CanG rückgängig machen? „180 Grad Kehrtwende schwierig“

by Redaktion

Der Wahlkampf hat begonnen und die CDU verkündet bereits, das Cannabis-Gesetz rückgängig machen zu wollen. Doch was ist dran an solchen Drohungen? So einfach dürfte dies angesichts der Tatsache, dass die Clubs bereits laufen, gar nicht werden. Der auf Cannabis spezialisierte Anwalt Peter Homberg wagt auf krautinvest.de eine erste Einschätzung.

krautinvest.de: Peter, aktuell deutet vieles daraufhin, dass der nächste Kanzler aus der CDU kommt. Politiker der Konservativen haben bereits angedeutet, dass sie das CanG am liebsten wieder einkassieren würden. Geht das so einfach?

Peter Homberg: In der Tat wird es aller Voraussicht nach eine Koalition mit CDU / CSU geben, höchst wahrscheinlich auch unter der Führung der CDU. Dies aber nicht ohne Koalitionspartner. Dafür bieten sich Parteien an, die Teil der bisherigen Ampel-Koalition waren. Daher stellt sich die Frage, ob der Koalitionspartner eine 180 Gratwende in der Cannabis-Politik mitmacht. Zumal viele andere große Probleme auf der Agenda stehen. Vorstellen kann ich mir, dass die Teillegalisierung von Recreational-Cannabis in einem gewissen Umfang eingeschränkt wird. Ob das nun den Bereich Home Grow und, oder Anbauvereinigungen betrifft, ist schwer vorherzusagen. Hinsichtlich der so genannten Säule 2, den wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekten, wird es unter den gegebenen Umständen voraussichtlich jetzt keine Implementierung mehr geben. Inwieweit eine neue Regierung diesen wichtigen zweiten Teil der Legalisierung von Cannabis umsetzen wird, bleibt abzuwarten. Aber nochmal: Eine 180 Grad Kehrtwende ist realpolitisch schwierig umzusetzen.

krautinvest.de: Eine Rücknahme des CanGs dürfte aber auch vor dem Hintergrund schwierig sein, dass bereits einige Anbauvereinigungen für sieben Jahre lizensiert sind. Man kann ihnen sicherlich nicht ohne weiteres die Lizenzen entziehen…

Peter Homberg: Ich gehe davon aus, dass die Anbauvereinigungen, die lizenziert sind, auch weiter produzieren dürfen. Denkbar ist aber, dass es eine Novellierung des Gesetzes geben wird. Diese könnte beispielsweise die Mengen betreffen, die man mitführen und aufbewahren kann. Aller Voraussicht nach wird es aber einen Bestandsschutz für die dann bereits lizenzierten Clubs geben.

Den Geist des CanG kriegt man nicht mehr vollständig zurück in die Flasche.

krautinvest.de: Also ist die Sorge unbegründet, dass das Gesetz komplett wieder eingestampft wird?

Peter Homberg: Ein Gesetz komplett abzuschaffen, ist ein sehr drastischer Vorgang – das kann ich mir nicht vorstellen, zumal wie gesagt bereits Anbauvereinigungen lizenziert sind. Um es bildlich zu sagen: Den Geist des CanG kriegt man nicht mehr vollständig zurück in die Flasche. Die bereits jetzt hohen administrativen Hürden für die Anbauvereinigungen könnten aber noch nach oben geschraubt werden.

krautinvest.de: Im Zuge des CanGs wurde auch medizinisches Cannabis durch das MedCanG neu geregelt. Droht dieses wieder eine Rückstufung als Betäubungsmittel?

Peter Homberg: Hier gilt: Höchstwahrscheinlich nicht. Entweder muss Cannabis als Genussmittel und als Medizin zurück ins BtMG – oder gar nicht. Meine Prognose: Es wird beim verschreibungspflichtigen Rezepturarzneimittel bleiben. Gerade ist ja durch den G-BA-Beschluss erst eine Liberalisierung für GKV-Patienten eingetreten. Diese wird man nicht wieder zurücknehmen. Man muss und sollte Patienten den Zugang nicht künstlich erschweren. Allerdings haben wir im Moment eine schwierig einzuordnende telemedizinische Verschreibungspraxis. Es könnte eine neue telemedizinische Schwelle festgelegt werden, die bis dato in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten nicht präzise definiert wurde. Ob Ärzte in anderen EU-Ländern lediglich auf der Grundlage eines Anamnesebogens weiterhin Rezepte für medizinisches Cannabis für Patienten in Deutschland ausstellen dürfen, bleibt abzuwarten.

krautinvest.de: Die CDU hat, damals noch als Teil der Opposition, im März 2023 selbst beantragt, den Zugang zu Medizinalcannabis zu vereinfachen…

Peter Homberg: Eine besondere Hürde, dass ein Patient mit seinem Arzt gemeinsam einen Antrag bei der zuständigen Krankenkasse stellen muss, damit er eine Erstattung erhält, war eine ungewöhnliche Hürde, die zum Teil durch G-BA Beschluss abgeschafft wurde. Warum sollte ein verschreibungspflichtiges Rezepturarzneimittel anders behandelt werden als andere verschreibungspflichtige Medikamente?

krautinvest.de: Sprich: Am Ende wird vieles heißer gekocht als es gegessen wird…?

Peter Homberg: Im Großen und Ganzen gehe ich davon aus, dass wir abhängig vom Koalitionspartner in einer neuen Regierung mögliche Veränderungen sehen werden. Diese werden aber aus meiner Sicht nicht so signifikant ausfallen, wie aktuell im Vorwahlkampf von den konservativen Parteien angekündigt.

Über Peter Homberg

Peter Homberg ist Partner im Berliner Büro von Dentons. Er ist spezialisiert auf Life Sciences, IP und Gesellschaftsrecht, auf M&A-Transaktionen im Life Sciences und High-Tech-Sektor sowie auf Forschungs- und Entwicklungsverträge, Kooperationsvereinbarungen, grenzüberschreitende IP-Lizenzierungen und IP-Strategien. Daneben hat er umfangreiche Erfahrung in der Rechtsberatung bei Compliance-Themen. Darüber hinaus leitet er die European Cannabis Sector Group. Zu seinen Mandanten zählen unter anderem Start-ups und mittelständische Unternehmen, ebenso wie börsennotierte Gesellschaften, national und international agierende Unternehmensgruppen, aber auch Finanzinvestoren und strategische Investoren, Arzneimittel- und Medizinproduktehersteller, Diagnostika und Biotechnologieunternehmen sowie Anbieter von medizinischem Cannabis. Zusätzlich verfügt er über umfangreiche Transaktionserfahrung in Südostasien. Peter Homberg ist Mitglied der Licensing Executive Society (LES), der Deutschen Gesellschaft für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) sowie des Pharma-Lizenz-Club Deutschland e.V. Er hält regelmäßig Vorträge auf Seminaren und Konferenzen und ist Autor zahlreicher Fachartikel und anderer Publikationen zum Gesellschafts- oder IP-Recht im Bereich Life Sciences.