Website-Icon Krautinvest

HHC (Hexahydrocannabinol) und die Grenzen der Legalität

HHC (Hexahydrocannabinol) und die Grenzen der Legalität

Hexahydrocannabinol (HHC) ist ein hydriertes Derivat von Tetrahydrocannabinol (THC) und wurde erstmals 1947 von Roger Adams synthetisiert. Inzwischen kann HHC auch unter Verwendung von Citronellal und Olivetol sowie anderen verwandten Verbindungen, z.B. aus Industriehanf, synthetisiert werden. Ähnliche strukturelle Analoga von HHC binden nachweislich an den CB1-Rezeptor und erzeugen bei Tieren CB1-typische Wirkung: HHC ist anscheinend berauschend. Es kommt in Spuren, wahrscheinlich als Abbauprodukt von THC, in Cannabisblüten vor, ist aber kein eingetragenes Betäubungsmittel. Also dürfte der Handel mit HHC unproblematisch sein – oder? 

Verdampfen ist auch unproblematisch, denn man inhaliert keine Verbrennungsprodukte, könnte man meinen – so wird es auch häufig kommuniziert. Der Ausbruch von Lungenschäden, die auf den Gebrauch von E-Zigaretten oder Vaping-Produkten zurückzuführen sind, lässt Gegenteiliges vermuten. Zum einen können Schadstoffe, Löse- und Streckmittel natürlich auch über das Aerosol und nicht nur als Rauch inhaliert werden. Besondere Vorsicht ist darüber hinaus immer geboten, wenn völlig neue Wirkstoffkombinationen und Inhaltsstoffe quasi direkt am Endverbraucher “getestet” werden: 

Die Wissenschaft sowie die behördliche Regulation hinkt hier dem Erfindungsreichtum der “Legal High” – Geschäftsideen oft weit hinterher. Für mehr Informationen verweisen wir auch auf den 2021 bei krautinvest.de erschienenen Artikel von Janika Takats zu synthetischen Cannabinoiden.

In den USA konnte z.B. Vitamin-E-Acetat (klingt gesund, oder?), welches Vape-Cartridges zugesetzt war, als ein Verursacher von E-Zigaretten / Vape assoziierten Lungenschäden identifiziert werden. THC ist in Deutschland Betäubungsmittel, CBD Arzneimittel, also verändere ich chemisch eine Kleinigkeit, so dass ich meine Produkte doch noch irgendwie verkaufen kann, ohne das Gesetz zu brechen. 

Damit kann schnell Umsatz generiert werden und die Wirtschaft freut sich (kurzfristig), allerdings meistens auf Kosten der Verbrauchersicherheit, was mit etwas Pech langfristig der Cannabis-Wirtschaft schaden dürfte, welche ohnehin noch um Anerkennung ihrer Seriosität ringt. Wir alle kennen die Gerichtsurteile gegen den CBD-Sektor, welche sich darauf berufen, dass die missbräuchliche Verwendung von Industriehanf-Erzeugnissen ausgeschlossen sein muss. Ist das noch gegeben, wenn nun die Industrie aus nicht berauschendem Industriehanf Wirkstoffe synthetisiert, welche potenziell höheres Missbrauchspotenzial besitzen oder sonst wie schädlich sein könnten? 

Die Industrie stellt sich selbst ein Bein

Damit stellt sich die Industrie selbst ein Bein. Wenn die Regularien realitätsfern, maßlos und ungerecht erscheinen, müsste man als Unternehmen alle Zeit und Energie in entsprechende Argumente, Unbedenklichkeits-Nachweise und Lobby-Arbeit stecken. Stattdessen wird alles daran gesetzt, rechtliche Schlupflöcher zu identifizieren und regulatorische Mauern möglichst gerissen zu umschiffen, statt sie einzureißen – CBD-Öle als Mundspülung auszuweisen ist nur ein Beispiel dafür. 

Es tauchen immer wieder neue Inhaltsstoffe auf, wie Δ8-Tetrahydrocannabinol, Δ10-Tetrahydrocannabinol, Hexahydrocannabinol (HHC) und Cannabichromen. Die verschiedenen Tetrahydrocannabinole werden im BtMG kurzerhand behandelt wie Δ9-THC (Dronabinol); die anderen tauchen dort schlichtweg nicht auf. Allen Genannten gemein ist, dass sie zumindest in Spuren auch natürlich in Cannabis vorkommen. Also alles wie gesagt ganz natürlich und unproblematisch, vielleicht sogar gesund, weil es doch auch in einer Heilpflanze vorkommt – oder? 

Wie Paracelsus schon zu sagen pflegte, macht die Dosis das Gift und die Menschheit kennt zwar die Wirkungen und Nebenwirkungen der Cannabis-Pflanze seit Tausenden von Jahren, nicht aber die von einzelnen Wirkstoffen aus eben dieser Pflanze in unnatürlich hohen Konzentrationen oder Kombinationen.

Obwohl die Toxikologie von Δ9-THC (Dronabinol) z.B. relativ gut erforscht ist, ist nicht einmal hier bekannt, welche Auswirkungen erhöhte Δ9-THC-Konzentrationen (z.B. bei Verwendung von Konzentraten, welche bis zu 90 Prozent enthalten können) auf die Atemwege haben. 

Daten zur Inhalationstoxikologie für Δ8-THC, Δ10-THC, HHC, CBC, CBL (etc.) gibt es dagegen überhaupt keine. Was man weiß ist: Man wird von größeren Mengen high, daher kaufen es die Konsumenten. Dieses “Verkaufsargument” funktioniert allerdings auch mit Klebstoff oder einer Tik Tok Challenge, in der zu Selbst-Strangulation aufgerufen wird.  

Von wirklich synthetischen Cannabinoiden, sprich solchen, die nicht natürlich in Cannabis vorkommen, wie beispielsweise THC-O-Acetat, wollen wir gar nicht erst anfangen. Wenn Nutzer von einer 200-300 Prozent stärkeren psychoaktiven Wirkung als bei THC berichten, dürfte klar sein: Dieses Molekül ist weder unbedenklich noch mit THC oder Cannabisblüten vergleichbar – genauso wenig wie Kokain noch etwas mit der Coca-Pflanze bzw. Heroin mit Schlafmohn gemein hat. Und doch werden THC-O-Acetat-Konsumenten, die psychotisch in der Notaufnahme landen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Cannabispsychose-Fälle gezählt…

Sollten die vom Pech verfolgten Glücksritter der CBD-Industrie, deren Geschäftsträume angesichts der strengen (Nach-)Regulierung in Deutschland inzwischen geplatzt sind, also auf HHC umsatteln, solange es noch was vom großen Kuchen zu holen gibt? Die österreichische Firma  Wake & Bake wirbt inzwischen mit einem Gutachten, in dem der Firma Nabidio GmbH bestätigt wird, bei ihren HHC Produkten handele es sich um “natürlich hergestellte Produkte, die durch Extraktion und Destillation aus Hanfpflanzen” hergestellt werden. Auf unsere Rückfrage an den Gutachter Dr. Dr. Thomas Michael Eck, ob dies die Verkehrsfähigkeit der Produkte impliziere, erhielten wir die Antwort: 

“Die Frage, ob die untersuchten Produkte verkehrsfähig sind, war nicht Gegenstand des Gutachtens.” 

Wir bleiben also skeptisch, haben aber auch bei der Kanzlei Dentons um eine Einschätzung der Situation aus rechtlicher Sicht gebeten. Peter Homberg resümiert, dass fraglich sei, ob HHC als neuer psychoaktiver Stoff (npS) bewertet werden könnte. 

Laut Nr. 2 der Anlage des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz werden Cannabimimetika/ synthetische Cannabinoide als NpS erfasst. HHC, welches ausdrücklich natürlich hergestellt wird, würde  in dieser Form daher nicht vom NpSG erfasst. Hier müsste man sich den Herstellungsprozess allerdings genau dahingehend ansehen.

Dementsprechend ist nach Auffassung Hombergs natürlich hergestelltes HHC bei der derzeitigen Gesetzeslage nicht verboten. Zu beachten sei aber, dass HHC so neu auf dem Markt ist, dass keine konkreten Aussagen über die Wirkung, Nebenwirkungen und Risiken bei Konsumenten getroffen werden. Auch bestehe natürlich die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber, insbesondere in Anbetracht der psychoaktiven, mit THC vergleichbaren Wirkung von HHC, zeitnah auf diese Entwicklung reagiert.

Somit sei jegliches Inverkehrbringen von HHC rechtlich aktuell wohl möglich, wirtschaftlich und haftungsrechtlich perspektivisch jedoch nicht risikofrei.

Das Risiko, mit unbekannten/unregulierten Molekülen zu handeln, berührt unseres Erachtens nicht nur mögliche wirtschaftliche Einbußen sondern es kann mitunter um Menschenleben gehen: 1984 gab es in der Gegend um San Francisco (USA) einen Ausbruch von frühem Parkinsonismus unter jungen Erwachsenen. Es stellte sich damals heraus, dass alle Erkrankten eine Substanz aus einer illegalen Drogenküche konsumiert hatten. Unsachgemäße Reaktionsbedingungen hatten dazu geführt, dass das synthetisierte Produkt MPPP noch weitere Molekül-Isomere, unter anderem MPTP, enthielt. MPTP wirkte, trotz seiner großen Ähnlichkeit zum gewünschten Molekül MPPP, toxisch auf Dopamin-Neuronen der Substantia nigra der Konsumenten.

Bitte machen Sie es besser!

 

Disclaimer: Redaktioneller Inhalt – Keine Rechtsberatung. Dieser Artikel macht keine belastbare Aussage zur Verkehrsfähigkeit von Produkten.

Die mobile Version verlassen