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Ist das CSU-Gutachten lückenhaft? Der Check mit Alfredo Pascual.

Die CSU kritisiert basierend auf einem Gutachten die geplante Cannabis-Legalisierung der Ampel-Koalition scharf. Doch hat sich im Gutachten von Professor Bernhard Wegener, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Europarecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, in der Argumentationskette ein Fehlerteufel eingeschlichen? Alfredo Pascual verweist darauf, dass die EU 1990 mit einer begrenzten ‘Handlungsbefugnis’ dem UN-Übereinkommen von 1988 beigetreten ist. Das könnte erhebliche Auswirkungen auf die Optionen der Bundesregierung haben. Inwiefern gilt das gesamte Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen von 1988 für die EU als Vertragspartei?

Doch der Reihe nach: Was steht im aktuell diskutierten CSU-Gutachten über das UN-Abkommen von 1988?

“Die zentrale Verbotsnorm des IT 1988 ist dessen umfangreicher Artikel 3, der die Vertragsparteien zur Schaffung eines umfassenden Straf- und Sanktionenregimes verpflichtet. Zu pönalisieren sind danach alle erdenklichen Taten, die Teil des illegalen Verkehrs mit Suchtmitteln sind. So sind nach Artikel 3 Absatz 1a i) IT 1988 in enger Anlehnung an die entsprechenden Bestimmungen der SC 1961 „das Gewinnen, Herstellen, Ausziehen, Zubereiten, Anbieten, Feilhalten, Verteilen, Verkaufen, Liefern – gleichviel zu welchen Bedingungen –, Vermitteln, Versenden – auch im Transit –, Befördern, Einführen oder Ausführen eines Suchtstoffs oder psychotropen Stoffes entgegen dem Übereinkommen von 1961“ unter Strafe zu stellen.”

Wie ordnet das Gutachten die Beziehung der EU zur UN ein?

“Die von der Bundesregierung geplante umfassende Cannabis-Legalisierung ließe sich völkerrechtskonform allein im Wege einer (Änderungs-) Kündigung der UN-Übereinkommen zur Drogenbekämpfung umsetzen. Dieser rechtlich und rechtspolitisch anspruchsvolle Weg wird dadurch weiter erschwert, dass auch die Europäische Union als solche Vertragspartei eines der zentralen UN-Übereinkommen zur Drogenbekämpfung ist. Auch die Europäische Union als solche müsste deshalb von Deutschland zu einer entsprechenden (Änderungs-) Kündigung bewegt werden.”

Um es kurz zu machen: Der einst im gescheiterten Cannabis-Kontrollgesetz der Grünen präferierte Ansatz, analog zu Bolivien im Falle der Koka-Blätter, aus dem Einheitsbakommen von 1961 aus- und wieder einzutreten, funktioniere im Falle Deutschlands nicht. Da auch die EU Mitglied des Abkommens von 1988 sei, verstoße andernfalls die gesamte EU gegen das UN-Abkommen.

Was sagt Alfredo Pascual?

“Die Zuständigkeit der EU wurde ursprünglich mit einer ‘Erklärung zur Handlungsbefugnis’ auf die unter Artikel 12 des Übereinkommens von 1988 genannten Drogenausgangsstoffe beschränkt, wo Cannabis nicht zu finden ist.

Darüber hinaus hat die EU den Artikel 12 durch die Verordnung (EG) Nr. 273/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 umgesetzt, in dem Cannabis nicht erwähnt wird, weil Cannabis eben kein Drogenausgangsstoff im Sinne des Artikels 12 ist.”

Was steht im Beschluss des Rates, mit dem die EU dem Abkommen beigetreten ist (damals als EWG)?

“Nach Artikel 27 Absatz 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen müssen Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration in ihren Urkunden zur offiziellen Bestätigung angeben, für welche Bereiche dieses Übereinkommens sie Handlungskompetenz haben. (…)

Gemäß den oben genannten Bestimmungen verfügt die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft im Bereich der Handelspolitik über Handlungsbefugnisse für die zur illegalen Herstellung von Suchtstoffen und psychotropen Substanzen häufig verwendeten Substanzen, die unter Artikel 12 des Übereinkommens fallen.”

Was besagt Artikel 12?

“Art. 12 Für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln oder psychotropen Stoffen häufig verwendete Stoffe

(1)  Die Vertragsparteien treffen die von ihnen für zweckmässig erachteten Massnahmen, um zu verhindern, dass in Tabelle I und Tabelle II aufgeführte Stoffe zur unerlaubten Herstellung von  Betäubungsmitteln oder psychotropen Stoffen abgezweigt werden, und arbeiten zu diesem Zweck zusammen. (…)”

Nur: In Tabelle I und Tabelle II werden, wie Pascual korrekt anmerkt, weder Cannabis noch THC aufgelistet, sondern Ausgangsstoffe, die nicht mit Cannabis zusammenhängen. Pascual dazu:

“Es ist zu bezweifeln, dass Deutschland grundsätzlich nichts ändern könnte, nur weil die EU Vertragspartei des Übereinkommens von 1988 ist. Die ‘Handlungsbefugnis’ der EU als Vertragspartei schloss nämlich Cannabis nicht ein. 

Wenn Deutschland eine Lösung für das Einheitsübereinkommen von 1961 findet (z.B. unter Bezugnahme auf die Menschenrechte, so wie es Uruguay schon vor 10 Jahren gemacht hat), glaube ich nicht, dass das Übereinkommen von 1988 im Wege stehen würde.

Gem. Art. 3 des 1988 UN-Übereinkommens sind die Vertragsstaaten (wie Deutschland) explizit dazu verpflichtet, ‘das Anbauen’ von ‘Cannabispflanze zum Zweck der Gewinnung von Suchtstoffen’ unter Strafe zu stellen, allerdings nur, wenn das ‘entgegen dem Übereinkommen von 1961’ geschieht. Mit anderen Worten: Findet Deutschland eine Lösung für das Übereinkommen von 1961 und geschieht ‘das Anbauen’ von Cannabis nicht unter Verstoß gegen das Übereinkommen von 1961, steht das Übereinkommen von 1988 nicht mehr im Wege.”

Ist das CSU-Gutachten lückenhaft? Der Check mit Alfredo Pascual.Was ist, wenn Pascual richtig liegt?

Der Clou: Das Einheitsabkommen von 1961 gewinnt an Relevanz – dort ist die EU keine Vertragspartei. Und sollte die Bundesregierung im Einheitsabkommen von 1961 eine Lösung finden – entweder durch den viel diskutierten Aus- und Wiedereintritt; durch den Vertrag der Verträge, der beispielsweise eine Inter-Se-Modification ermöglicht; oder durch den Verweis auf die übergeordneten Menschenrechte (wie auch von LTO anhand eines aktuellen niederländischen Gutachtens diskutiert) – bringt sie die gesamte EU völkerrechtlich dadurch nicht (!) in die Bredouille. Im Gegenteil: Durch die Referenz der beiden wichtigen EU-Verträge – Schengen und der Rahmenbschlussvertrag 2004/757/JI – auf das Einheitsabkommen könnte mit einem Schlag auch das Dilemma auf EU-Ebene gelöst sein.

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