Novel-Food-Sammelantrag der EIHA: “Rechts- und Planungssicherheit”

by Lisa Haag

Ein Interview mit Kai-Friedrich Niermann, Rechtsanwalt und Legal Advisor der EIHA

Novel Food, wo man nur hört. Wie aber wird sich ein erfolgreicher Sammelantrag auf den Markt auswirken? Was bedeutet dies für die Verfügbarkeit von CBD in Lebensmitteln? Die European Industrial Hemp Association (EIHA) startet eine groß angelegte Initiative für mehr Rechts- und Planungssicherheit für die europäische Hanfindustrie. Im Januar 2019 wurde der Novel-Food-Katalog dahingehend geändert, dass alle Hanfextrakte des Industriehanfes und damit auch die darin enthaltenen Cannabinoide als neuartige Lebensmittel gelten. Die EIHA hat daraufhin versucht, zu beweisen, dass Menschen bereits seit Jahrhunderten Cannabinoide in Hanflebensmitteln konsumieren. Ihr Standpunkt: Grundsätzlich würden angereicherte und isolierte Cannabinoide als Novel Food gelten, Hanfblätter und -blüten sowie Hanfextrakte aus Industriehanf mit natürlichem Gehalt an Cannabinoiden seien hingegen traditionelle Lebensmittel und würden dementsprechend nicht zwingend unter die Novel-Food-Verordnung fallen. Die Bundesregierung hält dennoch daran fest, dass dem Bundesamt für Verbraucherschutz “derzeit keine Fallgestaltung bekannt” sei, “wonach Cannabidiol (CBD) in Lebensmitteln, also auch in Nahrungsergänzungsmitteln, verkehrsfähig wäre”.

Angesichts dieser Situation geht die EIHA inzwischen davon aus, dass es nur durch eine Zulassung als Novel Food Rechts- und Planungssicherheit für die europäische Hanfindustrie und den Handel mit CBD-relevanten Produkten geben kann. Hierfür hat die EIHA ein sogenanntes “Novel Food Consortium” mit einer Projekt-GmbH gebildet. Aber: Was bedeutet das? Wie können sich Firmen beteiligen? Welche Auswirkungen hat eine perspektivisch erfolgreiche Auswirkung das auf den Markt? Diese und weitere Fragen beantwortet uns Rechtsanwalt und Legal Advisor der EIHA Kai-Friedrich Niermann.

krautinvest.de: Die Nachricht, dass die EIHA einen Gemeinschaftsantrag mit ihren Mitgliedern für die Zulassung von CBD Produkten als Novel Food auf den Weg bringt, war die Schlagzeile der letzten Woche. Für welche Produkte wird ein Antrag gestellt?

Kai-Friedrich Niermann: Diese Entscheidung der EIHA und ihrer Mitgliedsunternehmen war in der Tat einmalig und wird Industriegeschichte schreiben. Nach wie vor setzt sich die EIHA natürlich dafür ein, dass CBD-Produkte mit einem natürlichen Gehalt an Cannabinoiden, sowie es im Novel-Food Katalog bis 2019 geregelt war, in den Verkehr gebracht werden dürfen. Die EIHA nimmt die Dinge aber nun selbst in die Hand und wird die Planungssicherheit für ihre Mitgliedsunternehmen herstellen, die ihr von den Behörden durch die unverständlichen und falschen Änderungen des Novel Food Kataloges verwehrt wird. 

Es werden Anträge für verschiedene CBD-haltige Basis-Produkte, also Zutaten, gestellt werden.  Der Anteil an CBD beträgt bis zu 10 Prozent und deckt somit alle marktgängigen Formate ab.

krautinvest.de: Wie wird der Antrag finanziert? 

Kai-Friedrich Niermann: Der Antrag wird durch einen Sonderbeitrag der Mitglieder finanziert, der von der Generalversammlung letzte Woche beschlossen wurde. Der Sonderbeitrag beträgt 15.000 Euro für Unternehmen mit unter einer Million Euro Umsatz, und in der Spitze 140.000 Euro für Unternehmen mehr als 20 Millionen Euro Umsatz. Die Beiträge werden prozentual steigen, je später man sich dem Antrag anschließt. Der Sonderbeitrag wird in mehreren Teilen eingezogen, je nach Fortschritt der wissenschaftlichen Studien. Die Kosten für den Antrag werden auf ungefähr 3,5 Millionen Euro geschätzt. Damit werden umfangreiche Studien, auch mit menschlicher Exposition, finanziert, die insbesondere die Toxizität von THC untersuchen und im Ergebnis neue Richtwerte möglich machen sollen, mit denen die Industrie besser leben kann. 

Denn die äußerst geringen THC Richtwerte, mit denen die Industrie derzeit zu kämpfen hat, sind veraltet und wissenschaftlich nicht mehr haltbar. Neben der Novel Food Problematik sind die THC-Richtwerte in Lebensmitteln das zweite große Problem der Branche. Durch die Studien soll gezeigt werden, dass Produkte auch mit weitaus höheren THC-Werten, als sie derzeit in Deutschland und Europa empfohlen werden, als absolut sicher für den Verbraucher gelten können.

krautinvest.de: Wer stellt die Anträge?

Kai-Friedrich Niermann: Die Anträge werden von einer neuen Gesellschaft, der EIHA projects GmbH gestellt, einer 100-prozentigen Tochter der EIHA. Diese Gesellschaft erwirbt die Rechte nach der Novel Food-Verordnung, verwaltet sie und überträgt sie an die Mitglieder. Jedes EIHA Mitglied schließt einen privatschriftlichen Vertrag mit der Projekt GmbH. 

krautinvest.de: Welche Rechte erwirbt ein Unternehmen, dass sich am Gemeinschaftsantrag beteiligt? Was müssen Unternehmen tun, um sich am Antrag zu beteiligen?

Kai-Friedrich Niermann: In dem Projektvertrag ist geregelt, dass eine Zustimmung für die Vermarktung der einzelnen Marken des Mitgliedes erteilt wird. Eine Abtretung dieser Rechte ist nicht möglich. Um eine gleichmäßige finanzielle Beteiligung aller Unternehmen an dem Projekt zu gewährleisten, werden zum einen alle Unternehmen einer Holding mit ihrem weltweiten CBD-bezogenen Umsatz berücksichtigt, wenn die Holding Mitglied der EIHA ist. Ist ein Tochterunternehmen Mitglied, muss aber auch der gesamte, weltweite CBD-bezogene Umsatz der Holding berücksichtigt werden.

Unternehmen müssen daher Mitglied der EIHA werden und mit der EIHA projects GmbH einen Vertrag abschließen. 

krautinvest.de: Welche Konsequenzen wird dies für andere Akteure haben, die in den Markt wollen beziehungsweise wie wird ein erfolgreicher Antrag den Markt verändern? 

Kai-Friedrich Niermann: Produkte mit CBD-Isolat oder angereicherten Hanfextrakten gelten derzeit nach herrschender Meinung bei den Behörden und Gerichten als neuartiges Lebensmittel. Hierzu kann man auch eine andere Auffassung vertreten, wie die EIHA mehrfach bereits erläutert hat. Mehrere erstinstanzliche Verwaltungsgerichte haben die Einordnung von angereicherten Hanfextrakten als neuartiges Lebensmittel allerdings bundesweit zunächst übernommen. Wir sehen gerade in den letzten zwei Wochen eine verstärkte Durchsetzung der Novel Food Verordnung, nachdem die schlimmsten Folgen der Corona Pandemie abgearbeitet scheinen, und somit wieder Zeit für die „Jagd“ auf CBD-Produkte zur Verfügung steht. Die Stadt Köln hat am 17. Juni 2020 sogar eine Allgemeinverfügung zur Untersagung des Inverkehrbringens von CBD-haltigen Lebensmitteln erlassen, was rechtlich einen äußerst ungewöhnlichen Schritt darstellt und mehr als Symbolpolitik gelten kann. 

Unternehmen, die weiterhin ohne Novel-Food-Zulassung auf dem Markt agieren wollen, werden es deshalb schwer haben. Der eine Gegner werden die Behörden bleiben, die im Verwaltungsrechtswege die Verordnung durchsetzen werden. Mit einer erfolgreichen Novel-Food-Zulassung im CBD-Bereich wird es aber auch anderen Unternehmen, auch der EIHA projects GmbH, möglich sein, im Rahmen des Wettbewerbsrechts gegen Unternehmen vorzugehen und Unterlassung zu verlangen, sofern keine Marktauthorisation vorliegt.

Insgesamt gesehen wird der Markt sich zum Besseren verändern, da einheitliche Standards und neue Erkenntnisse zur Sicherheit von THC in Lebensmitteln den Verbraucherschutz erhöhen und eine korrekte und erlaubte Kennzeichnung als Lebensmittel ermöglichen. Die beteiligten Unternehmen erlangen, neben dem Imagegewinn und Wertzuwachs für die Marke, dauerhafte Rechts- und Planungssicherheit.

krautinvest.de: Gilt der Antrag dann auch für Großbritannien?

Kai-Friedrich Niermann: Ja, auch bei der FSA wird ein Antrag eingereicht werden. Die FSA hat klargestellt, dass alle Anträge vor dem 31.12.2020 noch an die EU-Kommission gerichtet werden müssen, und danach an die FSA. Alle Unternehmen, die bis zum 31.3.2021 einen gültigen Novel Food Antrag einreichen, können weiterhin ihre Produkte im britischen Markt verkaufen. Außerdem wird die FSA ein Verfahren für die Beurteilung der Anträge auf Zulassung als neuartiges Lebensmittel einführen, das dem der europäischen Kommission sehr ähneln wird.

krautinvest.de: Noch ein ganz anderes Thema, im Dezember soll eine UN-Entscheidung zur Reklassifizierung von Cannabis erfolgen. Wie schätzt Du die Situation ein? 

Kai-Friedrich Niermann: Noch ist überhaupt nicht klar, ob es diesmal tatsächlich zu einer Entscheidung kommen wird. Viele konservative Länder, die eine sehr strenge Cannabispolitik verfolgen, auch im Hinblick auf medizinisches Cannabis, konnten bisher eine Abstimmung erfolgreich hinauszögern.

krautinvest.de: Welche Konsequenzen könnte die Reklassifizierung von Cannabis durch die UN denn für die Industrie haben?

Kai-Friedrich Niermann: Sollte medizinisches Cannabis tatsächlich aus Anlage 4 gestrichen und nur in Anlage 1 aufgeführt werden, gäbe das der medizinischen Cannabis-Industrie noch einmal Auftrieb. Der Einsatz von Cannabis als Arzneimittel und die Forschung würden deutlich erleichtert werden. Auch würden weitere Regierungen über die Einführung eines medizinischen Cannabis Programms leichter nachdenken können.

Hinsichtlich Cannabidiol beziehungsweise CBD hat die WHO vorgeschlagen „Zubereitungen, die überwiegend Cannabidiol und nicht mehr als 0,2 Prozent Delta-9-Tetrahydrocannabinol enthalten“, nicht der internationalen Kontrolle zu unterwerfen. Der Vorschlag der Europäischen Kommission für einen gemeinsamen Standpunkt bei der Entscheidung im Dezember hat diesen Zusatz abgelehnt. Die THC-Grenzwerte für Zubereitungen, die überwiegend Cannabidiol enthalten, sei wissenschaftlich nicht untermauert und eine unterschiedliche Auslegung der Art und Weise der Berechnung dieses Grenzwertes sei nicht auszuschließen.

Dieser Standpunkt der EU ist noch ein Argument mehr für die EIHA, ausführliche toxikologische Studien zur Sicherheit von THC in Lebensmitteln durchzuführen, um hier ein für alle Mal eine einheitliche Handhabung erreichen.

krautinvest.de: Herzlichen Dank für dieses Interview. Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung.

Über Kai-Friedrich Niermann:
Kai-Friedrich Niermann ist seit 2003 Rechtsanwalt und berät Unternehmen und Organisationen in allen Fragen des Wirtschafts- und Vertragsrechts. Erst ist vertraut mit den Schnittstellen von nationalen und europäischen Regulierungen im Hinblick auf Verbraucherschutz und neue Cannabisprodukte. Schon während seines Studiums an der Philipps Universität in Marburg beschäftigte er sich mit der Cannabis-Prohibition, da 1994 ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofes zum Eigenbedarf ergangen ist.

Nachdem medizinisches Cannabis 2017 legalisiert wurde, startete er einen Blog zu rechtlichen Aspekten rund um das Thema Cannabis (canna-biz.legal) und den Vertrieb neuer Cannabisprodukte. Kai spricht regelmäßig auf internationalen Konferenzen zum deutschen und europäischen Rechtsrahmen für Cannabisprodukte. Zuletzt sprach er auf der ICBC 2019 in Berlin auf dem CBD-Panel, auf der re:publica 2019 und der EuroAMCBC in Prag über den rechtlichen Rahmen für einen zukünftigen Freizeit-Cannabismarkt in Deutschland, auf dem First Asian Hemp Summit in Hongkong und im Cannabis Law Institute in New York. Außerdem veröffentlicht er regelmäßig Beiträge auf den online Plattformen Prohibition Partners, Cannabis Law Report und wird von der kanadischen Globe and Mail zitiert. Heute berät Kai nationale und internationale medizinische Cannabisproduzenten und CBD Hersteller, sowie ein anerkanntes Onlineportal für medizinisches Cannabis und CBD Produkte.

Kai ist Mitglied des Deutschen Hanfverbands (DHV), der European Industrial Hemp Association (EIHA) und der International Cannabis Bar Association (INCBA), einer internationalen Vereinigung von Anwälten, die im Bereich Cannabis beraten, sowie von Law Enforcement Against Prohibition (LEAP Germany).

Mehr zum Thema

Leave a Comment