Nutzhanf-Branche fordert Rechtssicherheit

by Astrid Hahner

Die Abstimmungsgespräche zum CanG sind im vollen Gange, einige Anbauvereinigungen stehen bereits in den Startlöchern, Genusscannabis auch mit hohem THC-Gehalt für Deutschland zu produzieren und irgendwo wird im stillen Kämmerlein sicher schon um die Lieferketten für potentielle Modellprojekte mit lizenzierten Fachgeschäften gerungen. 

Die deutsche Nutzhanf-Branche befürchtet indessen, dass alles bleibt, wie es ist: unwirtschaftlich, intransparent und vor allem irgendwie ungerecht. Denn: Einerseits sieht der Gesetzesentwurf in seiner aktuellen Fassung nicht vor, Nutzhanf (THC Gehalt < 0,3% in der EU) und dessen Erzeugnisse vollständig aus dem Betäubungsmittelgesetz herauszunehmen und zweitens enthält er erneut die berühmt-berüchtigte “Rauschklausel” – bei Abgabe der Nutzhanf-Erzeugnisse an den Endverbraucher muss ausgeschlossen sein, dass diese missbräuchlich verwendet werden können. 

BGH Urteil vom 21. März 2021: Die Rauschklausel

Genau hier liegt der Hund begraben, denn seit dem BGH Urteil vom 21. März 2021 gilt, dass größere Mengen Nutzhanfblüten mit mehr als 0,1 Prozent THC-Gehalt theoretisch verbacken werden können, um eine Rauschwirkung zu erzielen. Auch, wenn das ein sehr teurer Rausch wäre und “echtes Gras”, von dem man sehr viel weniger kaufen müsste, in der Praxis überall in Deutschland leicht zu finden ist. Bei bestimmungsgemäßer Verwendung (überbrühen der Blüten mit heißem Wasser) wirke Tee aus Nutzhanfblüten aber nicht berauschend bzw. sei THC nur in Spuren darin gelöst.

Aus Hanfbauern, die regional ihren Hanfblütentee verkaufen möchten, werden dadurch vor deutscher Rechtsprechung regelmäßig Straftäter fabriziert, die mit “nicht geringen Mengen Betäubungsmittel Handel treiben”. Razzien, Beschlagnahmung der Waren, ja sogar ganzer Hanffelder, Strafanzeigen und Rufschädigung, hohe Anwalts- und Verfahrenskosten, sowie immense psychische Belastungen und Existenzängste sind da natürlich inbegriffen – die Rechtsunsicherheit schafft keinen Anreiz für Bauern, Produzenten und Händler, mit Nutzhanf zu wirtschaften. Währenddessen bilden Nachbarländer wie Frankreich Hanf-Kollektive und exportieren ihren Nutzhanf in die ganze Welt.

Nutzhanfanbau für Fasern, Samen oder Biomasse lohne sich wirtschaftlich für deutsche Kleinbauern (noch) nicht, meint Hanfbäuerin Maren Thomassek, da Deutschland Billigware aus dem Ausland importiert und die Infrastruktur für Landmaschinen, zur industriellen Weiterverarbeitung und Absatzmärkte noch nicht existent seien.

Nutzhanf-Branche fordert Rechtssicherheit

Abb. 1 Quelle: United Nations Conference on Trade and Development: Commodities at a glance – Special issue on industrial hemp. (2022)

Mit Blüten zu arbeiten und diese regional direkt zu vermarkten wäre lukrativer, stellt aber aufgrund der uneinheitlichen Rechtsauslegung von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft ein immenses Risiko dar. Eine Behörde konfisziert gerne Tee und drückt bei CBD Produkten beide Augen zu, die andere bestraft CBD Händler, interessiert sich aber nicht für Hanfblütentee. Bei strafrechtlichen Vorwürfen greift bis zum Freispruch ferner keine Rechtsschutzversicherung und man ist nicht finanziell abgesichert wie eine GmbH, was für kleine Unternehmen und Bauern im Fall eines solch massiven Tatvorwurfs schnell das finanzielle Aus bedeuten kann.

“Ich kann mir nichts davon kaufen, wenn Cem Özdemir sagt, Frau Thomassek tut ihm leid. Was ich mir von der Politik wünsche ist, dass wir endlich einen Rechtsrahmen für Nutzhanf bekommen, mit dem wir auch arbeiten können! Gesunde Ernährung, Proteinstrategie, Baustoffe, nachwachsende Rohstoffe … Schönen Reden müssen Taten folgen.” sagt Maren Thomassek von Dithmarschen Hanf. Auch der Spiegel fragte inzwischen nach, ob Deutschland den möglichen Boom mit Nutzhanf “kaputt” bürokratisiere.

Recht haben und Recht bekommen: Zwei unterschiedliche Paar Schuhe

Zähneknirschend musste die norddeutsche Hanfbäuerin hinnehmen, dass ihr Rechtsanwalt Dr. Ferdinand Weis die vorgerichtliche Einstellung des Verfahrens gegen sie aufgrund von §153a (mangelndes öffentliches Interesse) gegen Auflagen erwirkte. Die Auflagen waren, dass Frau Thomassek und ihr Sohn jeweils 1500 Euro an den Kinderschutzbund zahlen und auf Entschädigungsansprüche für die beschlagnahmten Waren und Samen im Wert von 10.000 Euro verzichten. “Ein richtiger Freispruch, oder Einstellen des Verfahrens aus Mangel an Beweisen, wäre uns lieber gewesen”, sagt Maren Thomassek. “Recht haben und Recht bekommen sind aber zwei unterschiedliche Paar Schuhe und wegen der Rauschklausel war es uns zu riskant, es auf ein Gerichtsverfahren ankommen zu lassen.” Am Tag der Razzia hatten die Polizisten bei ihr größere Mengen abgeerntete Blütenstände vom EU-Nutzhanf Typ “Finola” konfisziert: “Finola ist dafür bekannt, dass einzelne Blüten die 0,2 Prozent THC Grenze knapp reißen können. Da man seit dem BGH Urteil von 2021 damit rechnen muss, schon bei einem THC Gehalt ab 0,1 Prozent in Blüten verurteilt zu werden, war uns die Sache zu heiß. Auch, wenn wir nach wie vor davon überzeugt sind, nichts Kriminelles gemacht zu haben!”

Der Gründer der Ladenkette “Hanfnah” Tobias Pietsch wurde kürzlich wegen Handels mit Nutzhanf-Blüten aufgrund des theoretisch möglichen Missbrauchs seiner Ware auf Bewährung vom Amtsgericht Lörrach verurteilt. Ein ähnliches Verfahren gegen die Betreiber von “Hanf-Zeit” in Steinheim läuft aktuell noch. Die Green Pioneers aus Fulda wurden im Februar 2023 in erster Instanz vom Vorwurf des “bandenmäßigen, später fahrlässigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge” freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft ging allerdings in Berufung und ein neues Verfahren beim Landesgericht wurde eingeleitet. 

Im April 2021 hatte die Polizei bei einer Razzia in den Geschäftsräumen der Green Pioneers Teemischungen auf Nutzhanfbasis und CBD Vollspektrum Extrakte als Kosmetikum (< 0,2 Prozent THC) beschlagnahmt. Der Vorwurf lautete zunächst “bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge”; als verschiedene Analysen die niedrige THC-Konzentration in allen Proben bestätigten und Gutachten die missbräuchliche Verwendung des Öls ausgeschlossen hatten, wurde der Vorwurf im Folgejahr entschärft und lautete nun “fahrlässiges Handeltreiben (…)” – ab hier griff zumindest die Rechtsschutzversicherung des Start-Ups. Parallel dazu erstattete die Staatsanwaltschaft jedoch weitere Anzeigen wegen Handels mit Betäubungsmitteln – gegen alle Einzelhandelspartner des jungen Unternehmens. 

“Was uns da passiert ist, war existenzbedrohend und psychisch sehr belastend”, erzählt Philip Gärtner, einer der Gründer. “All unser Kapital steckt in den Produkten, und die haben sie beschlagnahmt, so dass wir nichts verkaufen konnten. Da das Berufungsverfahren noch läuft, können wir trotz des Freispruchs keinen Schadensersatz fordern, obwohl wir hohe Schäden erlitten haben, direkt und indirekt: Imageschaden, Projekte wie neues Hanfgetränk lagen auf Eis, ich bin an PTBS erkrankt. Und dann haben sie ja noch unser gesamtes Einzelhandels-Netzwerk kaputt gemacht durch die Strafanzeigen.”

Nach Auffassung Gärtners wird das CanG keine Verbesserungen für die Nutzhanf- und CBD Branche bringen, sofern an der Rauschklausel darin festgehalten wird. Außerdem müsse Nutzhanf als Ganzes aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen werden, inklusive seiner Blütenstände. “Ausnahmeregelungen” führen seines Erachtens “dazu, dass Unternehmen bereits wegen eines Strafvorwurfs ruiniert werden können. Die Beweislast ist dann ja umgekehrt: Ich muss meine Unschuld beweisen! Das gilt ja eigentlich für das gesamte CanG – Als erstes steht da, das Cannabis verboten ist. Ich vermisse, dass die Leute darüber reden, was für eine große Rechtsunsicherheit da auf die Konsumenten und Clubs zukommt.”

Graumarkt CBD

Für CBD-Produkte ist inzwischen ein Graumarkt entstanden, die junge Branche musste speziell in der EU große Rückschläge einstecken – aktuell sind aus der Sicht der meisten Behörden CBD-Konsumprodukte nur in Kosmetika verkehrsfähig. Als Nahrungsergänzungsmittel zerschellten CBD-Extrakte an der Novel Food Verordnung, zur medizinischen Verwendung kommen nur CBD-Produkte in pharmazeutischer Qualität in Betracht und müssen von einem Arzt verschrieben werden. 

Während CBD-Blüten als Rauchware bzw. Tabakersatz in Ländern wie Frankreich oder Belgien verkehrsfähig sind, lief der Versuch in Deutschland ins Nichts. Stefan Röhrl (Hempgroup), welcher deutschlandweit mehrere CBD-Läden betreibt, ist sich trotzdem sicher: “Der CBD Markt ist nicht tot! Die Nachfrage von Seiten der Endkunden ist nach wie vor groß.”

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