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Fragezeichen bei der Legalisierung: Alfredo Pascuals kritischer Blick auf das internationale Recht

FastForward: Alfredo Pascual als neuer Spezialist für Cannabis-Investments an Bord

Wie wichtig ist die Präambel? Wer Alfredo Pascuals Vortrag auf einer Cannabis-Konferenz im Juni in Portugal zugehört hat, kommt an dieser Frage nicht vorbei. Drei gleichzeitig zu berücksichtigende Aspekte gebe es bei der Interpretation internationaler Verträge, so berichtet Pascual, inzwischen Investment-Analyst bei Seed Innovations, aber seit seinem Master-Studium unzertrennlich mit der internationalen Regulierung von Drogen verbunden: Einmal den reinen Text an sich, einmal den Kontext und drittens die Berücksichtigung von Zweck und Ziel. Während die beiden ersten Aspekte schlechte Aussichten bieten, dass die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel im Einklang mit der Single Convention gelingt, verweist Pascual darauf, dass sich Uruguay explizit auf Zweck und Ziel der Single Convention berufen habe: Das über allem stehende Ziel der Verbesserung von Gesundheit und Wohlergehen der Menschheit.

Was also, wenn die Verträge ganz offensichtlich ihre eigenen Ziele verfehlen? Pascuals exzellente Keynote wird umso relevanter als dass Deutschland, Luxemburg und Malta in ihrem gemeinsamen Statement just dieser Argumentation folgen: Der Cannabis-Konsum steige trotz des Verbots, auf dem illegalen Markt haben auch Minderjährige einfachen Zugang zu Cannabis-Produkten und die minderwertige Qualität bzw. synthetische Cannabinoide würden zunehmend die Gesundheit der Konsument:innen gefährden. Um es kurz zu machen: Die Prohibition hat ihre eigenen Ziele verfehlt.

Und nicht nur Pascual, inzwischen setzen sich auch immer mehr Industrievertreter kritisch mit der Frage auseinander, wie Cannabis als Genussmittel überhaupt legalisiert werden kann. Schließlich hängt davon auch ihr potenzielles Geschäft in spe ab. „Die aktuell bedeutendste Frage ist, zu welchem Zeitpunkt eine einvernehmliche Lösung im Umgang mit geltendem EU-Recht und UN-Recht gefunden werden kann. Eine Abänderung des EU-Rechts würde die Legalisierung bis mindestens 2025 verzögern”, erklärt David Henn, CEO der Semdor Pharma Group, gegenüber krautinvest.de. Ebenso wie Cansatiavas Rechtsexperten Ioana Freise und Katanja Kurth-Grieser scheint Henn, der bereits 2016 Cannamedical gründete, die Inter-Se-Modification zu favorisieren: “Der gangbare Weg ist folglich nur eine bilaterale Vereinbarung mit mindestens einem weiteren Staat, der bereit sein muss, UN-Recht und EU-Recht neu zu interpretieren.” Niklas Kouparanis, CEO und Mitgründer der Frankfurter Bloomwell Group hatte im Merkur unterdessen Szenarien wie den Aus- und Wiedereintritt, das Ignorieren der Single Convention oder einen wissenschaftlichen Ansatz diskutiert. Die Sanity Group erörtert in ihrem Factsheet alle vier Szenarien; ebenso wie europäisches Recht – unter anderem kalkuliert das Unternehmen, dass ein Änderung des Schengener Abkommens, wenn es denn gelingt, im Schnitt 19 Monate dauert.

Änderung des Vertragswerks in der Praxis kompliziert

Indes betont Pascual, der sich in den vergangenen Jahren als kritischer Beobachter in der Szene einen Namen gemacht hat, die Hürden der aktuell in Deutschland diskutierten Wege, Cannabis vollumfänglich im Einklang mit der Single Convention zu legalisieren: Der Ein- und Austritt aus der Single Convention mit der Ausnahme für Cannabis berge das Risiko, dass am Ende mehr als ein Drittel der bestehenden Vertragsparteien der Single Convention den Wiedereintritt Deutschlands ablehne. Ein Fiasko aus verschiedenen Gründen. Ob die Inter-Se-Modification überhaupt anwendbar sei, stehe noch in den Sternen. Zudem dürften andere Vertragsparteien von der Inter-Se-Modification – mehrere Staaten schließen sich zusammen, um einen eigenen Vertrag zu schließen – in der Erfüllung ihrer Pflichten nicht beeinträchtigt werden: Angesichts der Tatsache, dass wir von EU-Staaten mit offenen Grenzen sprechen, scheint der Widerstand anderer Mitgliedsstaaten nur eine Frage der Zeit.

Änderungen des Vertragswerks oder eine erneute Reklassifizierung von Cannabis seien rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber kompliziert – und vor allem keineswegs binnen kurzer Zeit umsetzbar.

Auch die Interpretationen der europäischen Verträge im Cannabis-Kontrollgesetz der vergangenen Legislaturperiode wiegelt Pascual ab. Zur Erinnerung: Die Grünen hatten dort erklärt, dass sich Deutschland in europäischen Verträgen verpflichtet habe, die Produktion, den Vertrieb und Verkauf “illegale” Drogen bzw. den “unerlaubten” Handel zu ahnden. Habe Deutschland Cannabis legalisiert, so die Hoffnung der Grünen, sei der Handel mit Cannabis ja nicht mehr “unerlaubt”. Laut Pascual eine waghalsige Interpretation: Ziel der Verträge sei schließlich die Harmonisierung der Drogenpolitik angesichts offener Grenzen und eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes.

Was bleibt? Entkriminalisierung wie in Portugal, der Eigenanbau wie in Malta oder wissenschaftliche Pilotprojekte wie in der Schweiz seien auch in kurzer Zeit – gegebenenfalls sogar gleichzeitig – ohne Probleme umsetzbar. Für alles darüber hinaus muss Deutschland innovative rechtliche Lösungen finden.

Das wird in der Industrie sicherlich keine Jubelarien auslösen, am ehesten dürfte man sich dort wohl mit wissenschaftlichen Pilotprojekten arrangieren.

Transparenzhinweis: Der Autor ist auch als Dienstleister für die Bloomwell Group tätig. Hat diesen Beitrag unabhängig davon nach bestem Wissen und Gewissen verfasst.

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