Hanfbar-Prozess: BGH hebt Urteil auf – erste Resonanz

by Moritz Förster

Im Hanfbar-Prozess hat der sechste Strafsenat das Urteil auf die Revision der Angeklagten aufgehoben, die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen jedoch aufrechterhalten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts verbietet diese Ausnahmevorschrift nicht grundsätzlich den Verkauf an Endabnehmer zu Konsumzwecken. Jedoch muss ein Missbrauch des Cannabisprodukts zur Berauschung ausgeschlossen sein, heißt es in einer Mitteilung des Bundesgerichtshofs.

Die Feststellung, dass dies bei dem von den Angeklagten vertriebenen Hanftee nicht der Fall war, sei vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffen worden. Allerdings habe das Landgericht nicht geprüft, ob der Vorsatz der Angeklagten auch die Möglichkeit eines Missbrauchs der vertriebenen Pflanzenteile zu Rauschzwecken umfasst habe.

Der auf Cannabis spezialisierte Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann freut sich über “eine langersehnte Klarstellung für die Hanfbranche”. Mit Verweis auf das Urteil stellt Niermann fest, dass der Verkauf von CBD-Blüten an “Endabnehmer zu Konsumzwecken nicht grundsätzlich ausgeschlossen” sei. “Im Klartext, vorbehaltlich der genauen Entscheidungsgründe: solange der Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen ist, und Händler keinen Vorsatz im Hinblick auf einen möglichen Missbrauch haben, ist Abgabe und Besitz von jeglichen, unverarbeiteten Nutzhanf-Produkten an Endkonsumenten nicht vom Betäubungsmittelgesetz erfasst”, so Niermann.

Die European Industrial Hemp Association (EIHA) verweist darauf, dass nach dem Urteil “der Verkauf von Hanfblüten und -blättern an Endabnehmer nicht grundsätzlich verboten ist”. Solange der vorsätzliche Missbrauch ausgeschlossen sei, würden unverarbeitete Nutzhanfprodukten an Endverbraucher nicht unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) fallen. Auch der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) kommt nach dem Urteil zur Schlussfolgerung, dass CBD-Blüten “unter Ausschluss von angenommenen Missbrauchspotentialen an Endverbraucher legal verkauft werden” dürfen. Nach Ansicht der Cannabiswirtschaft könnte dies über Abgabemengen, Beipackzettel, Hinweise auf den Produktverpackungen oder entsprechende Produktzubereitungen erfolgen.

“Juristischer Paradigmenwechsel”

EIHA-Geschäftsführerin Lorenza Romanese freut sich über “ein wichtiges Signal” an alle EU-Mitgliedstaaten: “Wir erleben gerade einen seit langem überfälligen Wandel bei der Beurteilung von Industriehanf.“ EIHA-Präsident Daniel Kruse spricht von einem “juristischen Paradigmenwechsel”: „Das Urteil des BGH schließt den Kreis zum Urteil des EuGH von November 2020. Beide Urteile machen klar, dass Nutzhanf und Teile der Nutzhanfpflanze per se keine Betäubungsmittel sind und somit weder dem Einheitsübereinkommen noch den nationalen Betäubungsmittelgesetzen unterliegen.” Ab sofort komme es laut Kruse auf die tatsächliche Aufnahmemenge der psychoaktiven Substanz THC an.

“Eine Neuentscheidung dürfte für viele Landwirte, Betreiber und Hersteller von Nutzhanfprodukten von großer Bedeutung sein, da es in der Vergangenheit immer wieder zu rechtlicher Verfolgung und Unklarheiten mit Nutzhanf bzw. daraus gewonnenen Produkten kam”, heißt es in der Pressemitteilung des BvCW. Jürgen Neumeyer, Geschäftsführers des Verbandes: „Für die Politik bedeutet das Urteil, sich mit der Frage auseinander zu setzen, wie Nutzhanf und seine Produkte aus den Fängen des Betäubungsmittelgesetzes insgesamt heraus kommt.” Allerdings verweist Neumeyer auch kritisch darauf, dass wir “trotz des heutigen Urteils BtMG-bedingte Regularien erfahren, die es weiterhin schwer machen, die vielen positiven Potentiale des Hanfes hier in Deutschland umfänglich zu nutzen.” Andere Länder wie die Schweiz oder Österreich, aber auch die USA seien um Jahre voraus: “Der unterstellte Missbrauch von Nutzhanf mit maximal 0,2 Prozent THC zu Rauschzwecken ist aus wirtschaftlichen Erwägungen unsinnig.”

Zur Vorgeschichte: Laut Landgericht Braunschweig hatten die Hanfbar-Inhaber in ihren Lokalen aus EU-zertifiziertem Nutzhanf gewonnene Cannabispflanzenteile mit geringen THC-Gehalten (0,08 % bis 0,33 %) als Hanftee an Endkonsumenten verkauft. Das Landgericht festgestellt, dass dieser zwar nicht beim Aufguss mit Wasser, jedenfalls aber nach Verarbeitung zu Gebäck einen Rausch hervorrufen könne. Daraufhin hatte das Landgericht die Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln jeweils zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Diese Strafaussprüchen sind durch die Revisionen der Staatsanwaltschaft nun aufgehoben.

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