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Konsequente Konsumentbedürfnisorientierung! Über Apotheken?

Heyday holt Tim Hansen - eigene Produktlinie im Fokus

Tim Hansen (links) mit Stephan Kramer

Eine Sicht auf den behutsamen und nachhaltigen Weg in die Legalisierung.

Ein Gastbeitrag von Stephan Kramer

Dass die Legalisierung nicht mit einem riesen Knall kommen wird, kann und darf, müsste allen Akteuren klar sein. Der Weg dorthin ist rechtlich, operativ und auch gesellschaftlich sehr aufwändig. Wir sollten also realistisch bleiben.

Schauen wir uns die bisherigen Schritte hin zur legalen Nutzung von Cannabis an, dann können wir die medizinische Verwendung als ersten Schritt, hin zu einer “Resozialisierung” der Cannabis-Pflanze beschreiben. Dieser richtige und behutsame Einstieg über die strikt geregelte medizinische Nutzung ist wichtig. Die nächsten Schritte wollen aber nicht weniger behutsam sein, um eine Legalisierung langfristig erfolgreich zu gestalten.

Situation

Der Schutz von vulnerablen Gruppen, eine einheitliche Qualitätskontrolle zum Schutze der Konsumenten, bei gleichzeitigem Trockenlegen des Schwarzmarktes, auf den der Staat keinen Fiskalzugriff hat; diesen Argumenten für eine Legalisierung steht eine breite gesellschaftliche Mehrheit offen gegenüber. Die Argumente für eine Legalisierung liegen längst alle auf der Hand. Chancen und Risiken werden in den Medien rauf und runter diskutiert. Es gibt Länder wie Kanada, die USA oder Uruguay, die es uns mehr oder weniger gut vormachen. Neues gibt es also nicht viel.

Operativ umkämpft ist jedoch die Frage, wie denn nun die Lücke zwischen der Legalisierungsabsicht (“dem Koalitionsvertrag der Ampelregierung”) und der Umsetzung geschlossen werden kann.
Hierzu sind die Ansichten und Umsetzungsideen beinah diametral zueinander. Das geht von den prohibitiven Ansätzen a la “Cannabis ist eine Droge, also müssen wir die Legalisierung möglichst unattraktiv gestalten” bis hin zu einem legalisiert-unregulierten Markt, der wissentlich gegen supranationale Gesetze verstößt und möglichst geringe Regulative beinhaltet.

Meiner Meinung nach funktioniert die sinnvolle Legalisierung nur durch eine konsequente Orientierung der Konsumentenbedürfnisse, nicht über eine radikal-prohibitive Präventionspolitik. Aber wie sollte der Weg dorthin vollzogen werden?

Denn wenn der Schwarzmarkt durch eine Legalisierung mittelfristig ausgetrocknet werden soll, dann muss die Gesetzgeberin die Legalisierung konsequent an den Vorstellungen und Wünschen der Verbraucher- bzw. Konsumenten ausrichten. Diese Bedürfnisse und Wünsche können in 4 Segmenten strukturiert werden.

1. Produktqualität
2. Produktverfügbarkeit
3. Produktvielfalt
4. Produktpreis

Genau diese Bedürfnisse müssen in den Legalisierungsstrukturen eine wichtige Rolle einnehmen, ansonsten bleibt es bei einer prohibitiven Legalisierung, die zur Folge hat, dass die Bedürfnisse weiterhin im unregulierten Schwarzmarkt befriedigt werden.

Der Weg in die legalisierte Cannabiswelt – Stufenweise Strukturierung

Die Synthese von striktem Jugend- und Verbraucherschutz sowie Konsumenten-, bzw. Patienteninteressen muss in einer weiteren Legalisierung konsumentenbedürfnisorientiert angestrebt werden.

Daher: Keine Legalisierung ohne eine einwandfreie und strikt kontrollierbare Wertschöpfungs- bzw. Lieferkette in Anlehnung an der bestehenden medizinischen Struktur.

Trickreich sind die Fragen, wer an die Konsumwilligen abgeben darf, welche Anforderungen ein solcher Abgabemechanismus erfüllen muss, wer die abgebenden Stellen kontrolliert, woher man die Ware bekommt, welche Preise im Markt kursieren …

Die Probleme bei der medizinischen Cannabisabgabe sind politisch hausgemacht und können auch nur durch die Politik geheilt werden. Analysiert man allerdings die derzeit bestehenden medizinische Produktions- und Lieferkette hin bis zu den Patienten, kann man für eine gerade einmal fünf Jahre alte Industrie durchaus anerkennen, dass viele Dinge bereits sehr gut laufen.

Bereits ca. 15% der öffentlichen Apotheken versorgen die Patienten regelmäßig mit mehreren Tonnen Medizinalcannabis der verschiedensten Produkte jährlich. Und das sind nicht ausschließlich die bekannten Cannabis-Pionierapotheken.

Voilà- hier gibt es also eine bereits existierende und funktionierende Abgabestruktur für Cannabis. Apotheker und Apothekerinnen mögen argumentieren, dass sie ihr Geschäftsmodell nicht verwässern wollen und durch eine Abgabe von Cannabis in die Drogenecke gedrängt werden könnten. Denn: “Der gesetzliche Auftrag der Apotheke ist es, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Das heißt, der Apotheker / die Apothekerin muss die Arzneimittel beschaffen, ordnungsgemäß lagern und dann an die Patienten bzw. Kunden abgeben.” Und hier steht es klipp und klar: die Bevölkerung mit Arzneimitteln versorgen.

Die Frage ist also: Muss Cannabis zwingend als Genussmittel kategorisiert werden? Ich meine NEIN. Ein Arzneimittel, das über Apotheken verschreibungsfrei abgegeben werden darf, kennen wir bereits zu Haufe (Ibuprofen!). Dieses Cannabis-als-Arzneimittel-Konzept würde übrigens auch den supranationalen Gesetzeskonflikt von Cannabis als Genussmittel abfangen.
Die Bedürfnisse der oben genannten Segmente Produktqualität, -verfügbarkeit und -vielfalt könnten also schon jetzt weitestgehend mit der bestehenden Struktur befriedigt werden. Der Status als Rezepturarzneimittel mit all seinen Prüfprozessen würde jedoch den Produktpreis prohibitiv teuer machen und so bereits den Einstieg in die Legalisierung scheitern lassen. Hier muss also nachreguliert werden.

Es geht sich bei der Frage, ob Apotheken Cannabis verkaufen sollen, übrigens nicht um die Diskussion, ob die Apotheken in erster Linie geeignet sind um mit den Coffeeshops der Niederlande oder den Dispensaries in den USA gleichzuziehen. Auch, wenn dieses Argument oft mit den Konsumentenbedürfnissen einhergeht. Die Frage, ob eine Apotheke für ein stufenweises Legalisierungskonzept dienlich sein kann, richtet sich strikt an den Bedürfnissen der ganzen Gesellschaft und zwar hin zu einer langfristig umsichtigen und konsumentenbedürfnisorientierten Legalisierung. Würde die Legalisierung mit einem Coffeeshop-Modell starten, wäre schnell klar, dass die Gesetzgeberin strikte Regulierungskonzepte fordern müsste und die ersehnten Coffeeshops würden regelrecht an dem Regulierungsniveau einer Apotheke angepasst werden. Dann doch lieber den Weg anders herum einschlagen.

Vielleicht ist die Abgabe als Arzneimittel über die Apotheken also das behutsame Austarieren zwischen Konsumentenbedürfnis und der Einführung einer Legalisierung.

Zum Argument einer stufenweisen Legalisierung über die Apotheken kommt noch folgendes. Schaue ich in den Koalitionsvertrag, dann werde ich hellhörig bei dem Satz: “Das Gesetz evaluieren wir nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen”. Man behält sich also in der Hinterhand, die Legalisierung auch anzupassen, oder sogar zu revidieren.
Das nachträgliche Nachjustieren wird viel größere Aufregung verursachen und unter Umständen auch Schaden anrichten, als ein behutsamer Einstieg über eine Apothekenabgabe Struktur.

Die Apotheke würde also einen wichtigen Beitrag zur schnellen, aber eben auch nachhaltigen Legalisierung beitragen. Eine bisher wenig diskutierte Frage, nämlich wer lizenzierte Abgabestellen kontrolliert, wäre damit auch geklärt.
Was aber klar sein muss, die Befriedigung der Konsumentenbedürfnisse muss mittelfristig auch über lizensierte Abgabestellen organisiert werden dürfen. Nicht auszuschließen, dass die ein oder andere Apotheke ja einen neuen Geschäftszweig für sich erschließt und sich in Richtung einer Cannabis-Abgabestelle entwickelt. Erfolgreiche Beispiele, die jetzt schon einen erheblichen Beitrag leisten, sehen wir ja bereits.

Über den Autor

Stephan Kramer ist Gründer und Geschäftsführer der Heyday AG. Nach Stationen in der Finanzindustrie hat er an der WHU seinen MBA absolviert. Bevor er 2017 in die Cannabis Industrie eingetaucht ist, schrieb er seine Recherchen rund um Cannabis in dem Buch Herba non grata nieder. Als pharmazeutisches Unternehmen ist die Heyday im Aufbau von Produktionen in der EU, der Beschaffung, Lagerung und der Abgabe von Cannabis aktiv. Heyday sieht sich als kritischer Pharmainfrastrukturdienstleister und unterhält exklusive Beschaffungswege in der EU. Das Unternehmen betätigt sich umfassend im wissenschaftlichen Segment und möchte so die Akzeptanz für Cannabis schnellstmöglich und nachhaltig auch in der breiten Bevölkerung erhöhen.

Disclaimer: Gastbeiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

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