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Juicy Fields: Wie konnte es so weit kommen?

Juicy Fields: Wie konnte es so weit kommen?

Juicy Fields ist ein Scam. Systematisch haben die Gründer und Führungskräfte hinter dem Firmenkonstrukt Kleinanleger abgezockt. Für Brancheninsider kommen die aktuellen Schlagzeilen wenig überraschend. Zu kitschig war die Geschichte mit der eigenen Cannabis-Pflanze, zu unkontrolliert das Geldeintreiben per Krypto via Social-Media – und das Ganze in einem an sich streng regulierten Markt. Wie konnte es soweit kommen und was kann die Branche lernen? Ein selbstkritischer Blick zurück und voraus.

Juicy Fields hat der europäischen Cannabis-Industrie einen Bärendienst erwiesen. So viel steht fest. Das Image einer ganzen Branche ist in Mitleidenschaft gezogen. Die großen Tagesmedien berichten von Goldgräberstimmung. Cannabis-Unternehmer:innen, so die mediale Botschaft, die in den Köpfen hängen bleibt, geht es nicht um Gesundheit, innovative und sichere Produkte, ihnen geht es nicht um mehr Gerechtigkeit. Profitmaximierung ganz gleich auf welchem Wege und auf wessen Kosten, das einzige, was zählt. Juicy Fields hat Kleinanlegern skrupellos das mühsam Ersparte aus der Tasche gezogen – wohlwissend, dass das ganze Kartenhaus früher oder später zusammenbricht. Ein Schneeballsystem aus dem Bilderbuch. Cannabis war Mittel zum Zweck. Social-Media-tauglich, wie gemacht für kurzlebiges Storytelling mit Likes, Shares, Clips und Visuals.

Eigentlich hätte klar sein müssen, dass die ganze Geschichte mit der eigenen Pflanze an den Haaren herbei gezogen ist. Wie soll das angesichts der strengen Vorgaben für EU GMP zertifizierte Produktionsstätten funktionieren? Angesichts strikter Import-Export-Bestimmungen? Wie sollen Privatanleger die Vor- und Nachteile medizinischer Cannabisblüten verstehen? Wissen, welche Blüte wie stark nachgefragt ist? Das ganze Modell ist Quatsch.

Aber: Absurd wäre es auch, eine gesamte Branche unter Generalverdacht zu stellen. Um so mehr stellen sich die Fragen: Wie konnte es überhaupt soweit kommen? Und was sollte passieren?

Zu viele Unternehmer:innen denken an ihre eigenen kurzfristigen monetären Interessen

Man kann kann nicht unbedingt eine komplette Due-Diligence erwarten von jedem Kunden, mit dem man als Dienstleister zusammen arbeitet. Aber bei Juicy Fields haben zu viele Cannabis-Unternehmer:innen weggeschaut, um ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Spieltheoretisch nachvollziehbar: Die Erlöse bleiben beim eigenen Unternehmen hängen, der Imageschaden trifft eher alle Unternehmen der gesamten Industrie. Nicht zu vergessen, dass Juicy Fields zu einem Zeitpunkt den Markt betreten hat, als ein intensiver Wettbewerb die Margen für immer mehr Marktteilnehmer drückte. Gerade in schwierigen Zeiten ist es naheliegend, nicht allzu genau hinzuschauen, wenn ein zusätzliches Geschäft lockt.

Die anstehende Legalisierung wird weitere Scharlatane auf den Plan rufen. Seriös wirtschaftende Cannabis-Unternehmer:innen sollten sich moralisch verpflichtet fühlen, mit diesen keinerlei Geschäfte zu machen. Ganz im Gegenteil: Sie sollten den Mut haben, rechtzeitig zu mahnen und zu warnen, wenn abgebrühte Abzocker Privatpersonen online das Ersparte aus der Tasche ziehen.

Medien haben versagt

Es gibt nicht viele Journalist:innen, die bereits mit den Facetten der Cannabis-Industrie vertraut sind. Und eine Recherche zum Firmenkonstrukt von Juicy Fields zu einem frühen Zeitpunkt hätte Zeit und Geld erfordert, zumal sich das Unternehmen sicherlich versucht hätte, sich auf dem Rechtsweg zu wehren. Trotzdem kann dies nicht als Ausrede gelten: Die etlichen Journalist:innen, die tagtäglich Tipps für Kleinanleger geben, hätten hellhörig werden müssen. Und als Branchenmedium hätte auch krautinvest.de frühzeitig auf die Abzockmasche aufmerksam machen müssen. Diesen Schuh müssen wir uns rückblickend leider anziehen.

Zukünftig werden wir kritischer und genauer hinschauen. Gleiches wird sicherlich auch für viele andere Journalisten gelten, sobald es um potenzielle Cannabis-Investments geht.

Die Aufsichtsbehörden haben zu spät reagiert

Juicy Fields hat zu lange mit fadenscheinigen Versprechen ohne jegliches Prospekt Gelder eingeworben, ohne sich an regulatorische Mindeststandards zu halten. 500.000 Menschen sollen am Ende ihrer Einlagen verloren haben. Immerhin wurde die deutsche Gesellschaft 2020 gegründet. Ein zügiges Einschreiten der Behörden hätte den Schaden begrenzen können.

Cannabis-Unternehmen stehen nun hoffentlich auf dem Radar der Aufseher. Diese wiederum sollten sich für Warnhinweise etablierter Cannabis-Unternehmen öffnen. Ganz grundsätzlich braucht es mehr Cannabis spezifisches Wissen in den Behörden.

Crowdinvesting und Cannabis passen nicht zusammen

Angesichts der hoch-regulierten pharmazeutischen Industrie fällt es Kleinanlegern schwer, seriöse Geschäftsmodelle von haltlosen Ankündigungen zu unterscheiden. Auch der Genussmittelmarkt birgt viele Risiken und Unwägbarkeiten. Je höher die Komplexität, umso wichtiger sind professionelle Wagniskapitalgeber. In Europa fehlt es an VCs, die sich auf Cannabis spezialisiert haben. Viele Term Sheets untersagen solche Investments gänzlich. Bleibt zu hoffen, dass sich dies angesichts der hierzulande anstehenden Legalisierung von Cannabis als Genussmittel in Deutschland ändert und dass die bereits investierten Cannabis-VCs aus den USA sich weitere Expertise über die regulatorischen Rahmenbedingungen in Europa aneignen. Wir brauchen mehr professionelle Investoren, die in Due-Diligence Prozessen die richtigen Fragen stellen. Ungeachtet dessen bleibt es spannend, wie sich die geplatzte Juicy-Fields-Blase auf die Kurse börsennotierter Cannabis-Unternehmen auswirkt und inwiefern dies auch zukünftige IPOs erschwert.

Gerade jetzt brauchen wir umso mehr CEOs, die sich nicht darum scheuen, auf die vielen Fragezeichen im Markt hinzuweisen. Wer, um Kurse und Bewertungen nach oben zu treiben, nun waghalsige Prognosen hinausposaunt, wird scheitern.

Viele Cannabis-Unternehmer:innen und Führungskräfte investieren seit Jahren Zeit und Energie, um Patient:innen mit medizinischen Cannabis-Produkten zu versorgen, um mehr Wissen zur Cannabinoid basierten Therapie zu generieren, um innovative Cannabis-Produkte zu entwickeln oder um den Wandel im Genussmittelmarkt zu fördern. krautinvest.de. fungiert seit 2017 als ein Medium für Debatte, Dialog und Information. Wir alle können uns nicht aus unserer Verantwortung stehlen: Kritischer hinzublicken, welche Geschäftsmodelle tatsächlich Mehrwert für Patient:innen und Konsument:innen bieten – und wer nur auf den schnellen Euro aus ist.

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