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Ein Plädoyer für eine komplett deutsche Produktionskette von Cannabis

Ein Plädoyer für eine komplett deutsche Produktionskette von Cannabis

Ein Gastbeitrag von Dr. Constantin von der Groeben

Die Debatte um eine mögliche Cannabis-Legalisierung verläuft aktuell relativ differenziert und die Standpunkte in dieser Debatte lassen sich beschreiben mit vielen feinen Graustufen. Da werden die Fürs und Widers abgewogen, es gibt viele Bedenken, generell herrscht eine vorsichtige Grundstimmung.

Um zu veranschaulichen, wie es konkret um das Vorhaben in Deutschland steht, eignet sich hingegen eine Ampel ganz gut: Grünes Licht kommt aus politischen Kreisen Koalition, denn der Koalitionsvertrag sieht vor, „eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizensierten Geschäften“ einzuführen. Mehrere Arbeitsgruppen sind bereits mit einer möglichen Ausgestaltung dieses Plans betraut und man spürt den politischen Willen zur Umsetzung.

Auf Rot umschalten sollte man hierzulande, wenn es nach dem Willen der CSU geht. Zumindest der MdB Pilsinger äußerte sich in seiner Rede zur Cannabislegalisierung am 8.7.2022 im Bundestag sehr skeptisch. Ihm zufolge zeige ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes (WD) vom Bundestag, dass eine Legalisierung mit Völker- und EU-Recht nicht vereinbar sei, obwohl der WD lediglich die anwendbaren Regeln aufzeigt, ohne eine rechtliche Einschätzung zur Machbarkeit abzugeben.  

Ausschlaggebend für eine Legalisierung in Deutschland ist, wie Cannabis hergestellt wird und woher es kommt. Ein rechtliches Gutachten, das Demecan bei der Kanzlei Dentons in Auftrag gegeben hat, zeigt, dass die Cannabis-Legalisierung zu Genusszwecken dann am ehesten rechtskonform gelingen kann, wenn die gesamte Wertschöpfung vom Anbau bis zum Vertrieb in Deutschland durchgeführt wird. Das heißt im Klartext: Import von Cannabis bleibt vorerst ausgeschlossen, gelbes Licht für den Aufbau einer innerdeutschen Cannabisproduktion zu Genusszwecken. 

Deutschland hat Chancen auf Vorreiterrolle

Doch warum Gelb und nicht Grün? Bevor ein legaler Binnenmarkt von Cannabis zu Genusszwecken aufgebaut werden kann, müssen sämtliche Rahmenbedingungen für das Herstellen, Anbieten, Verkaufen und Liefern innerhalb des Landes festgelegt werden. Genau dies ist nun die Aufgabe der Ministerialverwaltung, die bereits an einem Eckpunktepapier arbeitet und dann einen Gesetzentwurf vorlegen wird. Die Fragen in vielen Einzelthemen sind sicherlich komplex, aber hier liegt auch die einmalige Chance für Deutschland, eine Vorreiterstellung einzunehmen und mit pragmatischen und entschlossenen Regularien die Voraussetzungen für den Aufbau eines legalen Binnenmarktes zu sorgen. Dieser Schritt hätte zahlreiche positive Effekte.

Deutschland kann im Zuge der bevorstehenden Legalisierung von Cannabis zu einem wichtigen Impulsgeber auf der europäischen und globalen Bühne werden. Das Vorhaben kann als Feldversuch unter politischen, juristischen und wirtschaftlichen Aspekten betrachtet werden. Dann wird klar, welche Bedeutung dieser Schritt für die Gesellschaft hat, in Deutschland, Europa und weltweit.

Mit einer Legalisierung wäre Deutschland auf einen Schlag weltweit der größte Binnenmarkt für Cannabishandel. Damit davon auch deutsche Anbieter profitieren können, ist es jetzt wichtig, die Bedingungen für eine nachhaltige und qualitativ hochwertige Produktion im Land zu schaffen. Neue Arbeitsplätze, vom Gärtner bis zum Chemiker, könnten entstehen – und das potenziell auch an Standorten, die aktuell eher als strukturschwache Gegenden bekannt sind.

Mit kontrollierten Lieferketten hohe Qualität gewährleisten

Eine volle Kontrolle der Lieferketten bei einer rein inländischen Produktion ist auch aus Qualitätsgesichtspunkten zu befürworten. Hohe Qualitätsstandards sind wesentlich einfacher zu gewährleisten, wenn kein Cannabis importiert wird, das unter unbekannten Bedingungen produziert wurde. Je länger und verworrener die Lieferkette, desto schwieriger ist zu kontrollieren, woher das bezogene Cannabis kommt, unter welchen Bedingungen es angebaut und geerntet wurde und wie lange es noch haltbar ist. Die schwer zu klärende Frage bei Importen ist die, ob die strengen und hohen deutschen Qualitätsstandards immer eingehalten wurden. Eine gleichbleibend hohe Qualität wiederum sollte ohnehin die Bedingung für eine Cannabis-Legalisierung sein, sowohl zu medizinischen als auch Genusszwecken.

Die Legalisierung mit einem Fokus auf Produktion in Deutschland zu beginnen, entspricht auch dem Vorgehen anderer Länder, die Cannabis zu Genusszwecken legalisiert haben. So sind weder nach Kanada noch in die USA Einfuhren von Cannabis zulässig. Gründe dafür gibt es viele, das Thema Völkerrecht spielt hier sicher eine Rolle, weitere Argumente für ein Einfuhrverbot sind gleichermaßen die rechtlichen Bedingungen innerhalb der USA, bzw. der einzelnen Staaten und natürlich spielen auch wirtschaftspolitische Aspekte eine Rolle, wenn sich ein neuer Markt entwickeln soll.

Die Konkurrenz in Form eines seit Jahrzehnten bestehenden Schwarzmarktes ist in der Anfangsphase der Etablierung eines legalen Cannabis-Genussmittelmarktes Herausforderung genug. 

Deutschland hat das nötige Know-How

Deutsche Unternehmen haben das Know-How, den Qualitäts-Anforderungen gerecht zu werden, das steht außer Frage. Denn es gibt bereits Anbieter, die Cannabis zu medizinischen Zwecken anbauen und vertreiben. Auch im Bereich Forschung gibt es eine gute Entwicklung: Die Humboldt-Universität zu Berlin hat bereits 2019 eine Cannabis Research Class eingerichtet, die auch dieses Jahr fortgeführt wird, unterstützt mit Fördermitteln unter anderem von Demecan. Sie forscht und lehrt zu Anbau, Fertilisation und weiteren Aspekten der Cannabis-Produktion. Auch an der Dresden International University gibt es Forschungsprogramme, die Universität bietet in Zusammenarbeit mit Vayamed (Sanity Group) einen Kurs an: „Cannabis in der Medizin: Das A-Z der Cannabis-basierten Therapie. 

Außerdem gibt es noch das staatlich geförderte Forschungsnetzwerk der Universität Hohenheim “Cannabis-Net”, in dem sich Mittelständler und Forschungseinrichtungen austauschen zur Weiterentwicklung der deutschen Cannabisindustrie.

Durch inländische Wertschöpfung dem EU-Recht besser entsprechen

Eine Begrenzung von Genussmittelcannabis auf heimische Produktion ist schon aus völkerrechtlichen Gründen geboten, denn in dem Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 (engl. Single Convention on Narcotic Drugs) sind lediglich medizinischer Cannabis und der Einsatz von Cannabis zu Forschungszwecken erlaubt. Zwar verstieße damit auch eine heimische Produktion von Cannabis formal gegen das Völkerrecht. Dieser Verstoß ist jedoch bei weitem nicht so gravierend, als wenn der Gesetzgeber auch noch einen internationalen Handel entgegen den völkerrechtlichen Vorgaben zuließe. Gleiches gilt auch für das EU-Recht, dessen Regeln vor allem aus dem Schengen-Abkommen zu beachten sind, dass zumindest grenzüberschreitenden Handel mit Cannabis zu Genusszwecken nicht zulässt. Ob damit auch eine rein nationaler Genussmittelmarkt untersagt ist, wird derzeit diskutiert. Da sind sie wieder – die Graustufen.

Gesetzeslage muss sich weiterentwickeln und dem Zeitgeist hinterher kommen

Fest steht: Die Gesetze, die der Produktion und Distribution von Cannabis im Wege stehen, sind mehrere Jahrzehnte alt und wurden in einem anderen gesellschaftlichen Klima entworfen. Mittlerweile gibt es eine andere Auffassung von Cannabis und der verantwortungsbewusste Konsum zu Freizeitzwecken ist weniger schädlich als im 20. Jahrhundert angenommen. Die neue und moderne Drogen- und Suchtpolitik, der Bundesregierung, die nicht auf Verbote und Stigmatisierung setzt, sondern auf Aufklärung und Transparenz muss ihren Niederschlag finden in der Legalisierung von Cannabis als Genussmittel. Die gesellschaftliche Akzeptanz ist auf einem guten Weg, die Vorteile überwiegen. Sichere und Qualitätsgeprüfte Produkte und ein aufgeklärter Umgang statt Verbote sind der richtige Weg, gerade im Interesse des Jugend- und Gesundheitsschutzes. Jetzt muss die rechtliche Grundlage geschaffen werden, einen Schritt nach dem anderen. Das bedeutet in erster Linie, die rechtlichen Bedingungen für eine Produktionskette in Deutschland zu schaffen. Der zweite Schritt kann es dann sein, auf internationaler Ebene die rechtlichen Bedingungen für internationalen Handel zu schaffen.


Über Dr. Constantin von der Groeben

Nach seinem Jurastudium arbeitete Dr. Constantin von der Groeben, inzwischen CEO und Co-Founder von Demecan, als Rechtsanwalt in Berlin und New York und anschließend als Referent im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Als 2017 das „Cannabis als Medizin-Gesetz“ verabschiedet wurde, sah der gebürtige Bonner die Chance, von Beginn an, eine einzigartige Entwicklung in Deutschland mitzugestalten. Er entschied sich zusammen mit seinen Studienfreunden Dr. Cornelius Maurer (Ökonom) und Dr. Adrian Fischer (Arzt)für die Gründung von Demecan. Heute arbeitet Demecan als einziger unabhängiger deutscher Produzent von medizinischem Cannabis im Auftrag des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Disclaimer: Gastbeiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion wiedergeben.

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