs offiziell in Deutschland. Seitdem können die Anbauvereinigungen, Vereine oder Genossenschaften, Anträge bei den Behörden einreichen. Doch Behörde ist nicht gleich Behörde. Und Antrag nicht gleich Antrag. Das Cannabis-Gesetz ermöglicht den Ländern großen Spielraum. Entsprechend unterschiedlich kann abhängig vom Standort der administrative Aufwand sein. Wir blicken mit führenden Expertinnen und Experten auf die ersten Erfahrungen.
Die Bundesländer bestimmten unterschiedliche Behörden für die Bearbeitung der Anträge. In Berlin oder Hamburg sind beispielsweise die Bezirksämter für die Bearbeitung der Anträge zuständig, in Bayern das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und in Niedersachsen die Landwirtschaftskammer.
Dr. Marcus Geschwandtner, Managing Partner der unter anderem auf Cannabis-Themen spezialisierten Beratergesellschaft Grow Up Consulting, mahnt ganz grundsätzlich an, dass das Gesetz für jede Behörde und ihr Mitarbeiter neu sei. “Naturgemäß” habe jeder “seinen eigenen fachlichen Schwerpunkt und Blickwinkel auf die Themen und die Vorschriften”. Gemeinsamer Nenner der zuständigen Behörden, sei laut Jason Killing, Geschäftsführer von Canaru, “dass sie noch gar nicht bereit sind”. Die Stellen seien so kurzfristig besetzt, dass “dort noch niemand Entscheidungen treffen möchte oder kann”, so Killing, der die Bauvorhaben der Clubs unterstützt. Bei zehn Behördenvertretern gebe es zehn verschiedene Vorstellungen über Anbauvereinigungen in den Köpfen.
Heinrich Wieker, Bundesarbeitsgemeinschaft Cannabis Anbauvereinigungen (BCAv), fürchtet, dass “Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Gesundheit oder einfach Bürgerämter” völlig unterschiedlich vorgehen, spricht aber von “vielen Faktoren”. Beispielsweise die personelle Ausstattung und Vorbildung der Behörde, wer Dienstherr sei und wie die Landesregierung eingestellt sei. Auch Michael Lessig, Gründer von CSC Maps glaubt, dass unterschiedliche Behörden unterschiedliche Schwerpunkte gemäß ihren originären Zuständigkeiten setzen werden. Bezirksämter und Regierungspräsidien würden seines Erachtens in erster Linie Ordnungsrecht durchsetzen, während Gesundheitsbehörden einen verstärkten Fokus auf die Produktqualität und -sicherheit legen dürften. Die Landwirtschaftskammer in Niedersachsen werde, so seine Prognose, hingegen den Anbau besonders beleuchten. CSC Maps unterstützt insbesondere potenzielle Neumitglieder beim Finden eines geeigneten Clubs und berät beim Antrag.
Die Anwältin Olivia Ewenike schult als Mitgründerin der Lito Law Academy die Verantwortlichen der Cannabis-Clubs in allen rechtlichen Fragen. Sie geht davon aus, dass die Wahl der zuständigen Behörde darauf hinweisen kann, “mit welcher Einstellung das jeweilige Bundesland der Legalisierung von Cannabis und dem Ermöglichen von Cannabis Clubs gegenüber steht”. So hätten einige Bundesländer Behörden gewählt, “die vorwiegend eine Aufsichts,- Überwachungs,- und Kontrollfunktion ausüben sollen”. Laut Ewenike zeichne sich bereits jetzt durch den Umfang der geforderten Antragsformulare ab, “dass Cannabis Clubs in einigen Bundesländern schwerere Voraussetzungen haben werden”. Ihr Tipp: “Cannabis Clubs sollten sich deshalb im Vorfeld über die örtlichen Gegebenheiten informieren und gegebenenfalls eine strategische Verlagerung des Vorhabens in Erwägung ziehen.”
Welche Länder sind restriktiver?
Wieker geht davon aus, dass die nächsten Monate zeigen werden, “wie es in der Praxis aussieht”. Aktuell würden die “üblichen Verdächtigen” sich besonders kritisch äußern. Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg. Wieker mahnt auch an, dass “das Vorgehen der Antragsteller” Einfluss auf die Strenge des Vorgehens haben könne. Geschwandtner verweist allerdings drauf, dass ein strenges Vorgehen natürlich “nicht zu unzulässigen Überspannungen einheitlicher gesetzlicher Anforderungen, zu fehlerhaften Ermessensentscheidungen oder gar zu Willkür führen” dürfe. Die Verwaltungen seien schließlich an Recht und Gesetz gebunden.
Dass CanG, kritisiert Ewenike, lässt den Bundesländern aber Spielraum, zusätzliche Angaben und Nachweise anzufordern. Dieses “Einfallstor” – O-Ton der Anwältin – ermögliche den jeweiligen Landesbehörden, im eigenen Ermessen zusätzlich einzureichende Angaben und Nachweise fordern zu können. In Bundesländern wie Baden-Württemberg, Bayern und Schleswig-Holstein würden einige weitere Informationen und Konzepte zu der Ausgestaltung des Cannabis-Anbaus zum Erhalt der Anbauerlaubnis gefordert, beispielsweise ein Probenentnahmekonzept zur Qualitätsicherung, ein Vernichtungskonzept oder ein Konzept bei dem Rückruf von Cannabis. Es stelle sich “die Frage der Verhältnismäßigkeit der Forderung solcher überschießenden Compliance-Maßnahmen”, kritisiert die Anwältin. Zudem hätten Bayern und das Saarland bereits eine restriktive Beurteilung angekündigt und würden den Anbauvereinigungen “entgegen dem Willen des Bundesgesetzgebers möglichst viele Stolpersteine in den Weg legen”. Lessig geht bereits davon aus, dass es in Zukunft noch die bayerischen Verwaltungsgerichte beschäftigen werde, “wenn die Ablehnung von Erlaubnisanträgen zum Regelfall wird”. Er sieht auch in Sachsen hohe Hürden. In Mecklenburg-Vorpommern sei zudem bis zum 1. Juli noch nicht einmal die Möglichkeit geschaffen worden, überhaupt einen Antrag einzureichen.
Full-Service-Dienstleister und Grow-Hubs
Full-Service-Modelle sind laut Lessig seit der Gesetzesanpassung gänzlich vom Tisch. Bezüglich möglicher Grow Hubs würden die bisher veröffentlichten Verordnungen “nichts” zu dem Thema aussagen. Lessig weiter: “Der kleinteilige Anbau – also nur ein Club für eine Anbaufläche – macht ordnungsrechtlich, ökologisch und wirtschaftlich einfach wenig Sinn. Wir sind gespannt, welches Bundesland da aus der Reserve kommt.”
Immerhin dürften sich laut Geschwandtner ganz grundsätzlich mehrere Anbauvereinigungen mit ihren Anbauflächen oder ihrem befriedeten Besitztum am selben Ort oder im selben Objekt ansiedeln und dort jeweils räumlich getrennt durch die Mitglieder Cannabisanbau betreiben. Der Haken an der Sache: “Dies darf aber die zuständige Behörde im Einzelfall untersagen, damit möglichst ‘nicht eine Vielzahl von Anbauvereinigungen oder Anbauflächen’ am selben Ort oder im selben Objekt betreiben”, so Geschwandtner.
Niedersachsen hätte laut Ewenike zunächst einen Vorstoß hinsichtlich der Zulässigkeit von Grow-Hubs gewagt, diese Aussage kurz danach aber wieder verneint. Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein würden zudem bereits in dem Erlaubnisantrag eine Auflistung der Dienstleister und der Tätigkeiten fordern. Und Bayern, so Ewenike, habe vorgesehen, dass bei “Vorliegen eines baulichem Verbunds von Anbauflächen in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex bzw. in unmittelbarer räumlicher Nähe zusätzliche Angaben und Entfernungen zwischen den Anbauvereinigungen angegeben werden müssen”. Beim Thema Grow Hubs empfiehlt die Mitgründerin der Lito Law Academy, frühzeitig mit den Behörden in Austausch zu treten. Unmöglich sind diese anscheinend nicht. “Wir haben in der Begleitung solcher Vorhaben bereits überraschend positive Rückmeldungen von Behörden erhalten”, berichtet sie. In Sachen Grow Hubs hofft Wieker, dass sich auch Brandenburg dazu durchringen könne. Entscheidend sei nun eine gute Kommunikation mit den Behörden. Der BCAv-Koordinator verspricht: “Wir sind dran!”
Das Fazit zum Start
Lessig spricht von einem “holprigen” Start. Berlin habe es “zeitlich nicht geschafft, eine zuständige Landesbehörde zu benennen, und hastig die Bezirksämter vorgeschoben”. Mecklenburg-Vorpommern habe noch gar nichts veröffentlicht. In vielen Ländern sei die Informationslage “eher dünn” und es werde auf Unklarheiten aufgrund der neuen Rechtslage verwiesen. Lessig befürchtet “Chaos” und einen “Fleckenteppich aus unterschiedlichen Länderregeln.” Laut Wieker warten die meisten Clubs “noch auf ihren Registereintrag”. Immerhin hätten die meisten Behörden kommuniziert, gut vorbereitet zu sein. Ewenike verweist auf ein “unterschiedliches das Meinungsbild im Zusammenhang mit Cannabis Clubs in Deutschland”. Wer mit landwirtschaftlichen Behörden zusammen arbeite, könne profitieren. Diese würden schließlich bereits über Erfahrung mit der Erteilung von Genehmigungen, Risikoanalysen sowie digitaler Kontrolle und Vor-Ort-Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben etwa in den Bereichen Düngerecht und Pflanzenschutz besitzen. So oder so, sei aber immerhin ein Paradigmenwechsel eingeleitet worden. Den Behörden bliebe nun nichts anderes übrig, sich mit dem Thema zu befassen. Auch Geschwandtner sieht die Anfangsphase nicht so kritisch. Für eine rechtmäßige Anwendung des komplexen Regelwerks müsse dies nun in den Ländern personell und inhaltlich im Detail abgestimmt und organisiert werden.
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