EMA sucht bis Mai Literatur und Daten zur Cannabismonographie

Lückenhafte EU-Regulierung soll verbessert werden

by Astrid Hahner

Am 25. Januar diesen Jahres publizierte das Committee on Herbal Medicinal Products (HPMC) der EMA unter der Kennziffer EMA/HMPC/176770/2022 eine Zusammenfassung der wichtigsten regulatorischen Anforderungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in der EU mit besonderem Fokus auf geltende EU-Pflanzenmonographien. Die Publikation richtet sich speziell an Stakeholder der Cannabis-Industrie, deren Kenntnisse zum pharmazeutischen Regulierungssystem der EU zum Teil lückenhaft sind. Wir haben für Sie die wichtigsten Inhalte zusammengefasst. 

Der wohl wichtigste Aspekt in diesem Zusammenhang ist, dass die EU aktuell ein Bewertungsverfahren zur Erstellung einer Pflanzenmonographie (nicht: Pharmacopoeia) für Cannabis flos (vermutlich beschränkt auf Nutzhanf, zur Begründung siehe unten) eröffnet hat und die Öffentlichkeit dazu einlädt, bis zum 14.05.2023 geeignete wissenschaftliche Literatur und Daten einzureichen.

  1. In der Europäischen Union heben sich aus Cannabis gewonnene Arzneimittel nicht von anderen medizinischen Produkten ab. Das heißt, es gibt keine regulatorischen Rahmenbedingungen speziell für Cannabis. Cannabis-basierte Arzneimittel müssen die gängigen Anforderungen des EU-Arzneimittelrechts erfüllen, insbesondere die der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (für zentral zugelassene Produkte), und müssen von einer zuständigen Behörde eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erhalten, bevor sie in der EU in Verkehr gebracht werden können. Zusätzlich kann das nationale Recht von Mitgliedstaaten weitere Anforderungen an Cannabis-Arzneimittel stellen.
  2. In der EU kann ein Humanarzneimittel entweder zentralisiert von der Europäischen Kommission oder von den zuständigen nationalen Behörden im Rahmen eines Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung, eines dezentralisierten oder eines nationalen Verfahrens zugelassen werden. Bei der Beantragung müssen die Unternehmen geeignete Unterlagen vorlegen um zu belegen,  dass das Produkt von geeigneter Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit ist; als Grundlage für den Zulassungsantrag ist Anhang 1 der Richtlinie 2001/83/EG zu beachten, sowie einschlägige wissenschaftliche Leitlinien (EudraLex Band 3) und die vom Antragsteller gewählte Rechtsgrundlage. Ein vollständiges Dossier für einen Zulassungsantrag muss die Ergebnisse vorklinischer und klinischer Studien und/oder Literatur zum Nachweis der Sicherheit und Wirksamkeit des neuen Arzneimittels enthalten. Es ist laut Artikel 10a der Richtlinie auch möglich, die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines bereits etablierten Stoffes (d. h. eine seit mehr als zehn Jahren in der EU etablierte medizinische Verwendung) durch veröffentlichte wissenschaftliche Literatur nachzuweisen.
  3. Traditionelle Pflanzliche Arzneimittel, also solche, die seit mehr als 30 Jahren (davon mindestens 15 Jahre in der EU) verwendet werden und nicht verschreibungspflichtig sind, können gemäß den Anforderungen der Richtlinie über traditionelle pflanzliche Arzneimittel (Richtlinie 2004/24/EG) zugelassen werden. Es ist zu beachten, dass einige nationale Rechtsrahmen verhindern, dass verschiedene aus Cannabis gewonnene Produkte als nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel zugelassen werden. Sie können daher nicht über das Registrierungsverfahren für die traditionelle Verwendung registriert werden.
  4. Alle neuartigen Wirkstoffe pflanzlichen oder synthetischen Ursprungs (einschließlich aus Cannabis gewonnener Stoffe oder synthetischer Cannabinoide), die unter die Definition von Arzneimitteln fallen, müssen gemäß den Anforderungen von Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie 2001/83/EG zugelassen werden.
  5. Eine Pflanzenmonographie der Europäischen Union (EU) (nicht zu verwechseln mit Pharmacopoeia Monographien, welche Qualitätsstandards enthalten) enthält die wissenschaftliche Stellungnahme des HMPC bezüglich Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines pflanzlichen Stoffes und seiner Zubereitungen, die zur medizinischen Verwendung ohne die Betreuung durch medizinisches Fachpersonal bestimmt sind. EU-Pflanzenmonographien werden nur für pflanzliche Arzneimittel erstellt, die entweder die Kriterien für die Zulassung zur allgemeinen Verwendung (Artikel 10a der Richtlinie 2001/83/EG) oder die Registrierung zur traditionellen Verwendung (Artikel 16a der Richtlinie 2001/83/EG) erfüllen. Für Cannabisblüten und Zubereitungen ist denkbar, eine EU-Pflanzenmonographie bezogen auf die traditionelle Verwendung und bezogen auf gut etablierte Verwendung (mehr als zehn Jahre Verwendung in der EU nachweisbar) zu erstellen. Inwiefern die illegale Verwendung in der Bewertung berücksichtigt werden kann, bzw. inwiefern die Verwendung Indikationen betrifft, die zur Selbstmedikation geeignet sind, steht jedoch zur Diskussion.  
  6. Zu Beginn der Erstellung einer EU-Pflanzenmonographie lädt das HMPC für die Bewertung öffentlich dazu ein, wissenschaftliche Daten über die betreffenden pflanzlichen Stoffe und Zubereitungen einzureichen. Dies wird durch die Veröffentlichung eines Aufrufs zur Einreichung von Daten auf der Website der EMA bekannt gegeben. Drei Monate lang können daraufhin Daten eingereicht werden; Einreichungen außerhalb dieses Zeitfensters werden nicht berücksichtigt.

Wichtig: Für Cannabis flos ist der Call zur Einreichung wissenschaftlicher Literatur und Daten zur Bewertung durch das HPMC vom 15/02/2023 bis zum 14/05/2023 eröffnet!

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