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Häufige Fragen zur Verwendung von Verdampfern zur Verabreichung von Medizinischem Cannabis

Welche Anforderungen bestehen für Verdampfer, mit denen medizinisches Cannabis (Blüten oder Extrakte) verabreicht werden sollen?

Die seit letztem Jahr anzuwendenden Europäischen Verordnung zu Medizinprodukten (Medical Device Regulation, MDR 2017/745) definiert jedes Produkt, das dazu bestimmt sind, ein Arzneimittel abzugeben, als Medizinprodukt. Wenn medizinisches Cannabis (Blüten oder Extraktzubereitungen) durch Verdampfen verabreicht wird, müssen die Verdampfer (Vaporiser) deshalb als Medizinprodukte nach MDR zertifiziert sein. Als Ausnahme sind hier die Verdampfer zu nennen, die
als integralen Bestandteil ein Arzneimittel beinhalten und somit nicht als Medizinprodukte, sondern als Medizinprodukte-Anteil zu verstehen sind. Für solche Produkte erfolgt die Zertifizierung durch eine Stellungnahme zur Konformität durch eine EU-Benannte Stelle (vgl. Artikel 117, MDR) zu dem betreffenden Arzneimittel. Das ist prinzipiell in Zukunft auch für Verdampfer zur einmaligen Verwendung denkbar. Die MDR sieht eine Einteilung der Produkte in 4 Haupt-Risikoklassen vor (I, IIa, IIb, III). Verdampfer von Arzneimitteln werden in die Klasse IIb eingestuft. Für solche Produkte muss die Konformitätsbewertung für die Zertifizierung grundsätzlich unter Einbeziehung einer EU-Benannten Stelle durchgeführt werden. Darüber hinaus erfordert die Risikoklasse IIb klinische Studien, die mit diesen Medizinprodukten durchgeführt werden.

Wer ist für die Zertifizierung verantwortlich?

Der Nachweis der Konformität liegt in der Verantwortung des Herstellers des Medizinprodukts (Ausnahme hier die Produkte nach Artikel 117, MDR, wo die Verantwortung beim Inverkehrbringer des Arzneimittels liegt). In jedem Fall werden die allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen, die klinische Leistung und die technische Dokumentation von der
Benannten Stelle bewertet. In Falle von Verdampfern, die generisch in den Verkehr gebracht werden, also mit unterschiedlichen Cannabis-Arzneimitteln befüllt werden können, ist ungeklärt, wie die Konformitätsbewertung erfolgen kann, wenn die generische Indikation des Verdampfers solche Produkte nicht einschließt. In jedem Falle aber sind Arzneimittel-spezifische Tests durchzuführen, um unter anderem darzulegen, dass für die intendierte Population an Patienten die richtige Dosis appliziert wird und dass dies chargenkonform erfolgt, für die jeweils intendierten Zubereitungen. Die Medizinprodukte müssen zukünftig außerdem mit einer UDI-Nummer (Unique Device Identifier)
versehen und im elektronischen System EUDAMED gemäß Artikel 29 der MDR registriert werden. Bisher sind keine Verdampfer in Europa verfügbar, deren Konformität entsprechend der MDR belegt wurde und die ein entsprechendes CE-Markierung haben. Die als Medizinprodukte nach den bisherigen Regelungen zertifizierten Verdampfer (nach unserem Wissen nur die Storz & Bickel Verdampfer), können im Rahmen einer Übergangsregelung weiter in den Verkehr gebracht werden und in Apotheken mit medizinischem Cannabis abgegeben werden. Allerdings nur solange bis das bisherige, noch nach dem Medizinproduktegesetz (MDD 93/42/EEC) vergebene Zertifikat gültig ist. Nach den im Internet abrufbaren Daten ist das für die Verdampfer von Storz & Bickel bis 26.5.2024.

Man findet doch auch andere Geräte mit CE-Zertifikat, weshalb dürfen die nicht verwendet werden?

CE-Zertifikate werden in Europa für unterschiedlichste Zwecke vergeben und nicht selten werden von Herstellern von Verdampfern CE-Zertifikate anderer Zweckbestimmung angeführt, die diese Geräte jedoch nicht als Medizinprodukte ausweisen. Das ist aus der CE-Markierung nicht erkennbar, sondern nur aus dem offiziellen EC Certificate, das von einer Benannten Stelle ausgestellt sein muss. Unter der MDR 2017/745 wird zudem ein „MD“ (für Medical Device) auf der Verpackung verlangt, um diesem Umstand abzuhelfen.

Welches Risiko besteht, wenn Verdampfer ohne Zertifizierung als Medizinprodukte zur Verabreichung von Cannabis abgegeben werden?

Verdampfer, die mit der Zweckbestimmung abgegeben (oder in Verkehr gebracht) werden, medizinischen Cannabis zu verabreichen und nicht zertifiziert sind, dürfen bspw. in Deutschland nach § 93 Abs. 3 MPDG nicht in Betrieb genommen werden, und deren Inverkehrbringung kann behördlicherseits untersagt werden. In diesem Fall kann sich ein Strafbarkeitsrisiko ergeben.
Inverkehrbringung betrifft die komplette Wertschöpfungskette und alle Beteiligten, die das Produkt an Dritte abgeben oder anbieten, bis zum Patienten.

Wer ist denn zukünftig für die Überwachung dieser Wertschöpfungskette verantwortlich?

Mit der MDR hat der Hersteller des Medizinproduktes nun Überwachungspflichten auch von ihm nachgelagerten Aktivitäten und deren "Regulatorischer Compliance". Dabei beteiligte Personen sind Wirtschaftsakteure, auch „Economic Operators“ genannt, und folgende:

“Inverkehrbringen” ist die erstmalige Bereitstellung eines Produkts. Es ist einem Hersteller oder einem Importeur vorbehalten, das gilt auch für die rechtlichen Obliegenheiten. Damit verbunden sind dann Überwachungspflichten, die sich für alle nachgelagerten Economic Operators ergeben. Die MDR definiert eine “Person Responsible for Regulatory Compliance (PRRC)”, die sicherstellen soll, dass alle Obliegenheiten erfüllt werden, u.a.:

Die Hersteller müssen in der Phase nach dem Inverkehrbringen eine aktive Rolle spielen, indem sie systematisch und aktiv Informationen über die Erfahrungen mit ihren Produkten nach dem Inverkehrbringen sammeln, um ihre technische Dokumentation zu aktualisieren und mit den für Vigilanz- und Marktüberwachungstätigkeiten zuständigen nationalen Behörden zusammenzuarbeiten. Diese Überwachungspflichten sind auch schon anwendbar, wenn Verdampfer noch nach dem alten Medizinproduktegesetz in Verkehr gebracht werden und noch nicht nach der neuen MDR zertifiziert sind. Die MDR verlangt zudem, dass regelmäßige Berichterstattung zur Vigilanz und Marktüberwachung in die EUDAMED eingetragen wird, damit Transparenz für alle in der EU geschaffen wird.

Distributoren (auch über Webshops) haben in der Wertschöpfungskette folgende Obliegenheiten:

Mit welchen Zeiträumen muss man rechnen, wenn man heute ein Projekt initiiert um einen MDR-konformen Verdampfer in der EU in den Verkehr bringen zu wollen?

Zwei Jahre sind sicher ein minimal erforderlicher Zeitrahmen, wenn man bei null startet, sicher auch deutlich länger. Dabei müssen nicht nur die für die Konformitätsbewertung nötigen Daten generiert werden, sondern diese müssen auch von einer Benannten Stelle bewertet werden. Dazu gehört auch eine medizinische Bewertung, die in der Vergangenheit nicht erforderlich war und die sicher – zumindest in Teilen – produktspezifische erfolgen muss. Letzteres kann auch als eine Chance angesehen werden, weil man damit Alleinstellungsmerkmale generiert. Das erfordert aber immer die Zusammenarbeit zwischen dem Hersteller des Verdampfers und des medizinischen Cannabisproduktes, das verabreicht werden soll.

 

Detailliertere Antworten zu den dargestellten Fragestellungen bietet ein Webinar, das die Autoren aufgezeichnet haben. Insbesondere werden in diesem Webinar auch die Anforderungen an die allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen, klinischen Leistungen und technischen Unterlagen im Rahmen der CE-Kennzeichnung erläutert. Informationen zu diesem Webinar finden sich hier.

Über die Autoren:

Portrait Markus Veit

Dr. Markus Veit ist Geschäftsführer der ALPHATOPICS GmbH. Er studierte Pharmazie in Frankfurt, promovierte an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg und habilitierte dort. Er ist Fachapotheker für Pharmazeutische Analytik. In den vergangenen 20 Jahren war er als Geschäftsführer in Dienstleistungsunternehmen für die Pharmazeutische Industrie mit den Schwerpunkten Arzneimittelentwicklung, -prüfung und -zulassung tätig. Gleichzeitig konzipierte und leitete er zahlreiche Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen für Mitarbeiter der Arzneimittel- und Medizinprodukteindustrie.

 

Fabio Cirillo ist Geschäftsführer der Avanti Europe AG. Er studierte Chemie in Winterthur, Schweiz mit Vertiefung in chemischer Verfahrenstechnik und Diplomierte als Chemiker. Weiter hat er sich an der Cornell University in User-Centric Design und Business Strategy weitergebildet. In den vergangenen knapp 20 Jahren war er in verschiedenen Positionen in der Produktentwicklung, der Qualitätssicherung und im erweiterten Management bei den Firmen Sika, Synthes (später DePuy Synthes unter Johnson & Johnson) und F. Hoffmann – La Roche tätig. 2016 gründete er die Avanti Europe AG als Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen für Medizinprodukte- und Pharmazeutische Unternehmen mit Fokus auf Kombinationsprodukte. Dabei deckt Avanti Europe den gesamten Lebenszyklus, von der Idee bis zum Phase-Out eines Produktes ab. Neben der Leitung von Avanti Europe hält er zahlreiche Verwaltungsrats- und Beirat-Mandate in LifeScience Start-Ups

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