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Sichere Versorgung mit Medizinalcannabis – Anwalt Jürgen Scholz sieht noch viel Potenzial

Sichere Versorgung mit Medizinalcannabis - Anwalt Jürgen Scholz sieht noch viel Potenzial

(Anzeige) – Steigende Patientenzahlen, immer mehr Sorten und höhere Importmengen – auf den ersten Blick scheint sich medizinisches Cannabis in Deutschland prächtig zu entwickeln. Doch der Blick täuscht: Jürgen Scholz sieht im Antragsverfahren erhebliche Schwächen. Der Rechtsanwalt kritisiert die begründete Einschätzung des Vertragsarztes, den Genehmigungsvorbehalt der Kassen und warnt vor Regressansprüchen. Außerdem bezeichnet Scholz die Urteile der Landessozialgerichte als patientenunfreundlich. Im Interview mit krautinvest.de verrät er, was sich bessern sollte – und was die Industrie zu einer sichereren Versorgung beitragen kann. Ein kleiner Vorgeschmack auf seinen Vortrag auf dem 2. Medicinal Cannabis Congress.

krautinvest.de: Herr Scholz, Sie befassen sich seit langem mit medizinischem Cannabis. Wie hat sich Cannabis als Medizin in den letzten Jahren in Deutschland, insbesondere seit der Gesetzgebung im März 2017 entwickelt? Gab es seither wesentliche Verbesserungen?

Jürgen Scholz: Positiv an der Entwicklung ist, dass es 2017 überhaupt zu einer Gesetzesänderung kam, die es Patienten ermöglicht, eine Kostenübernahme für eine Therapie mit Cannabis zu erhalten. Das Antragsverfahren leidet jedoch an erheblichen Schwächen. Der Patient benötigt die sogenannte „begründete Einschätzung“ eines Vertragsarztes. Daran hapert es oft schon. Zudem gibt es den Genehmigungsvorbehalt der Kassen. Das heißt, abweichend vom Regelfall reicht die ärztliche Verordnung nicht aus, die Kasse muss genehmigen. Also, wesentliche Verbesserungen gab es seit der Gesetzesänderung 2017 nicht.

krautinvest.de: Wo sehen Sie aktuell die größten Hürden für Ärzte? Wo für Patienten?

Jürgen Scholz: Das größte Hindernis für die Ärzte ist sicherlich die Stellungnahme zum Antrag selbst. Es muss sich hieraus eine „begründete Einschätzung“ ergeben, die an bestimmte inhaltliche Mindestanforderungen geknüpft ist. Hinzu kommt das ärztliche Regressrisiko gegenüber den Kassen, welches ich aber nicht einschätzen kann. Das größte Hindernis für die Patienten ist, überhaupt einen Arzt zu finden, der sie unterstützt und sich idealerweise damit auskennt. Da müssen einige schon weit reisen.

krautinvest.de: Inwieweit sind Patienten:innen in Deutschland auch weiterhin und trotz der Regelungen vom Schwarzmarkt abhängig? Was müsste passieren um das zu ändern?

Jürgen Scholz: Etwa vierzig Prozent aller Anträge auf Kostenübernahme einer Cannabistherapie werden von den Kassen bundesweit abgelehnt. Die hiervon betroffenen Menschen versorgen sich natürlich illegal mit Cannabis, machen sich also strafbar; für Privatrezepte fehlt ihnen in der Regel das Geld. Und da reden wir nur von denjenigen, die überhaupt einen Antrag gestellt haben. Viele haben Hemmungen, das Thema an ihren Arzt heranzutragen, oder wissen schlicht nichts über diese Therapiemöglichkeit. Was passieren müsste? Der Gesetzesvorbehalt der Kassen muss unbedingt fallen und Cannabis müsste aus den Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz gestrichen werden. Das ist mehr als überfällig, die jetzige Regelung ist absurd und verfassungswidrig.

krautinvest.de: Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Gerichte und Gerichtsurteile, die von Patienten erstritten werden? Beispielsweise das des Landessozialgerichts Hamburg am 2.4.2019 (L 1 KR 16/19 B ER) 

Jürgen Scholz: Die Gerichte, insbesondere am Ende das Bundessozialgericht – oder gar das Bundesverfassungsgericht –, spielen eine sehr große Rolle. Gesetzesänderungen erfolgen in Deutschland entweder auf Grund politischer Initiative oder eben auf Grund von Gerichtsentscheidungen. Bislang ist mir jedoch keine Entscheidung des Bundessozialgerichts bekannt, die auf der seit 2017 geltenden Rechtslage fußt. Die Mühlen Justizias mahlen langsam. Bedauerlich ist, dass einige Landessozialgerichte sehr patientenunfreundliche Urteile fällen, die den Willen des Gesetzgebers aus meiner Sicht nicht richtig wiedergeben. Eine Ablehnung soll nur in begründeten Einzelfällen erfolgen. Davon kann im Moment bei 40 Prozent Ablehnung keine Rede sein. Aber einige Sozialgerichte stellen sich erfreulicherweise gegen diese obergerichtliche Rechtsprechung.

krautinvest.de: Was kann die Industrie (Hersteller und Großhändler) tun um den Zugang zu Cannabis als Medizin für Patienten zu sichern?

Jürgen Scholz: Die gesetzlichen Krankenkassen benötigen für eine positive Entscheidung über einen Antrag auf Kostenübernahme idealerweise eine sogenannte wissenschaftliche Evidenz. Hiermit gemeint sind klinische Studien, die belegen, dass Cannabis bei dem jeweiligen Krankheitsbild hilft. Das heißt wiederum, wir brauchen Studien und deren Ergebnisse. Diese Studien werden zum ganz großen Teil von Pharmakonzernen in Auftrag gegeben und finanziert. Die Pharmaunternehmen können also dadurch helfen, dass sie entsprechende Studien in Auftrag geben; die Datenlage ist hier übersichtlich. Zudem geht es auch hier natürlich um Lobbyismus. Wenn große Pharmaunternehmen vermehrt auf Cannabisprodukte setzen und dies kommunizieren, hilft das der Akzeptanz der Pflanze mehr als alles Andere. Dann zieht die Politik ohne Murren mit.   

Jürgen Scholz spricht am Samstag, den 05. Juni 2021 um 09:45 Uhr auf dem 2. Medicinal Cannabis Congress 2021. Da Thema: “Administrative Hürden für Arzt und Patient”

Über Jürgen Scholz:
Jürgen Scholz ist im Jahr 1966 geboren und seit 1998 als Rechtsanwalt tätig. Er hat in Hannover und Rouen (Frankreich) Rechtswissenschaften studiert und seinen Master of European Law (MLE) erlangt. Unter anderem ist Jürgen Scholz Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Sprecher von LEAP (Law Enforcement against Prohibition) Deutschland und Mitglied im ACM (Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin) e. V.

Transparenzhinweis: Dieser Artikel ist als Anzeigeninhalt Teil einer Medienpartnerschaft des 2. Medicinal Cannabis Congress 2021 mit krautinvest.de. Unsere Leser erhalten 5 % Rabatt auf die Standardgebühr über den eingebetteten Link. Trage Dich auch in unseren krautinvest-Newsletter ein (direkt auf unserer Website) – wir informieren Dich über aktuelle Events und Rabattcodes.

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